Der ICE Hockey League stehen richtungsweisende Tage oder Wochen bevor: Wie viele der Bewerber werden aufgenommen? Wird das österreichische Kontingent aufgestockt oder wird die Liga noch internationaler als bisher? Ein Blick hinter die Kulissen und einige ungelöste Fragen:
Mittwoch steigt die erste virtuelle Generalversammlung in der Geschichte der Liga. Allerdings geht es hier nicht nur um die einfache Beantwortung der Frage: "Wolle mer se reinlasse?" Wie so oft müssen in einigen Punkten die Regularien an die Realität angepasst werden.
Wie viele Teams sollen es werden?
Da gibt es völlig unterschiedliche Ansichten – die einen sehen das Ganze nur pekuniär, schließlich können mit vier Neuankömmlingen 600.000 Euro lukriert werden, die allerdings – im Gegensatz zur NHL - nicht direkt an die Teams fließen, indirekt aber schon (decken die Kosten für den Ligabetrieb ab). Österreichische Teams wollen gemeinhin den Sponsor- und TV-Kuchen nicht weiter aufteilen, dazu droht etwa in Südtirol oder Vorarlberg eine Aufsplittung des lokalen Sponsorenmarkts.
Eine Tendenz zu einer geraden Teilnehmeranzahl (12 oder 14, 16 ist seit Sonntag nicht mehr möglich) ist erkennbar, allerdings: Schon beim Wegfall eines Teams in einem Jahr oder zwei (jederzeit möglich) stünde man dann ohnehin wieder mit einer ungeraden Zahl da, daher sollte dies nur eine untergeordnete Rolle spielen. 15 Teams würden aber 64 Spieltage (bei 56 Spielen pro Team) bedeuten, das wäre nur sehr schwer unterzubringen.
Großkotzig sollte die Liga aber keinen der Bewerber abschmettern – wie im Falle von Budapest, das vor Jahren gegen Laibach abgelehnt wurde, könnte man sie bald wieder brauchen.
Wie wird abgestimmt?
Von den 11 Teams haben die Bratislava Capitals (noch) kein Stimmrecht, die elfte Stimme hat Ligapräsident Jochen Pildner-Steinburg.
So weit, so einfach, aber halt doch nicht: Noch wird diskutiert, ob eine einfache Mehrheit die bisher gebräuchliche, aber gar nicht in den Statuten festgehaltene Zwei-Drittel-Mehrheit (das wären acht Stimmen) ablösen soll.
Ebenfalls noch festzuhalten: Eine Enthaltung soll als "Nein"-Stimme gelten. Diese damals noch ungelöste Problematik war schon bei der Präsidentenwahl ein Stolperstein.
Erwarte aber die üblichen Seilschaften – Graz und die Vienna Capitals treten etwa immer gleichgeschaltet auf. Die ausländischen Teams stimmten eher en bloc ab, verloren aber Znojmo und stehen jetzt nur noch zu zweit da.
Die drei oder vier Aspiranten dürfen sich jedenfalls am Mittwoch virtuell vorstellen.
Wird das Teilnehmerfeld also am Mittwoch beschlossen?
Das würde mich doch sehr überraschen. Fristen und Deadlines gibt es in der Liga schon lange keine mehr bzw. diese ändern sich jährlich. Nur als Beispiel: Letztes Jahr durfte der E(H)V Linz noch am 14. April seine Anwartschaft bekanntgeben, heuer soll auf einmal mehr als ein Monat vorher Schicht im Schacht sein?
Auch kurios: Im Gamebook steht heute noch, dass der 15. Jänner die Anmeldefrist für die bestehenden Teams ist, tatsächlich gab die Liga erst letzte Woche die Meldung aller elf Mannschaften bekannt. Könnte man als Corona-bedingtes Vorgehen verstehen, wenn dies nicht schon seit Jahren der Modus operandi wäre…
Die GV kann am Mittwoch auch unterbrochen werden und einige Tage später ohne neue Ausschreibung fortgesetzt werden, Freitag und der darauffolgende Mittwoch wären die nächsten Termine für virtuelle Treffen.
Überflüssig zu erwähnen, dass alle Teilnahmekandidaten uneingeschränkte Testate bekamen. Prüfer, die über die Jahre die Bankrotteure aus Jesenice, Laibach und Zagreb durchwinkten, haben die Latte von Haus aus in Knöchelhöhe (eines Pygmäen) gelegt. Auch wenn sich einige Favoriten hervortun – perfekt ist natürlich keiner der Anwärter.
Die Kandidaten:
HK Olimpija Ljubljana
Nicht der Chaosklub der früheren Jahre, nein, ein Nachfolgeklub – auch eindeutig und völlig unübersehbar am hinzugefügten Kürzel „HK“ zu erkennen.
Plus: Die Hoffnung der Liga hängt an Präsident Miha Butara, im Zivilberuf der Vize-Chef der Slowenischen Staatsbahnen. In der AlpsHL trat der Verein in den letzten vier Jahren solide auf, sammelte die Einheimischen, die im Ausland nicht mehr gefragt waren, ein. Dass die Liga am slowenischen Eishockey hängt, zeigt auch die Tatsache, dass deren Referees im Gegensatz zu den Ungarn und Slowaken die ganze Saison quer durch die Landschaft düsen durften.
Minus: Die Probleme in Laibach und auch Jesenice während der EBEL-Zeiten hingen ja nie nur an einer Person. So wurde von Ligaseite auch Marko Popovic – der letzte Laibacher Präsident zu EBEL-Zeiten - als Heilsbringer abgefeiert, ehe er dann auf einmal nicht mehr greifbar war. Slowenien als kleines Land verfügt halt nicht über eine Unzahl an zahlungskräftigen Sponsoren oder Mäzenen.
