104 Sekunden fehlten dem HC Pustertal am Dienstag im Salzburger Volksgarten, um die Tabellenführung zu verteidigen.
Das Tor von Peter Schneider hievte die Roten Bullen wieder an die Spitze, ein Platz, den sie wohl auch bis zum Ende der Regular Season nicht mehr hergeben werden. Doch Pustertal sollte noch länger im Verfolgerpulk bleiben.
LAOLA1-Experte Bernd Freimüller geht auf den erfolgreichen Saisonstart der Wölfe näher ein:
Acht Spiele, 17 Punkte, mit 28 Toren sind der Spitzenwert der Liga (gemeinsam mit den Pioneers!), weniger als 18 Gegentreffer gab bisher nur der Salzburg her - der HCP startete nicht unerwartet gut in die Saison, einzig die sonntägliche Heimniederlage gegen Ljubljana war nicht plangemäß.
Das am meisten verbesserte Team der Liga
Dass die Wölfe sich gegenüber der letzten Saison im Sommer verstärkt hatten, war zu erwarten. Allerdings: Nach dem völlig verkorksten Vorjahr, wo es nicht einmal für die Pre-Playoffs reichte, konnte es auch fast nur nach oben gehen.

Im Gegensatz zu den Experimenten im Sommer 22 (Ben Newhouse!) war diesmal Routine angesagt, das Leistungsniveau der meisten Neuzugänge konnte so einigermaßen eingeschätzt werden. Es ging von Beginn an heuer rein um den momentanen Erfolg, nach der Vorsaison hätte ein wackeliger Start für weitere Unruhe gesorgt.
Da bleibt auch kein Platz für irgendwelche Mitläufer oder Jugendspieler übrig - die vierte Linie mit Ivan Deluca, Fabian Gschliesser und Manuel Öhler (die letzten beiden die erforderlichen U24-Spieler) sah gegen Salzburg zwischen einer und drei Minuten Eiszeit.
Der Spielstil
Pustertal agierte in Salzburg relativ passiv, mehr als ein Mann Forecheck war nicht zu sehen.
Das funktionierte aber so gut, dass die Roten Bullen kaum mit großem Speed oder gar in Überzahl ins Drittel der Pusterer kamen. Beim Siegestreffer, den Peter Schneider nach einer schnellen Kombination scorte, hatten die Gäste für einmal die Mitte des Eises hergegeben.
In der eigenen Zone greift das Team auf ein Collapse-System zurück, lässt Schüsse von den Seitenbanden und weit draußen zu. Das erklärt auch Schussverhältnisse von 19:41 (Salzburg) und 18:41 etwa in Bozen. Viele dieser Schüsse kommen eben aus ungefährlichen Lagen, kaum aus dem Slot.
Dazu blocken die Defender und vor allem Defensivstürmer Zach Sill viele Shots weg, die Torhüter sind zwar gefordert, aber auch sehr unterstützt. Allerdings sorgt dieses System gerade gegen ein eisläuferisch starkes Team wie Salzburg für lange Verweilzeiten im eigenen Drittel, die oft wie Powerplays aussehen.
Jake Smith bewies am Dienstag wieder einmal sehr gute Reflexe, schaut zwar irrsinnig klein aus, gibt aber auch bei Nachschüssen nicht auf. Er und der etwas unbeweglichere Andreas Bernard sind kein Liga-Spitzenduo, brauchen das aber bei dieser Taktik und entsprechenden Einstellung ihrer Vorderleute auch nicht zu sein. Durchschnittlich-solides Goaltending sollte genügen.
Insgesamt ist die (finnische) Handschrift von Coach Tomek Valtonen zu sehen, die Pusterer bieten kein Verwöhnhockey, sind aber nur schwer zu bespielen.
Die Special Teams
Bei beiden liegt der HCP derzeit im Liga-Spitzenfeld (PP - 2., PK - 3.) und das kommt nicht von ungefähr.
Der erste PP-Block mit Rick Schofield (am Dienstag verletzt), Jason Akeson, David Morley, Alex Petan und Joel Messner an der blauen Linie gehört zur Ligaspitze, Akeson (bis jetzt ein Treffer) und Morley waren hier in ihrer Karriere immer Spezialisten.
Noch viel wichtiger ist das PK, Pustertal überstand auch in Salzburg alle fünf Unterlegenheiten, was im Volksgarten wahrlich kein leichtes Unterfangen ist. Die Wölfe führen die Liga mit 54 kleinen Strafen deutlich an, was auch nicht verwundert.
