Die ICE Hockey League hat sich entschieden: Doppelstaatsbürger werden in zwei Gruppen unterteilt (echte und unechte), Ausnahmegenehmigungen gibt es keine.
Eine Abmachung, die natürlich auf wackeligen Beinen steht und bald wohl auch vor Gericht behandelt wird. Wie könnte ein Mock Trial aussehen, der die Argumente beider Seiten im Falle des österreichisch-italienischen Doppelstaatsbürgers Peter Hochkofler vorwegnimmt?
LAOLA1-Experte Bernd Freimüller mit dem Versuch einer Abhandlung dieses fiktiven Gerichtsverfahrens:
Die Fakten
Auf Betreiben der Vienna Capitals – und von Liga-Präsident Jochen Pildner-Steinburg energisch vorangetrieben – sollten Doppelstaatsbürger kontingentiert werden. Der erste Vorschlag, nur einen pro Team nicht automatisch mit vier Punkten zu besteuern, wurde bald als undurchführbar abgetan. Zur Abstimmung kam die IIHF-Regel, die Doppelstaatsbürger frühestens nach 480 Tagen als Inländer für ein Nationalteam zuließ. Diese Regel wurde mit 9:3 Stimmen für die ICE übernommen.
Kurze Zeit später wurde bei einer außerordentlichen Generalversammlung darüber abgestimmt, ob Doppelstaatsbürger, die bisher als Inländer galten, diesen Status weiter behalten sollten. Die ICE-Rechtskommission empfahl diese Interpretation, die Abstimmung ging 6:6 aus, damit wurde dieser Ausnahmestatus abgelehnt. Abstimmungsberechtigt waren jeweils die elf Teams der letzten Saison sowie Pildner-Steinburg kraft seines Amtes.
Das bedeutet: Neben vier Italo-Kanadiern bei Bozen gilt auch Peter Hochkofler ab der nächsten Saison in Salzburg quasi als Ausländer. Statt mit 2,25 Punkten wird er mit vier Punkten geführt. Nachdem er international für Italien antritt (zuletzt bei der A-WM), könnte er diesen Status frühestens in vier Jahren verlieren, wenn er bis dahin in Österreich bleibt und nicht mehr für das italienische Nationalteam spielt.
Zieht Hochkofler vor Gericht?
Dem Vernehmen nach – er stand für ein Interview nicht zur Verfügung – will Hochkofler gegen dieses Urteil gerichtlich vorgehen, ähnliches ist aus Bozen zu erwarten.
Die offenen Fragen: Bemüht man ein Arbeits- oder Zivilgericht? Ein Arbeitsgericht wäre für mich naheliegender, wird ihm doch das Ausüben seines Berufs erschwert. Eine große Hilfe wäre dabei natürlich ein Schreiben von Red Bull Salzburg (stimmte gegen die Doppelstaatsbürger-Regelung), das sinngemäß lauten könnte: "Wir hätten Herrn Peter Hochkofler mit 2,25 Punkten gerne unter Vertrag genommen, mit vier Punkten jedoch nicht. Die neue Regelung der ICE macht für uns eine Weiterverpflichtung leider nicht möglich."
Eine Klage von Hochkofler - oder einem der Italo-Kanadier - gegen die ICE wäre wohl auch weniger schwammig als "Salzburg/Bozen gegen die ICE". Der Kernpunkt sollte immer sein: Ein Inländer wird im Vergleich zu einem anderen Inländer - von EU-Bürgern sprechen wir schon gar nicht - in seiner Berufsausübung behindert. Noch offen: Nachdem die Saison sicher vor einem etwaigen Gerichtstermin beginnt – kann eine einstweilige Verfügung angestrebt werden?
Weißer Lärm
Wie Spieler wie Hochkofler oder etwa Dustin Gazley zu ihren Pässen kamen, spielt natürlich überhaupt keine Rolle, ebenso nicht, ob sie zwei oder fünf Staatsbürgerschaften hätten. Ebenso irrelevant: Ob und wo die Spieler ihren Präsenzdienst abgeleistet haben. Arbeitsrechtlich darf sich Hochkofler in Salzburg - eigentlich auch in der EU - nicht von Dominique Heinrich oder Thomas Raffl unterscheiden. Mit dem Argument: "Wir wollten Bozen eines auswischen, haben aber so einen Fall wie Hochkofler nicht bedacht", sollte die ICE vor Gericht eher nicht kommen, auch wenn das der alleinige Grund war.
