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So sieht die Lage am Eishockey-Legionärsmarkt aus

Bernd Freimüller wirft einen Blick auf den Legionärsmarkt im Sommer 2022:

So sieht die Lage am Eishockey-Legionärsmarkt aus Foto: © GEPA

Die Personalplanungen der einzelnen Teams der win2day ICE Hockey League gestalteten sich höchst unterschiedlich: Innsbruck, Pustertal und Fehervar sind schon durch, Salzburg, der KAC, der VSV oder die Vienna Capitals haben nur mehr ganz wenige Jobs zu vergeben.

Am anderen Ende der Skala: Bozen und Linz, wo noch viele Legionärsposten zu besetzen sind, die Aufsteiger aus Feldkirch und Asiago stehen ohnehin auf einem anderen Blatt.

Wer wird am Ende besser dastehen - die Teams, die ihre Hausaufgaben früh gemacht haben oder die, die (oft erzwungen) Geduld an den Tag gelegt haben? LAOLA1-Scout Bernd Freimüller wirft einen Blick auf den Markt im Sommer 2022:

Ist der Markt tief oder nicht?

Er war und ist sicher tiefer als im letzten Sommer, wo nur sehr wenig Qualität zu vernünftigen Preisen zu haben war.

Von März bis in den Mai hinein tat sich heuer wenig, nur wenige Teams kamen in die Gänge. Wie fast in jedem Sommer: Ab Mitte Mai - parallel zur WM - kommt Leben in die Bude, spätestens dann wird das Angebot immer enger.

Derzeit ist die Lage so, dass die wenigen Qualitätsspieler sich weiter keine Sorgen machen müssen, umgekehrt werden selbst wohlbetuchte Teams Abstriche in der Qualität machen müssen.

Wo sind die ganzen KHL-Spieler?

Nach Ausbruch des Kriegs in der Ukraine hieß es: Die KHL ist für Legionäre ab sofort unbespielbar, unzählige Spieler werden frei.

Die Realität: Alleine in den letzten Wochen unterschrieben bzw. verlängerten mehrere Legionäre wie Rudolf Cerveny, Alex Broadhurst, Anthony Camara oder Ryan Spooner ihre Verträge dort. Die Rückkehr in die Heimat traten eher Finnen oder Schweden an, die natürlich auch in der Schweiz ein finanziell sanft gepolstertes Nest finden.

Es werden sicher weniger Legionäre in der KHL spielen, doch dass Russland eine No-Go-Area für diese wird, war eine unhaltbare Voraussage. Klar, mit Riga und Jokerit brachen zwei legionärslastige Märkte weg, aber glaubt jemand, dass Kunlun in Zukunft nur auf Chinesen setzen wird?

Viele Europäer, aber auch Nordamerikaner können auf Jobs eben in der Schweizer NL (von vier auf sechs Legionäre ausgeweitet) oder Schweden hoffen, zuletzt verschlug es mehrere Finnen von der KHL ins Franken-Land. Danach kämen dann die wenigen Top-Teams aus Finnland, Tschechien oder die DEL.

Nur: Wir reden bei KHL-Legionären - und da keineswegs den Topverdienern der Liga - von Gehältern von rund einer halben Million Dollar/Euro. Da musst du selbst bei manchen Teams in der Schweiz oder den DEL-Vielzahlern Mannheim, Berlin oder München gewaltige Abstriche machen. Spieler wie Eric O'Dell, Rob Klinkhammer oder Alex Grant können zuwarten - sich unter dem Vorjahreswert zu verkaufen, wird aus Mangel an Interessenten auch im Spätsommer kein Thema sein.

Heimkehrer aus Tschechien, Finnland oder Schweden werden zwar den einen oder anderen Legionär in ihrem Heimatland verdrängen, aber der große Sickereffekt dadurch ist bis jetzt ausgeblieben und wird auch nicht mehr kommen.

Dass Matt Frattin direkt aus der KHL in Bozen anheuerte, hat weniger mit der Kriegslage, sondern vielmehr mit seinen italienischen Vorfahren und seinem Alter von 34 Jahren zu tun.

Das Loch in der Mitte

Was früher die Offensivverteidiger (wenn möglich rechtsschießend) waren, sind jetzt die Center. Jeder sucht auf dieser Position, doch das Angebot ist überschaubar.

Ich weiß etwa von einem Allsvenskan-Team, das bereits von drei Mittelstürmern Absagen erhalten hat, obwohl der GM dort mit einem hohen fünfstelligen Betrag hantieren kann.

So muss sich etwa Ex-Bratislava-Center Mitch Hults als einer der wenigen spielstarken Center trotz eines überschaubaren Jahres in der Liiga wohl eher keine großen Sorgen um seine Zukunft machen. Ähnliches gilt natürlich für Ex-KHL- oder NL-Cracks wie Cory Kane, Brandon McMillan oder Tyler Graovac, die (mindestens) eine Klasse über Hults anzusiedeln sind.

Teams wie Pustertal, Fehervar oder Wien, die sich innerhalb der Liga (Roy, Findlay, Prokes, Verlängerung Sheppard) umgesehen haben, werden diese Proaktivität eher nicht bereuen. Ich möchte nicht unbedingt in der Haut von Vereinsmanagern stecken, die mit überschaubaren Mitteln noch ein oder zwei Pivots brauche, darunter den immer wieder zitierten "Einser-Center."

Über kurz oder lang werden auch Spieler wie Travis Oleksuk, Mitchell Heard, Luke Adam, Brody Sutter oder Brett Olson da zu einem Thema werden müssen, ohne dass sie als große Lösungen zu vermitteln sind.

