Die Goalie-Situation im österreichischen Eishockey ist eine Riesenbaustelle – da braucht man nur an die letzte A-WM zurückdenken. Was wäre aber, wenn alle Legionärs-Goalies aus der ICE Hockey League verbannt und die Österreicher per Draft verteilt werden würden?
Das Ganze ist natürlich nur ein Gedankenspiel: Der ÖEHV und die ICE finden ein Übereinkommen (wer lacht da?) zur Behebung der Torhüter-Misere. Natürlich wird nicht jeder Goalie durch die Spielpraxis über Nacht besser und zu einer ernstzunehmenden Alternative für das Nationalteam, aber gleichzeitig könnte auch niemand darüber klagen, dass die Legionäre die Plätze verstellen.
Eine durchaus interessante Angelegenheit, der sich LAOLA1-Scout Bernd Freimüller annimmt und die österreichischen Goalies in einer Art "Fantasy Draft" an die acht heimischen Teams der ICE Hockey League zuordnet. Wird auf die Jugend oder doch auf die Oldies gesetzt? Und wer sichert sich das beste Torhüter-Duo?
Die Grundlagen dieses (natürlich nur hypothetischen) Drafts:
Alle Verträge sind mit Ende der Saison aufgelöst. Die Teams müssen die Torhüter für die nächsten drei Jahre unter Vertrag nehmen. Das deshalb, damit Routiniers nicht automatisch als logische erste Wahl feststehen.
Nimmst du die Erfahrung von Bernhard Starkbaum oder glaubst du, dass er sein Ablaufdatum bald erreicht? Leidest du in der ersten Saison noch an Kinderkrankheiten deiner jungen Goalies, stehst aber danach umso besser da? Die meisten Teams würden wohl eine Kombination von jünger und älter anstreben.
Der Draft richtet sich nach dem (derzeitigen) Tabellenstand der acht heimischen Teams. Im Gegensatz zur NHL kommt aber das schlechteste Team (Black Wings) nicht automatisch zweimal als Erster dran. Im "Schlangenverfahren" zieht das erste Team der ersten Runde in der zweiten Runde als letztes und umgekehrt. Der beste Einser-Goalie wird somit mit dem übriggebliebenen Backup kombiniert.
Alle ICE-und AlpsHL-Goalies stehen zur Verfügung. Darüber hinaus alle Goalies der Jahrgänge 1996 (da sollte noch ein kleiner Leistungsschub möglich sein) bis 2002 (jüngerer Jahrgang im U20-Nationalteam). Natürlich gibt es einige interessante 2003er (Lorenz Widhalm, Thomas Pfarrmaier), aber irgendwo muss ja eine Grenze sein und sie sind von der ICE wohl noch einige Jahre entfernt.
Nochmals: Das Ganze ist eine rein hypothetische Übung – ich gehöre nicht zu denen, die glauben, Einzelteile (Salary Cap, Draft oder Gehaltsoffenlegung) aus dem nordamerikanischen Gesamtkontext willkürlich herausbrechen zu können.
So könnte die Draft-Reihung unter diesen Voraussetzungen aussehen - 1. Runde:
Die Black Wings wählen...David Kickert (1994, derzeit Black Wings):
Ich habe mir von ihm eine bessere Entwicklung erwartet, er wirkte zuletzt behäbig und konnte sich weder in Villach noch Linz als klarer Einser etablieren. Vom Alter, Größe und mentalen Verhalten für mich trotzdem primus inter pares.
Der VSV wählt...David Madlener (1992, KAC):
Heuer eher statistisch denn wirklich schlecht. Ist derselbe Bär, der er immer war: Groß, ruhig, aber tapsig in der Beinarbeit. Erste Schüsse (auf und neben das Tor) fesseln ihn, langsame Recovery und Seitwärtsbewegung. Aber natürlich in diesem Feld ein Einser-Torhüter, der sich aus dem Nichts bis ins Nationalteam gespielt hat.
Der HC Innsbruck wählt...Sebastian Wraneschitz (2002, Vienna Capitals):
Nach der U20-WM natürlich „Flavor of the month”. Hat davon abgesehen gute Anlagen und Arbeitseinstellung, Größe genügt für ICE. Wesentlich ruhiger geworden, muss aber Six- und Seven-Holes besser schließen.
Die Graz99ers wählen...Ali Schmidt (2001, VSV):
Der Elefant im Raum ist natürlich seine Größe, die ihn immer limitieren wird. Aber ein reflexstarker und mutiger Torhüter mit guter stilistischer Basis. Im U20-Team mit jedem Spiel besser, in der ICE derzeit erst für zwei oder drei Spiele in Serie gut. Diese Barriere muss und kann er noch brechen.