Als Besucher der Verfahren "Chris Harand gegen die EBEL" bzw. "Christian Hartl gegen den ÖEHV" kann ich als juristischer Laie sagen: Die Seite, die die sportlichen Aspekte in rechtlich verständliche runterbrechen kann, ist von Beginn an im Vorteil. Von einem Richter bzw. einer Richterin können detaillierte Kenntnisse des Sportrechts nicht erwartet werden, schon gar nicht bei einer so diffizilen Sache wie der ICE-Punkteregelung, bei der selbst Coaches und Manager oft glasige Augen bekommen. Die Seite, die sich in Details verliert, statt das arbeitsrechtliche Große und Ganze zu betonen, gerät leicht auf die Verliererseite.
Der Mock Trial
Wie könnte die Vorbereitung auf einen etwaigen Gerichtstermin aussehen? Welche Argumente sind von beiden Seiten zu erwarten und welche Gegenargumente bieten sich an? Einige Beispiele:
KLÄGERSEITE: "Peter Hochkofler wird gegenüber anderen Österreichern durch den höheren Punktewert schlechter gestellt. Die Liga unterscheidet nicht nur zwischen In- und Ausländern (EU und Nicht-EU sind hier gleichgestellt), sondern schafft auch noch eine willkürliche Untergruppe innerhalb der Inländer. Aktuellen Anlass dazu gab es überhaupt keinen, Herr Hochkofler spielte seit Jahren als Österreicher."
ICE: "Es gibt mehrere Gruppen innerhalb der Punktewertung. In- und Ausländer, U24- und U22-Ausländer, U24-Inländer – sie alle werden unterschiedlich bewertet. Peter Hochkofler fällt aufgrund seines italienischen Passes in die Gruppe der Inländer für italienische Teams, für andere Teams ist er ein Legionär."
(Text wird unterhalb fortgesetzt)
KLÄGERSEITE: "In keiner anderen europäischen Liga wird ein Unterschied zwischen Doppelstaatsbürgern und Spielern mit nur einem Pass gemacht. Die Liga nimmt sich ein Recht heraus, das weder im Arbeits- noch im Sportrecht Parallelen hat."
Gegenargument ICE: "Das stimmt nicht. In der AlpsHL wenden die italienischen Teams die gleiche Regelung an, die jetzt in der ICE eingeführt wird."
Gegenargument KLÄGERSEITE: "Die AlpsHL untersteht der gleichen Liga-Führung wie die ICE, kann daher nicht als Beispiel dienen. Es handelt sich dabei um eine Regelung, die von den italienischen Teams beschlossen wurde, nach dem Motto: Wo kein Kläger, da kein Richter. Rechtlich ist diese Regelung einfach nicht haltbar und fällt bei einem Einspruch wie ein Kartenhaus zusammen."
Gegenargument ICE: "Diese Regel wurde von uns nicht erfunden, lediglich aus den IIHF-Regularien übernommen."
Gegenargument KLÄGERSEITE: "Die IIHF-Regularien regeln die Spielberechtigung für Nationalteams, nicht Ligen. Sie wurde deshalb eingeführt, damit ein Nationalteam nicht mit kurzfristig eingebürgerten Spielern auflaufen kann, sondern diese zumindest einen gewissen Zeitraum im Heimatland gespielt haben müssen. Nationalverbände sind keine Arbeitgeber für Spieler, daher kann diese Regel für Ligen bzw. Vereine, die das Arbeitsrecht beachten müssen, nicht angewandt werden. Hier werden Äpfel mit Birnen vermischt."
Gegenargument ICE: "Der Grundgedanke ist der gleiche – ein Spieler soll nur in einem Land als Inländer gelten, für das er auch für das Nationalteam antritt. Peter Hochkofler spielt für Italien und nicht für Österreich."
