Die Eishockey-Saison naht in großen Schritten! Mit dem Start der ICE Hockey League am 25. September (im LIVE-Ticker) startet die heimische Liga in eine neue Ära, nachdem die Corona-Krise den Abschluss der letzten EBEL-Saison und damit die Kür eines Meisters verhinderte.
Auch die Vereine der Scheibenjagd präsentieren sich durch die widrigen Umstände zum Teil mit einem neuen Gesicht.
LAOLA1-Experte Bernd Freimüller nimmt in seiner traditionellen Saison-Vorschau wieder alle Teams unter die Lupe. Der Villacher SV will nach sportlich und wirtschaftlich kargen Jahren wieder vorne mitspielen und hat nach einer ersten Einschätzung durchaus auch das Zeug dazu:
Das sollte klappen
Der VSV hat bereits in der letzten Saison das Schlimmste hinter sich gelassen, erreichte die Playoffs, wenn auch erst über die Hoffnungsrunde. Gegen Salzburg zeigte sich dann eine Abschlussschwäche, die sich schon über die ganze Saison zog und die heuer über den Sommer behoben werden sollte. Mit Sahir Gill und Scott Kosmachuk kamen zwei Spieler aus Augsburg, die für zusätzliche Offensive sorgen sollen und können. Das nimmt Druck von Patrick Bjorkstrand, Jerry Pollastrone und Chris Collins. Mit Martin Ulmer als österreichische Ergänzung sollte das mindestens zwei Scorerlinien ergeben.
Jamie Fraser wird wie immer viel Eiszeit fressen, zeigte aber auch im Alter von 35 Jahren keine Abnutzungserscheinungen. Neuverpflichtung Matt Mangene ist ein exzellenter Eisläufer, der in der AHL zwischen Angriff und Abwehr pendelte. Dazu kommt noch Kevin Schmidt als dritter Import, der zuletzt allerdings nicht mehr der Tausendsassa aus Dornbirn-Zeiten war. Raphael Wolf ist die klare (und gute) Nummer 4, dahinter kommen Stefan Bacher und der Doppelstaatsbürger Sebastian Zauner, ein DEL2-Durchschnittsmann. In Corona-Zeiten – und vielleicht nicht nur diesen - eine gut besetzte und größtenteils mobile Abwehr, in die auch Nico Brunner jederzeit zurückgehen kann.
Der letzte Arbeitgeber von Neo-Coach Dan Ceman ähnelte dem heutigen VSV: Erfolg um jeden Preis, vergiss die Zukunft. Cemans Modus Operandi war in Banska Bystrica klar erkennbar: Zwei Legionärsblöcke für die Offensive zuständig, die (körperlich allerdings starken) Slowaken für die Kärrnerarbeit. Letztere waren davon nicht unbedingt immer angetan, aber der Erfolg mit zwei Meistertiteln sprach für den Kanadier. Erwarte ähnliches (nicht unbedingt den Titel) in Villach.
Das könnte klappen
Ich war immer ein großer Fan von Tyler Beskorowany, auch schon bevor familiäre Probleme seine Karriere entgleisen ließen: Groß, auch auf den Knien gut in den Top-Cornern, reflexstark aber nicht hyper. Für mich immer eine Empfehlung für Goalie suchende Teams. Letzte Saison sah ich ihn einmal live, da schaufelte er sich zwei Weitschüsse selbst ins Tor. Ein Ausrutscher oder Zeichen einer abrutschenden Leistungskurve wie etwa bei Ryan Zapolski? Ich glaube eher an Ersteres, Beskorowany sollte Brandon Maxwell deckungsgleich ersetzen können. Allerdings kam er relativ spät nach Villach. Ali Schmidt, den man letzte Saison wie den rothaarigen Stiefsohn behandelte, bewies in der Vorbereitung, dass man ihn durchaus einsetzen kann, ohne zu Nervenberuhigungsmitteln greifen zu müssen.
Philipp Kreuzer war in Klagenfurt zuletzt nur mehr Pendler zwischen Erster und Farmteam, dazu durch hartnäckige Leistenprobleme oft out. Er hätte die Hände für eine (secondary) Scoring-Rolle in der ICE, aber wird er die (letzte) Chance bekommen, das zu beweisen? Wie Daniel Wachter und Benjamin Lanzinger könnte er auch mit guten Cracks zusammenspielen, so werden sie ebenso aber zu den Bottom-6 gehören wie Christof Wappis, Felix Maxa und der Doppelstaatsbürger Julian Kornelli, die für diese Rolle eher prädestiniert sind. Bekommt im Verletzungsfalle eines Legionärs einer von ihnen eine Chance in einer Scoring-Line oder kommt gleich der nächste? Groß genug ist der Kader auf jeden Fall.
Das Problempotenzial
Neben Bozen ist Villach der einzige Klub, dem man von außen keine Corona-Probleme ansieht. Gut, die Preise für Legionäre sind natürlich stark abgesunken, den Zugang von Maxi Kammerer verdankte man den Kontakten von Sportdirektor Gerhard Unterluggauer, aber trotzdem: Zwei Jahre nach dem nur von der Liga abgewandten Fast-Konkurs greift man in Villach wieder nach den Sternen. Ist das finanziell wirklich alles abgesichert? Immerhin kam ein neuer Namenssponsor, dagegen ist wie für alle Teams die Phase 3 der Sporthilfe alles andere als garantiert. Andrerseits: Wie das Publikum eine Billig-Truppe und den dadurch nötigen Einsatz von Youngsters (Lanzinger im Powerplay) akzeptiert (nämlich nicht), kann Unterluggauer von seiner Trainertätigkeit aus erster Hand bestätigen. Der VSV ist zum Sofort-Erfolg verurteilt, stete Trainer-Wechsel (Ceman ist die Nummer 4 in nicht einmal zwei Jahren unter Klub-Boss Gerald Rauchenwald) und Kollateralschäden wie Markus Schlacher (kein Platz für einen Teamverteidiger) und Rob Daum (ewig hingehalten, dann abserviert) gehören einfach dazu.
Sahir Gill – ein guter Zwei-Weg-Center mit sanften Händen im Verkehr. Scott Kosmachuk – ein kraftvoller Eisläufer mit sehr gutem Schuss. Matt Mangene – ein brillanter Eisläufer und Rover. Maxi Kammerer – sein Speed alleine hebt die Offensive auf ein höheres Niveau. Soweit die positive Leseart.
Gill – in der letzten Saison ein Mitläufer in Augsburg. Kosmachuk – "would not have him on my team", so eine Aussage eines früheren General Managers. Mangene – "Der ideale zehnte Ausländer für ein DEL-Team", so ein AHL- und DEL-Kenner. Kammerer – wie sehr ist er an seinem Cameo-Auftritt in Villach interessiert? Auch diese Betrachtungsweisen und Fragen kamen mir unter.
Also zwei Betrachtungsarten für die prominentesten Zugänge. Im Durchschnitt sehe ich eher die positiven Varianten eintreffen. Die Erwartungen in Villach dürften aber so hoch wie nie sein.
Wo könnte nachgerüstet werden?
Vorläufig soll der Teig so gären, wie er ist, zumindest solange Kammerer noch zur Verfügung steht. Die U22- und U24-Legionärsplätze wurden jedenfalls vorläufig noch nicht besetzt…
Der Ausblick
Für mich gehört der VSV zu den klaren Top-5-Kandidaten, da sie gegenüber dem Vorjahr stärker und die Spitzenteams schwächer geworden sind. Ohne Verletzungen und mit einem guten Beskorowany könnten sie sogar auf die ersten drei Plätze in der Endabrechnung spechteln ...