Ljubljana, das im Gegensatz zu Jesenice auch das Wohlwollen des slowenischen Verbands besitzt, könnte sicher ein stabiles einheimisches Team stellen, das allerdings nur als Tabellennachzügler durchginge. Nur: Damit wird man sich eher nicht begnügen und mit übergroßen Ambitionen begannen immer die Probleme.
Alter Hut mit neuer Krempe also oder ist Laibach erstmals in der Ligageschichte ein Team, das seine Spieler tatsächlich auch zahlen kann?
HC Pustertal Wölfe
Plus: Nach jahrzehntelanger Ankündigung endlich eine Eishalle, das Rienzstadion hatte Dritte-Welt-Charakter. 3500 Plätze sind auch eine gute Zahl für die ICE. Stets ein Spitzenklub in der italienischen Liga und AlpsHL, der allerdings am Weg zu Titeln immer verlässlich stolperte. Geografisch vor allem für die Teams aus Kärnten nicht aus der Welt. Finanziell steht das Team auf einer breiten Sponsorenbasis, auch wenn sich Präsident Robert Pohlin am Ende der Saison aus seiner Funktion zurückzieht.
Minus: Auch wenn der Name nicht gleich darauf hindeutet – es geht um Bruneck, eine Kleinstadt mit knapp 17.000 Einwohnern. Nicht gerade ein großer Fisch für die ICE. Außerdem: Die österreichischen Teams kamen im achten (!) Jahr von Bozens Ligazugehörigkeit darauf, dass diese mit Doppelstaatsbürgern doch einen Vorteil hatten. Die Wölfe würden sicher in den gleichen Wassern fischen.
Sollte mit dem Hallenbau in letzter Sekunde noch etwas schiefgehen, stehen die Pustertaler ohne Heimstätte da – in der Rienzbaracke kann sicher kein Ligaspiel steigen.
Ist der Umzug in eine neue Halle und die Aufnahme in einer Liga mit wesentlich höheren logistischen und finanziellen Voraussetzungen als die AlpsHL wirklich im selben Sommer zu stemmen?
VEU Feldkirch
Plus: Ein großer Name im österreichischen Eishockey, die finanziellen Troubles mit mehreren Konkursen liegen schon längere Zeit zurück.
Minus: Über die Finanzierung des Abenteuers ICE wird seit Jahren der Mantel des Schweigens gelegt, zusätzliche Großsponsoren sind jedenfalls keine in Sicht. Mehr als ein AlpsHL-Mittelständler ist die VEU nicht, der österreichische Kern ist selbst auf diesem Niveau überschaubar.
Die Vorarlberghalle ist in die Jahre gekommen, ohne Nachbesserungen kann dort nicht gespielt werden. Geht sich das bis Saisonbeginn aus? Bewilligt Bürgermeister Matt wirklich eine finanzielle Impfung? Mehr als eine Ligaaufnahme unter Vorbehalt scheint nicht drinnen zu sein. Wohl die mutigste Bewerbung.
Orli Znojmo
Plus: Ein langjähriges Ligamitglied mit brauchbaren Strukturen, guten Zuschauerzahlen und in einem Eishockey-Großland angesiedelt. Der Abschied im letzten Sommer ging von ihnen, nicht von der Liga aus. Covid wurde als Hauptgrund für den Ligaausstieg angegeben – diese nicht unrichtige Vorsorge war aber sicher nicht der einzige Grund.
Minus: Mit keinem anderen Team – Graz vor Jahren vielleicht ausgenommen – machten die Ligamitarbeiter und Referees so viel mit wie mit den Adlern, vor allem in Person des unberechenbaren und oft gesperrten Präsident Pavel Ohera. Die Sympathien für die Tschechen sind in höheren Kreisen überschaubar.
Finanziell sieht es um nichts besser aus als im letzten Sommer, als etwa die Stadt ihre Mittel stark reduzierte. Die heurige Saison in der dritten Liga, wo es bis zum Abbruch nur zu fünf Spielen reichte, riss ein weiteres Loch ins Geldbörserl.
Noch liegt keine offizielle Bewerbung vor, aber bis zum Dienstag steht die Tür noch offen. Allerdings sieht die ICE die Tschechen als neues Mitglied an, verlangt daher die Aufnahmegebühr von 150.000 Euro.
Bei Zagreb, die sich vier Jahre lang in der KHL zu Höherem berufen fühlten, sah dies bei ihrer Rückkehr noch ganz anders aus. Fragen zu dieser Dichotomie wurden mit "Schnee von gestern" niedergebügelt.
Beide Seiten sind an der schwierigen Beziehung sicher nicht unschuldig – nach einem Happy End sieht es derzeit nicht aus.
EHV Linz
Seit Montagnachmittag Geschichte (Alle Infos >>>) – nach dem Ausstieg der Stadtsponsoren Linz AG und LIWEST fiel das ganze Konstrukt wie ein Kartenhaus zusammen.
Das Ganze kam völlig unvermutet, noch vor kurzem wollte die Führungsriege Manager Christian Perthaler durch einen kaufmännischen Geschäftsführer aus dem Schussfeld bringen. Die ligaweite Ablehnung des letzten Sommers war zuletzt etwas aufgeweicht.
Wie die Abstimmung ausgehen wird? Keine Ahnung, mich würde aber eine zeitnahe Entscheidung – zumindest ohne Vorbehalte - wirklich überraschen. Schon Diskussionen über oder mit einem Team dauerten oft Monate und jetzt steht die größte Entscheidung in der Geschichte der Liga an.
Noch dazu ist die ligaweite Einheit, die in den ersten Wochen der Corona-Krise geherrscht hat, schon längst wieder perdu und vor der Abstimmung gibt es noch einige Konfliktpunkte auf der Agenda zu klären…