Gegenargument KLÄGERSEITE: "Nochmals: Wir sprechen über das Arbeitsrecht (neben dem Staatsgrundgesetz), nicht Sportrechte für Nationalteams. Und die ICE hat selbst diese Regel nochmals ausgehebelt. In den IIHF-Regeln können Doppelstaatsbürger 480 Tage nach ihrer Anmeldung erstmals für ihr Heimatland spielen. Nachdem der Punktwert während einer Saison in der ICE nicht geändert wird, gilt das hier erst nach zwei vollen Saisonen, also circa 730 Tagen."
Argument KLÄGERSEITE: "Diese Regelung verstößt nicht nur gegen das Arbeitsrecht, sondern im Sportbereich auch gegen die ÖEHV-Regelungen. Dort ist klar festgehalten, dass ein österreichischer Doppelstaatsbürger als Österreicher gilt."
Gegenargument ICE: "Die ICE ist eine internationale Liga, die für sechs verschiedene Nationen Regelungen finden muss. Wenn man da auf alle nationalen Regeln Rücksicht nimmt, kommt nie ein Spielbetrieb zustande."
Gegenargument KLÄGERSEITE: "Die ICE kann nicht einerseits eine IIHF-Regel für sich beanspruchen, andrerseits eine Regel, die ein IIHF-Mitglied aufgestellt hat, ignorieren wollen. Weder das Arbeits- noch das Sportrecht ist ein Buffet, aus dem man sich die appetitlichsten Stücke herausnehmen kann."
Gegenargument ICE: "Peter Hochkofler kann für jedes italienische Team als Inländer spielen, aber nicht gleichzeitig in Österreich dasselbe Recht beanspruchen. Und Salzburg muss, wenn sie mit den Regularien, die von allen Teams per Mehrheitsbeschluss beschlossen wurden, nicht einverstanden sind, nicht mitspielen."
Argument KLÄGERSEITE: "Peter Hochkofler hat seit Jahren in dieser Liga als Österreicher gespielt. Die ICE hat für die Saison 2020/21 auch bereits zwei Punktelisten herausgegeben, in denen Herr Hochkofler mit 2,25 Punkten geführt wird und von deren Gültigkeit Salzburg ausgegangen ist. Wenn die Liga jetzt diese Regelung widerruft, was fällt ihr dann im Juli oder August noch ein?"
Gegenargument ICE: "Dieser Punktewert gilt auch weiterhin – allerdings nur, wenn Peter Hochkofler für Bozen oder Pustertal spielt. Es sind viele Spieler gelistet, die in ihrem Heimatland einen niedrigeren Punktewert haben. Herr Hochkofler könnte nur klagen, wenn er auf dieser Liste gar nicht aufscheinen würde, sondern als Importspieler mit vier Punkten gelten würde."
Schlussargument KLÄGERSEITE: "Wir verrennen uns hier in IIHF- und ÖEHV-Regeln, laufen Gefahr, den Wald vor Bäumen nicht zu sehen. Es läuft doch darauf hinaus: Die ICE aberkennt Herrn Hochkofler praktisch die österreichische Staatsbürgerschaft. Wenn das durchgeht, kann jede Liga das Arbeits- und Staatsgrundgesetz nach Willkür ignorieren. Was kommt als nächstes? Eine Benachteiligung von offen schwulen Spielern? Teams zahlen die Gehälter ihrer Arbeitnehmer nur dann aus, wenn ihnen danach ist? Die ICE glaubt offenbar wirklich, dass Gesetze für sie nicht gelten."
Schlussargument ICE: "Es gibt schon genug Gerichtsurteile, dass Sportligen Arbeitsrechte nicht 1:1 übernehmen können. So kann, um nur ein Beispiel anzuführen, ein Spieler nicht während der Saison einfach zwei Wochen auf Urlaub gehen. Wer in der ICE mitspielen möchte, unterwirft sich deren Regeln, die ja wiederum auf Mehrheitsbeschluss der teilnehmenden Teams fußen. Im Falle von Peter Hochkofler hat die Liga noch dazu die Regeln des internationalen Eishockey-Verbandes umgesetzt."