Free Agency in Übersee nach hinten gepusht

Die NHL bzw. die Minor Leagues haben in ihrem Terminplan als Corona-Konsequenz Verspätung, die Free Agency beginnt erst am 13. statt naturgemäß am 1. Juli. Da muss man noch eine Woche hinzurechnen, bis sich der Markt endgültig aufklärt und viele Spieler wissen, ob und welche Verträge sie erwarten können. 

Zu diesem Zeitpunkt beginnen schon fast wieder die Camps in Europa. Ein 32. AHL-Teams kommt heuer auch noch hinzu, wobei die AHL-Gehälter für Spitzenkräfte, aber auch für solide Charakter-Veteranen in den letzten Jahren stark gestiegen.

Adam Cracknell im Olympia-Einsatz für Kanada
Foto: © getty

Ein Spieler wie Adam Cracknell etwa wurde jedoch schon sehr früh in Europa angeboten. Er gilt als einer der besten Charakterspieler in Nordamerika, es gibt keinen Coach, der nicht von ihm schwärmt. Seine Produktion ist auch mit 36 Jahren noch stark - kein Wunder, dass ihm viele Teams in Europa den roten Teppich ausgerollt hätten.

DEL-Aufsteiger Frankfurt Lions dürfte hier die Nase vorn haben und kann sich auf einen echten Leadertypen freuen. Von seinem letztjährigen AHL-Gehalt (450.000 Dollar) kann er dort natürlich nur noch träumen.     

Nicht dass er ein ernsthaftes Thema für Europa gewesen wäre: Über-Playmaker T.J. Tynan, zuletzt für die USA im WM-Einsatz, kann sich in den nächsten beiden Saisonen über ein garantiertes AHL-Gehalt von 525.000 bzw. 775.000 Dollar freuen - und das im sonnigen Kalifornien!

AHLer, die es dagegen nach Europa verschlagen könnte: Thomas Schemitsch, Antoine Bibeau oder Kevin Roy.

Auf dem Weg nach Europa und doch nicht…

Es kommt jedes Jahr vor und das gefühlt im gehäuften Maß: In Europa werden Minor Leaguer angeboten, oft AHL-ECHL-Borderliner im Alter um die 25 Jahre herum.

Ich zögere immer, diese genauer zu recherchieren, da es meist vergebene Liebesmüh ist. Das bestätigte mir auch ein DEL-Manager: "Die Agenten machen dir lange Zähne, dann sprichst du mit dem Spieler und der erzählt dir kühl, dass Europa für ihn die letzte Option wäre."

So auch heuer: Ich habe mich mit drei dieser Exemplare genauer befasst, bevor die Meldung kam: "Bleibt doch drüben." Ist ja auch logisch, bei einem Wechsel nach Europa ist der Traum - so verwegen er auch sein mag - von einer NHL-Karriere endgültig weg. Da versuchen es die Cracks dann doch noch einmal, sich zumindest in der AHL zu etablieren.

Wieso werden sie dann in Europa angeboten? Einfach zum Ausloten, sollte ein Team wirklich mit großen Moneten aufwarten, kann man sich das ja immer noch ansehen. Die Gehälter für ECHLer in Europa wären aber in den letzten Jahren angewachsen, zuletzt habe ich von einem ICE-Vertrag über 70.000 Euro gehört.

Insgesamt liegen die Gehälter in Europa wieder im Vor-Corona-Bereich, vor allem die DEL2 zahlt immer mehr und mehr. Wenn man Salzburg und KAC aus der Wertung nimmt, wackelt sogar die Gehaltspyramide DEL>ICE>DEL2 immer mehr.

Meine Listen

Einige Teams lassen sich von Angeboten treiben und untersuchen hektisch jeden angebotenen Spieler, andere wiederum gehen aufgrund ihrer eigenen Wunschlisten vor, die sie einfach abarbeiten.

Ich agiere immer mit zwei Listen: Eine, auf der alle Spieler stehen, die ich in den letzten Jahren gesehen habe und für gut befunden habe. Da kommen auch ein Cracknell oder Tynan vor, natürlich als A-Spieler (für fast jedes Team in Europa interessant).  

Es geht dann über die B-Spieler (Verstärkungen für DEL oder ICE), C- (können gewisse Rollen erfüllen, für den richtigen Preis interessant) bis zu wenigen D-Spielern (etwa für die Trading Deadline, wenn der Markt eingeschränkt ist). Diese knapp 150 Namen ändern sich natürlich dauernd, einige werden schwächer und älter, andere kommen dafür fortlaufend dazu.

Erst im Frühjahr erstelle ich eine Liste, wo ich auch Spieler aufnehme, die angeboten werden und von Interesse sein könnten. Diese dann aufgeteilt (je nach Schuss-Seite rechts oder links) in Center/Flügel, dabei wieder um reine Offensiv- oder Zwei-Weg-Spieler. In der Defensive dann sogar drei Kategorien – Punktproduzenten/Zwei-Weg/reine Defensiv-Defender.

Nicht, dass ich diese Listen als heilige Schrift verkaufe, es gibt natürlich noch mehr interessante Cracks und nicht jeder Spieler darauf wird einschlagen oder wirklich kommen. Aber sie helfen als Übersicht über etwaige Alternativen zu bereits gelegten Angeboten und sind auch ein Indikator dafür, wie sich der Markt entwickelt.

Nach Wochen, wo diese Listen fast jungfräulich aussahen, habe ich zuletzt weit mehr Spieler ausstreichen als dazuschreiben müssen und das wird sich auch bis zum Saisonstart natürlich nicht ändern. Zuzüge en detail werden weiter möglich sein, aber noch en gros einkaufen zu müssen, wird mit jedem Tag mehr zu einem Drahtseilakt...


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