Die Dornbirn Bulldogs wählen...Thomas Höneckl (1989, Dornbirn):
War in jüngeren Jahren nie in bester körperlicher Verfassung, was sich über die Jahre gebessert hat. Aber weiter kein natürlicher Athlet, Bewegungen sind wenig geschmeidig. Spielt immer wieder gute Spiele, aber selten in Folge.
Red Bull Salzburg wählt...Bernhard Starkbaum (1986, Vienna Capitals):
Das mögliche Karriere-Ende ist natürlich näher als der Karriere-Höhepunkt. Kann immer noch mit Routine und Größe punkten, zuletzt mit relativ stabilen Leistungen. Lateralbewegung ist aber fast völlig verschwunden, überkompensiert oft, u.a. mit Pokechecks und Hechtsprüngen. Stand heute noch besser als Leute vor ihm, aber wie sieht das in Zukunft aus?
Die Vienna Capitals wählen...Nicolas Wieser (1997, Red Bull Salzburg):
War immer skeptisch bei ihm, hatte zu viel Movement in seinem Spiel. Letzte Saison aber schon mit großer Steigerung und weit mehr Ruhe. Nach interessanter Pre-Season in Salzburg leider kaltgestellt und fast ohne Spielpraxis.
Der KAC wählt...Max Zimmermann (1999, Vienna Capitals):
Natürlich ein Gamble – weniger wegen seiner Leistungen als wegen seiner Verletzungsanfälligkeit. Wenn fit in der letzten AlpsHL-Saison aber mit sehr starken Spielen. Reflexstark, aber nicht außer Kontrolle. Vertrauen in ihn reichte in Wien nicht einmal zu einem Monat als Backup.
Soweit die erste Runde – es reicht hier nur zu sechs Goalies mit Liga-Erfahrung, Swette, Nussbacher und Herzog habe ich aus guten Gründen weggelassen. Diese Runde war noch von aktuellen und zukünftigen Leistungen geprägt, in der zweiten Runde kommt dann auch Taktik zum Zug.
2. Runde:
Der KAC (Max Zimmermann) wählt...Lukas Herzog (1993, Red Bull Salzburg):
Einer unserer Nationalgoalies so weit hinten? War schon in der Jugend oft verletzt und jetzt wieder mit Hüftoperation. Wenn fit auch mit guten Spielen, aber selten ohne schlechtes Gegentor. Absurdes Spiel bei A-WM in Bratislava, wo er fast sportartfremd agierte, geht mir nicht aus dem Kopf.
Die Vienna Capitals (Nicolas Wieser) wählen...Rene Swette (1988, HC Innsbruck):
Weiß Gott, ich bin kein Fan, der nächste Coach, der ihm gute Trainingseinstellung attestiert, wird auch der Erste sein. Hat bei Weitschüssen inzwischen aufgegeben, den Puck im Verkehr zu suchen, geht in den Butterfly und hofft, dass er getroffen wird. Aber doch schon seit Jahren in der Liga und kann mit Wieser ein Pärchen bilden.
Red Bull Salzburg (Bernhard Starkbaum) wählt...Felix Nussbacher (1999, Graz99ers):
Skandal – die Roten Bullen mit zwei liga-erfahrenen Goalies! Nur: Genauso wie es mit Starkbaum nicht mehr ewig gehen wird, bin ich bei Nussbacher stilistisch skeptisch. Vielleicht der biegsamste und schnellste unter diesen Goalies, flinke Beine, selbstbewusste Körpersprache. In vielen Punkten fast der Widerpart zu Starkbaum. Aber wie lange geht sein Stil gut? Sehr hyper, oft mit zu viel Bewegung und vor dem Puck, verliert bei Rettungsaktionen auch öfters Teile seiner Ausrüstung. Zeitweise bei Gegentoren sogar neben seinem Kasten. Spielt er einen Stil, auf den er bei Problemen zurückfallen kann oder ist zu viel Gambeln dabei?
Die Dornbirn Bulldogs (Thomas Höneckl) wählen...Florian Vorauer (1999, KAC II):
Könnte genauso gut vor Leuten wie Zimmermann, Wieser oder Nussbacher stehen. Aber halt nur mit AlpsHL-Erfahrung und das in einem Team, wo ein schlechter Gegentreffer eher selten über Sieg oder Niederlage entscheidet. Hat Größe und wirkt auch nicht nervös, macht mir aber noch zu oft den ersten Schritt gegen Stürmer, was sich eine Etage höher letal auswirken könnte.