Leute wie Christian Kasastul, Ryan Stanton und vor allem Arvin Atwal spielen "on or over the edge", was halt einerseits für Einschüchterung beim Gegner, andrerseits auch für Strafen sorgt. Martin Frycklund, der in Schweden auch öfters missmutig auftrat, dagegen kassierte neben einer 5 & Spieldauer bis jetzt nur eine kleine Strafe.
Die Leistungen der Neuen
Der HCP wechselte im Sommer fast sein gesamtes Legionärskontingent aus, lediglich Defender Wyatt Ege durfte bleiben.
Die Neuen brachten fast durchwegs das, was auf dem Reißbrett erwartet werden konnte: Stanton und Kasastul sind Defensiv-Defender mit physischem Auftreten, Messner kann viel Eiszeit nehmen und in allen Situationen spielen. Er ist kein ausgesprochener Offensivbringer, bewegt die Scheibe im Powerplay aber gut oder bringt sie aufs Tor.
Schofield präsentierte sich so wie seit Jahren als verlässlicher Two-Way-Center in der Liga, Sill ist ein Defensiv-Spezialist vor dem Herrn. Sein offensiver Output wird überschaubar bleiben, als Shotblocker und Faceoff-Guy kommt er vor allem im PK auf viel Eiszeit.
Frycklund ist ein Puckträger mit ausgeprägten 1-1-Fähigkeiten, schirmt die Scheibe unter Druck gut ab. Akeson ist eben im PP eine Halfwall-Waffe, die Frage ist, wie sehr er im Laufe der Saison auch bei 5-5 Akzente setzen kann, vor allem in der spielintensiven Phase um Weihnachten. Eine Steigerung sollte bei ihm aber eingepreist sein.

Morley ist mit 11 Punkten (4 Tore/7 Assists) der Team-Topscorer, hat sich aus der norwegischen Liga gut eingewöhnt. Der 33-jährige ist zwar winzig-klein, gehört aber offenbar zu den Spielern, die sich quasi in freie Eisflächen beamen können, so härtere Zweikämpfe vermeiden. Im Powerplay, wo er noch mehr Zeit und Raum hat, kommt er noch besser zur Geltung.
Weder er noch Akeson sind Defensivspezialisten, daher auch im PK kein Thema, was sie bei den vielen Strafen der Pusterer doch ab und an auf der Bank anfrieren lässt. Bei 5-5 muss man bei ihnen in der eigenen Zone lediglich erwarten, dass sie ihre Positionen halten und vielleicht Passwege zustellen, gerade Morley kann hier nicht körperlich dagegenhalten.
Einzig Arvin Atwal dürfte in der Kritik stehen - am Sonntag ein Healthy Scratch, am Dienstag als einziger Legionär in keinem Special Team dabei. Er war immer ein Mann, der für Strafen gut ist, vor allem durch Aktionen bei Spielunterbrechungen. Seine Strafzeiten bisher sollten daher nicht überraschen, auch in Salzburg versuchte er mitunter Kleinkriege anzuzetteln. Er bringt das, was man erwarten kann, Frage ist, ob man das dann auch so will.
Die weitere Saison und der Vergleich mit dem HC Bozen
Pustertal steht derzeit an zweiter Stelle, der HCB außer der Playoff-Ränge - also genau umgekehrt zur Vorsaison. Die Pusterer absolvierten eine lange und ruhige Preseason, während die Bozner ihre Probleme des Sommers (viel zu späte Teamzusammenstellung, zu viele Spiele und zu wenig Trainingseinheiten) nahtlos in die Saison mitbrachten.
Da kommt dann halt auch dazu, dass selbst ein überlegen geführtes Derby für die Bozner in einer 0:2-Niederlage endet und die Tendenzen der beiden Teams dadurch noch verstärkt werden.
Nach acht Spielen kann noch kein großes Fazit gezogen werden, doch die Nachbarschaften der beiden Teams dürften gleichbleiben. Nur längere Ausfallzeiten der doch älteren Legionäre sollten Pustertal aus dem erweiterten Verfolgerfeld (Salzburg wird unangetastet bleiben) kicken, vor allem im PK würde selbst eine zusätzliche Alternative wie der langzeitverletzte Simon Berger (Schulter) für Entlastung sorgen.
Bleiben die Special Teams weiter heiß, dürfte der HCP noch länger auf direktem Playoff-Kurs segeln…
Die Highlights zu den bisherigen Saisonspielen des HC Pustertal: