Am 16. September ist es endlich wieder soweit: Die win2day ICE Hockey League startet in die neue Saison.
Vor dem Saisonstart analysiert LAOLA1-Experte Bernd Freimüller alle Klubs und gibt seine Prognose für die kommende Spielzeit ab.
Mit den Pioneers Vorarlberg weht frischer Wind durch das westlichste Bundesland. Wie ist die VEU Feldkirch unter neuer Marke sportlich aufgestellt?
Die VEU Feldkirch gab schon vor der letzten Saison eine Meldung ab, fand aber keine Mehrheit bei den Teams. Da die heurige Abstimmung erst nach dem Dornbirn-Ausstieg erfolgte, hatten sie natürlich bessere Karten.
Allerdings ging es da nicht mehr um den Traditionsverein VEU, sondern um das an gleicher Stelle beheimatete "Team Vorarlberg". Darunter hätte es eigentlich eine Kooperation der Ländle-Teams geben sollen, Dornbirn und Lustenau waren dann aber nicht mehr mit von der Partie.
Unter dem später beschlossenen Namen "Pioneers" geht also nun ein Team an die Arbeit, das von den bisherigen VEU-Machern Pit Gleim (Präsident), Christian Gross (GM) und Michael Lampert (Sport Manager) geleitet wird. Die VEU existiert parallel allerdings auch noch in der dritthöchsten Spielklasse ÖEL als offizieller Kooperationspartner, wobei allerdings in der Vorbereitung vor allem auf Spieler vom AlpsHL-Team Bregenzerwald zurückgegriffen wurde und das mittels B-Lizenzen auch während der Saison ein Thema sein wird.
Die Umstellung von AlpsHL- auf ICE-Niveau, noch dazu mit einer neuen Corporate Identity, nahm die Macher im Sommer erheblich in Anspruch. Die Vorarlberghalle - bei der Abstimmung 2021 noch ein großes Thema - bekam den letzten Schliff, etwa die zuvor beanstandete Beleuchtung (Lampert: "Jetzt braucht man fast Sonnenbrillen").
Angesichts der Hallen in Szekesfehervar und Asiago kann es an der schon etwas älteren, aber aufgemotzten Feldkircher Spielstätte sicher keine großen Kritikpunkte mehr geben, die Kapazität mit knapp 5.000 ist ohnehin weiterhin beeindruckend.
Der neue Coach
Marc Habscheid ist seit 1996 als Coach aktiv, sein Name ist aber älteren Eishockeyfreunden auch noch aus seiner Spielertätigkeit aus der NHL, Schweiz und DEL bekannt. Von den 26 Jahren verbrachte er 18 in der WHL, kennt also die Spieler aus Alberta, Manitoba, Saskatchewan und British Columbia.
Der 59-Jährige versuchte schon seit Jahren, nach Europa zurückzukehren, die Verbindung nach Feldkirch klappte vor allem über Dylan Stanley. Der langjährige VEU-Legionär, der erst im Sommer seine Schuhe an den Nagel hängte, stellte den Kontakt mit Habscheid her, wird in Zusammenarbeit mit dem Finnen Teemu Pirskanen (für den VEU-Nachwuchs hauptverantwortlich) auch als Assistent arbeiten.
Die WHL gilt als die strukturierteste und defensivste der drei kanadischen Juniorenligen. Nicht nur deshalb, sondern auch aufgrund der überschaubaren Teamoffensive, wird Habscheid auf die Trap und Konterspiel setzen, erst ein Rückstand könnte diese Herangehensweise wieder etwas aufweichen.
Der Kader
Die Legionäre
3 Spieler aus der kanadischen Universitätsliga CIS: Defender Clayton Kirichenko sowie die Stürmer Matt Revel (derzeit verletzt) und Tyler Sandhu. Sie alle weisen WHL-Vergangenheit auf.
2 Spieler aus der amerikanischen College-Liga: Die beiden Forwards Hampus Eriksson (College ist ein eher seltener Weg für schwedische Spieler) und Jack Jacome.
2 Legionäre aus VEU-Zeiten: Goalie Alex Caffi und der bereits 36-jährige Defender Steve Birnstill.
Die beiden weiteren Legionäre: Der Norweger Christian Bull (für mich immer ein Defensiv-Defender, der defensiv nicht sonderlich gut ist) und der slowenische Tryout-Forward Luka Maver. Ein Legionärsspot ist abgesehen von Maver noch offen.
