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99ers: Einmaliger Ausrutscher oder Abwärtstrend?

LAOLA1-Scout Freimüller nimmt die verkorkste Saison der Grazer unter die Lupe.

99ers: Einmaliger Ausrutscher oder Abwärtstrend? Foto: © GEPA

Einmal in der Abwärtsspirale gefangen, gab es kein Entkommen mehr: Die Graz99ers beendeten die ICE-Saison als Letzter. Nach halbwegs starkem Start in die Spielzeit klappte das Konstrukt der Grazer wie ein Kartenhaus zusammen.

Grund genug für Bernd Freimüller, einen prüfenden Blick auf eine reichlich verkorkste Spielzeit zu werfen. Darüber hinaus verrät der LAOLA1-Scout, was die Steirer im Sommer machen müssen, um auf eine schlechte Saison nicht eine zweite folgen zu lassen.

Der Goalie

Ben Bowns erspielte sich seinen Vertrag in Graz mit guten Leistungen in den direkten CHL-Duellen mit Cardiff.

Ben Bowns
Foto: © GEPA

Ein wirklich kleiner Sample Size, mir hat er schon bei der WM in Kosice gar nicht gefallen. Aussage eines Managers aus der britischen EIHL: "Cardiff ist nicht wegen ihm, sondern trotz ihm Meister geworden."

Mit seiner frühen Verpflichtung schlug man sich die Tür bezüglich besserer Alternativen (Vorgänger Nihlstorp?) schon früh zu. Etwas mehr Geduld im heurigen Sommer würde eventuell nicht schaden, allerdings wird die halbe Liga Goalies suchen.

Immerhin konnte sich der bis dahin völlig unbekannte Felix Nussbacher ins Rampenlicht spielen. Die Lobeshymnen waren (wie bei Ali Schmidt) zeitweise überzogen, aber er könnte nächste Saison bei stilistischer Verfeinerung ein veritabler 1B sein. Noch müssen die 99ers aber mit dem VSV eine Regelung bezüglich der Ausbildungsentschädigung finden...

Die Kaderrochaden

Olivier Rodrigue (für den verletzten Bowns gekommen, begann stark, ließ dann nach), Defender Olle Alsing und vor allem der mächtige Dennis Rasmussen hoben die Grazer zu Saisonbeginn auf ein höheres Niveau. Ihre Verpflichtungen hatten aber Lockout-ähnliche Züge, sie konnten jederzeit abberufen werden, was dann auch passierte und das Tor für unzählige Rochaden öffnete.

Schließlich schöpften die 99ers das volle Tauschkontingent aus und je mehr man im Treibsand strampelte, desto mehr versank man darin: Anton Mylläri war noch ein guter Defenderzugang, auch wenn er nicht der dringend benötigte Puck Mover von der blauen Linie war. Hunter Fejes wurde wegen angeblicher Charaktermängel gehen gelassen, danach fiel das Scoren noch schwerer als ohnehin schon. Als dann der erwartet schwache Ersatzstürmer Matias Sointu in Defender Vitali Menshikov umgewandelt wurde, war endgültig kein roter Faden mehr auszumachen. Michi Schiechl und Michael Latta waren die erwarteten harten Arbeiter und Hitter (Latta), aber natürlich keine Difference Maker. Außer Tony Cameranesi (der einzige herausragende Neuzugang) stand zum Schluss kein Offensivgarant mehr im Kader.

Die Problemstellen

Joel Broda hatte in der EBEL mehr gute als schlechte Saisonen, aber nicht nur. Trotzdem: Dass er so schwerfällig daherkommen würde, war nicht zu erwarten. Daniel Oberkofler war fast durchgehend verletzt, die anderen beiden "O"s, Ken Ograjensek und Travis Oleksuk, kamen auch nie so recht auf Touren.