Die Graz99ers (Ali Schmidt) wählen...Lukas Reihs (2000, EHC Lustenau):
Lukas wer? Ein Wiener, den ich aus der Okanagan-Akademie kenne. Einer jener Spieler, wo ich mich lange gefragt habe, ob ich meinen Augen oder den Fakten trauen soll. Beim ÖEHV jahrelang ignoriert, dann nach seinem Abgang aus St. Pölten in Lustenau eine Saison lang ein Bankerlwärmer. Brachte für mich aber immer Größe und eine Kombination aus aggressivem und stilistischem Spiel mit. In seinem dritten Jahr in Lustenau mit 20 Jahren nun ein vollwertiger Liga-Goalie. Bei meinem letzten Viewing kürzte er die Winkel gut ab, gute Slides (ab und zu etwas zu viel) und wenn notwendig schaltete er in Desperation Mode um. Mit Schmidt wäre er ein natürlich junges Duo, aber mit interessantem Upside.
Der HC Innsbruck (Sebastian Wraneschitz) wählt...Jakob Brandner (2001, Titaanit):
Das U20-WM-Duo am Inn? Hört sich nach gutem Upside-Potential an, die aufgeblasenen Gegentor-Stats bei der WM in einem überforderten Team einmal weggelassen. Groß und ruhig, aber nicht unbedingt sehr mobil. Ich kann das Niveau in der finnischen dritten Liga nicht abschätzen.
Der VSV (David Madlener) wählt...Felix Beck (2001, Bregenzerwald):
Nach einer eher schwachen Vorsaison jetzt wieder in der Spur, klarer Einser bei Bregenzerwald. Dornbirn traut ihm aber (noch) nicht die stete Nr. 2 zu. Gute Athletik und Reflexe, aber sein kleiner Körper deckt nicht gerade viel vom Tor ab. Geht das eine Ebene höher gut? Ich schätze ihn höher ein als der ÖEHV, ohne für ihn die Hand ins Feuer zu legen.
Die Black Wings (David Kickert) wählen...Paul Mocher (1999, Kitzbühel):
In Linz bleibt fast alles beim alten, Mocher war letzte Saison die Nr. 2, jetzt nur mehr im Farmteam, bevor er nach Kitzbühel ging. Groß und ruhig, Probleme beim Puck-Tracking kombiniert mit nicht gerade schnellen Beinen halten ihn zurück.
Soweit die 16 Goalies für den Draft, hier noch einige Alternativen:
Jakub Holzer (1998, KAC II): Klubintern seit geraumer Zeit hinter Vorauer gereiht. Für mich immer etwas zu hyper und hektisch, aber das halt bei sporadischen Einsätzen in einem oft überforderten Team.
Stefan Müller (1996, Ajoie): Würde in der Real-Welt wohl früher gedraftet werden als einige der Jungspunde. Habe ihn zuletzt nur ab und zu im TV gesehen, daher kann ich nicht ihn nicht gerecht einschätzen. In den Junioren-Nationalteams aber mangelhaft und spielte sich in Lugano eher aus der National League als auf sie zu.
Max Haselbacher (1999, Hamline University): Seit sechs Jahren in Nordamerika, bis auf Sommercamps nie mehr beim ÖEHV vorstellig. Beginnt in Kürze seine erste College-Saison in der NCAA III.
Marvin Kortin (2000, EHC Chur): Versäumte wegen einer Schulterverletzung die Aufstiegs-U20-WM in Minsk, wäre aber wohl nur Backup hinter Schmidt gewesen. In der U18 eher mittelprächtig. Jetzt in der dritten Schweizer Liga.
Luca Egger & Leon Sommer (2000 bzw. 2002, beide Steel Wings Linz): Egger, ein gebürtiger Villacher, war letzte Saison der U20-Backup, Sommer könnte das nächste Saison sein. Heuer gemeinsam beim AlpsHL-Schlusslicht aus Linz. Wenn überhaupt, sehe ich eher bei Sommer eine ICE-Zukunft.
Wie stehen die Teams nach dem akademischen Draft nun da?
KAC: Max Zimmermann/Lukas Herzog
Vienna Capitals: Nicolas Wieser/Rene Swette
Red Bull Salzburg: Bernhard Starkbaum/Felix Nussbacher
Dornbirn Bulldogs: Thomas Höneckl/Florian Vorauer
Graz99ers: Ali Schmidt/Lukas Reihs
HC Innsbruck: Sebastian Wraneschitz/Jakob Brandner
VSV: David Madlener/Felix Beck
Black Wings: David Kickert/Paul Mocher
In Graz und Innsbruck also jeweils zwei Jungspunde, allerdings auch die besten U20-Nationalgoalies der letzten Jahre. Beim Rest der Liga jeweils ein Goalie mit Liga-Erfahrung mit einem jüngeren Semester kombiniert.
Ein ungewohnter Anblick ohne Legionäre, das würde natürlich anfangs bei vielen Teams für Bauchweh sorgen. Aber letztlich säßen alle im selben Boot und schlechter kann die Goaliesituation in Österreich kaum mehr werden. Vielleicht tut sich ja auch ohne einen imaginären Draft etwas, leichte Ansätze mit Wraneschitz, Schmidt und Nussbacher waren ja heuer immerhin zu sehen…