Die Österreicher
David Madlener wird mit Caffi ein ligataugliches Goalie-Duo bilden. Mit Alexander Pallestrang kam ein Ligaroutinier, dessen Eiszeit zu der in Salzburg aber kategorisch ansteigen wird. Kevin Macierzynski und der aus der Schweiz heimgekehrte Patrick Spannring werden Antagonizer-Rollen einnehmen. Marcel Zitz war in der letzten Saison ein Viertlinien-Forward in Dornbirn.
Das sind die einzigen Österreicher mit Ligaerfahrung, der Rest wurde aus der AlpsHL mitgenommen: Die Defender Luca Erne (von Habscheid zum Forward umfunktioniert), Patrick Stückler, Ivan Korecky und Tobias Reinbacher sowie die Stürmer Niklas Gehringer, Lukas Göggel, Yannik Lebeda und Julian Metzler und der aus Wien gekommene Valentin Ploner. Ploner und Metzler verfügen über ein klein wenig ICE-Erfahrung, wobei Metzler mit seinen langen Haaren und körperbetontem Spielstil aus der Masse herausragen könnte.
Der Ausblick
Es wird nicht jedes Spiel verloren gehen, wie einige Auguren voraussagten und die höheren Niederlagen sollten sich mit einem strikt durchgezogenen Defensivsystem in Grenzen halten. Vor allem zu Beginn der Saison könnten die Pioneers so manchem Gegner Sorgen bereiten, die Testspielergebnisse (darunter ein Sieg gegen das DEL-Team Bietigheim) waren durchaus manierlich.
Wie für jedes Team muss natürlich zumindest ein Pre-Playoff-Platz angestrebt werden, sonst hat ja die Teilnahme wenig Sinn. Aber die Kombination von College-Cracks (von denen der eine oder andere sicher positiv überraschen wird) und jüngeren AlpsHL-Cracks kann dafür eigentlich nicht reichen und es droht auch ein großer Leistungsabfall innerhalb des Kaders.
Eine Top-Vier-Defensive mit Bull-Pallestrang-Birnstill-Kirichenko wird viel Eiszeit schultern müssen, auch im Angriff wird Habscheid bestenfalls zwei Linien zusammenstellen können, die etwas (und wirklich nur etwas) Offensive versprechen. Wie sehr er die restlichen Linien und das dritte Verteidiger-Paar einbindet, wird vor allem ab Dezember zum Thema werden.
Immerhin werden eine Unzahl von Vorarlbergern Eiszeit bekommen – wie sehr das Publikum das honoriert, bleibt abzuwarten, aber mehr einheimische Cracks als die Pioneers aufweisen können, geht eigentlich nicht mehr. Finanziell soll und darf dieser Kader in der ersten Saison kein Risiko darstellen – die College-Cracks haben nicht nur niedrigere Preiszettel, sondern beanspruchen den in Vorarlberg immer problematischen Wohnungsmarkt auch weniger als erfahrene Legionäre mit Kind und Kegel.
Die Pioneers sind ein dringend notwendiges achtes österreichisches Team in der Liga, die sonst wirklich endgültig Richtung Ausland gekippt wäre. Das Nachtrauern um die Traditionsmarke "VEU" ist einerseits verständlich, andrerseits sind seit deren Erfolgen in den Neunzigerjahren ein oder zwei Generationen neuer Vorarlberger Eishockeyfans auf die Welt gekommen und die Erinnerung an alte Glanzzeiten verblasst immer mehr.
Die ersten ICE-Wochen werden für die Pioneers wie im Flug vorübergehen, ab Dezember könnte es etwas mühsamer werden. Sollte es den Machern gelingen, die Politik, Wirtschaft und Fanszene des ganzen Bundeslandes für die nächsten Jahre zu motivieren, sieht die Zukunft nach den sich abzeichnenden Geburtswehen positiv aus.
Die Stadt Feldkirch – ohne einen Sponsor wie Rauch, der Dornbirn lange über Wasser hielt – wird als alleiniger Standort eher Probleme haben, den Spielbetrieb in einer höchsten Leistungsstufe über Jahre zu stemmen...