Oliver Setzinger und Doug Mason galten jahrelang als BFFs, heuer war das aber nicht auszumachen. Der 37-Jährige kam reichlich wirr auf allen Positionen zum Einsatz. Kurios dabei: Als Stürmer aufgeboten, rückte er sowohl in Unter- als auch in Überzahl an die blaue Linie – das ergab wenig Sinn. Setzingers Körpersprache war immer diskussionswürdig, wenn es abwärts geht, fällt das natürlich noch mehr auf. Seine Zeit in Graz ging so reichlich unzeremoniell zu Ende.

Mason und die Jugendförderung

Mason, der im letzten August bereits das Pensionsalter erreichte, wurde in Graz jahrelang über den grünen Klee gelobt, bevor er die Hauptschuld für die verkorkste Saison schultern musste.

Doug Mason
Foto: © GEPA

Natürlich beides überzogen, gewisse Personalentscheidungen – etwa die beim wenig aktiv agierenden Johan Porsberger – kamen von Gustafsson.

Nur: Auch in Klagenfurt zeigte sich Mason in gewissen Sachen sehr bockbeinig und das fand in Graz seine Fortsetzung. Provokant mit elf (oder weniger) Stürmern zu spielen, wird ihm halt dann aufs Brot geschmiert. Nussbacher und Defender Jakob Pfeffer bekamen auch von ihm adäquate Eiszeit und Spieler wie Julian Pauschenwein und Amadeus Egger (beide unter Gustafsson nicht mehr dabei) sind halt in ihren Mitteln limitiert.

Clemens Krainz war lange verletzt, dann bei der Junioren-WM, Gustafsson gab zum Schluss Kilian Rappold und Kevin Pesendorfer gute Eiszeit. Diese beiden werden halt die nächstjährigen Krainz und Egger sein, die gefördert werden sollen. Rappold, der körperlich stark ist, muss aber Tag und Nacht an seiner Agilität und Beweglichkeit arbeiten.

Die Nachwuchsarbeit in Graz bzw. bei der Akademie Steiermark wurde in den letzten Jahren besser – wer aber von den Headcoaches erwartet, dass unter ihnen serienweise Jugendspieler zu starken ICE-Kräften werden, hat zu hohe Erwartungen.

Was es über den Sommer braucht

Ein starker Goalie (immer leicht daher gesagt), zumindest ein guter Puckträger von der blauen Linie sowie mehrere Offensivstürmer sollten auf der To-do-Liste ganz oben stehen. Spieler vom Typen Michael Latta, auf den Gustafsson setzt, sollten nicht unbedingt höchste Priorität haben, auch wenn er seine Rolle leidenschaftlich ausfüllt.

Graz war in den letzten Jahren – im Gegensatz zur früher – auf dem Österreicher-Markt sehr aktiv. Nach dem Abgang von Setzinger und angesichts der Tatsache, dass Oberkofler, Mario Altmann und Kevin Moderer ihre Altersangaben mit einer "3" beginnen, muss das auch weiter so sein. Der bessere Österreicher-Stamm – von dem Erik Kirchschläger heuer eine sehr gute Saison spielte – war zwei Jahre lang ein Vorteil gegenüber Villach, Dornbirn und Innsbruck. Das Leistungsvermögen von Schiechl, Dominik Grafenthin und Lukas Kainz ist nach Jahren in der Liga mittlerweile gut abzuschätzen. Einheimische Kräfte, die etwas mehr Offensive versprechen, sind aber mit den Mitteln der 99ers nicht so leicht zu bekommen. Genau deswegen würde ich die Lattas dieser Welt vorläufig etwas hintanstellen.

Der Vorteil eines frühen Saisonendes ist immer die längere Vorlaufzeit auf die nächste Saison, der auch von Graz mitinitiierte Transferstopp ist nicht mehr als eine lose Empfehlung. Nachdem die Trainerfrage früh gelöst wurde (Gustafsson bleibt), kann der Spielermarkt zumindest passiv beäugt werden. Die nächsten Wochen werden auch nicht entscheidend sein, die nächsten Monate aber sehr wohl: Bleibt die letzte Saison ein Ausrutscher (bei den überschaubaren budgetären Mitteln immer möglich) oder nimmt in Graz Aktionismus wieder überhand?

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