Nach dem Länderspielbreak und vor einer Finnland-Reise noch einmal drei ICE-Spiele in drei Tagen: Von Problemen in Wien, einem „Flitzer“ bei den Pioneers und liberalen Videobeweisen:
Vienna Capitals – Red Bull Salzburg (3:5) & Pioneers Vorarlberg (1:4)
Gegen die Roten Bullen mit -2 zu verlieren ist kein Problem – sie kamen aus der Länderspielpause in großer offensiver Form, geben lediglich etwas zu leicht Tore her. Allerdings waren sie über 55 der 60 Minuten die dominierende Mannschaft.
Ein Mann, der wenig Offensive beiträgt und keineswegs tolle Stats (2 Tore & 1 Assist in 11 Spielen) aufweist, trotzdem seinen Wert für das Team hat: Center Andrew Rowe. Er positioniert sich gut, schließt defensive Löcher und ist vor allem ein Ass im Faceoff-Circle mit über 54 %. Gefühlt gewann er jedes Anspiel in Wien, vor allem im Duell der „19er“ gegen Aljaz Predan. Eine solche Szene führte auch zum Führungstreffer Sekunden vor Ende des zweiten Drittels.
(Artikel wird unter dem Video fortgesetzt)
Tags darauf, am „Kids' Day“ hätten die Capitals den Kindern nicht härtere Kost verabreichen können, wenn sie das neueste „A Quiet Place“-Sequel über die Videowände gejagt hätten.
Die Abschlussschwäche des Saisonbeginns ist noch lange nicht behoben, dazu kommen aber mehr und mehr „unforced errors“, die auch in zwei Shorthandern in zwei Tagen endeten. Baustellen vorne und hinten, derzeit bleibt für die Caps nur zu hoffen, dass die drei Schlusslichter aus Feldkirch, Innsbruck und Asiago keine Siegesserien starten.
Der neue Caps-Stürmer Joseph Cramarossa? Körperlich gut, sein Eislaufen trotz der langen Pause ebenfalls. Mit sanften Händern oder Sniperqualitäten konnte man bei ihm nicht rechnen, aber etwas mehr Torpräsenz muss er in Zukunft anbieten, derzeit hält er sich fast ausschließlich am Perimeter auf. Im Powerplay bespielt er die rechte Halfwall, Willie Raskob wechselte daher nach links und hat jetzt alle drei Positionen durch, nachdem er auch schon Dominique Heinrich am Point vertrat. Dessen Giveaways nehmen jetzt schon dramatische Formen an.
Bei den Pioneers konnte sich Josh Passolt einen ungewöhnlichen Hattrick gutschreiben lassen – jeweils ein PP-, SH- und Empty-Net-Tor. Es gibt in der Liga kaum bessere Flitzer als ihn, sein Antritt ist gewaltig und mit seinem Buddy David Keefer (ebenfalls mit sehr gutem Speed) bietet er ein starkes Duo, das aber sein Defensivspiel noch verbessern muss.
Linz – Asiago (7:5)
Ein wildes Spiel, wie so oft wenn Asiago beteiligt ist. Linz verspielte im letzten Drittel eine 5:1-Führung, eine Energieleistung von Brian Lebler brachte dann doch noch den Sieg.
Asiago hat von den drei Tabellennachzüglern sicher die meiste Offensive anzubieten, vor allem durch das Duo Matt Gennaro und Nick Saracino, der einer der Top-Netfront-Player der ICE ist. Defensiv stimmt aber fast gar nichts, weder durch die Stürmer noch die Verteidiger, von denen kein einziger mehr als Ligadurchschnitt anbietet. Und Goalie Evan Cowley hatte auch einen reichlich schwachen Tag erwischt.
Auf Seiten der Linzer ist ein Aufwärtstrend zu verspüren, vor allem das Toreschießen fällt im Gegensatz zum Saisonbeginn leichter. Luka Maver war eine ganz starke Nachverpflichtung, Shawn St-Amant kaum auch wieder in die Gänge. Viel Luft nach oben noch bei Graham Knott, der gegenüber seinen dominierenden Auftritten der letzten beiden Saison nicht wiederzuerkennen ist. Auch Goalie Ramus Tirronen muss sich steigern, wenn die Linzer eine Chance auf die Top-6 haben wollen.
Videobeweise ohne Regeln
Nach dem Caps-Spiel gegen die Pioneers habe ich mir im Stream noch die Partie der Graz 99ers in Bruneck angesehen und einen weiteren Beweis dafür erhalten, dass Videobeweise bei Strafen mittlerweile völlig ohne Regeln auskommen.
Ende ersten Drittels, der HCP im Angriff, Cedric Lacroix geht hinter dem Grazer Tor zu Boden und bleibt liegen, Check war keiner im Spiel. Die Refs pfeifen nach einiger Zeit ab, Strafe war nie eine angezeigt.
Die Heads Ladislav Smetana und Trpimir Piragic besprechen sich gemeinsam mit Linesman Simon Riecken, der vierte Mann Ulli Pardatscher hält sich raus, bewacht auch in weiterer Folge nur den Anspielkreis.
Das Pow-Wow endet ohne Ergebnis, was Piragic auch (achselzuckend) den Wölfen mitteilt. Er drängt auch darauf, das Spiel schnell mit Faceoff fortzusetzen. Allerdings. Lacroix wird vom Eis geführt, hat noch einige heftige Worte für die Refs, das Publikum pfeift.
Wie geht’s weiter? Nicht etwa mit dem Faceoff und einem „Missed Call“, nein: Die gleichen drei Refs knicken ein, stellen sich abermals zusammen und kommen auf einmal zu einer Erkenntnis, die ihnen eine Minute zuvor noch verwehrt geblieben war: Riecken holt Korbinian Holzer von der Spielbank und schickt ihn in die Box, Piragic sagt eine große Strafe (wie immer ohne Begründung) und einen Videobeweis an. Mittlerweile weiß jeder Zuseher, dass das alles nur auf Verdacht basiert, keiner der Refs auch nur eine Ahnung hatte, was wirklich vorgefallen war.
Anpassung wohl dringend nötig
Holzer nimmt es auf bayrische Art gelassen, obwohl er mit Lacroix gar nichts zu tun hatte. Nach mittellangem Videostudium erfährt er dann auch eine Amnestie, Piragic schickt stattdessen Paul Huber, dessen Stock wirklich (wenn auch unabsichtlich) in Lacroix´ Gesicht gelandet war, für vier Minuten auf die Strafbank.
Eine Regelbeugung nach der anderen, spätestens seit der Abschaffung des Minimums von zwei Minuten bei Videobeweisen verwenden die Refs diese wie sie wollen.
Die ICE, aber auch die IIHF, wo es nicht anders aussieht, wäre gut beraten, das Regelwerk an die gelebte Realität anzupassen. Etwa mit den Worten: „Die Referees können den Videobeweis nach Belieben einsetzen, entweder zur Überprüfung von ausgesprochenen Strafen oder zur Verhängung von Strafen bei übersehenen Attacken und danach jede Art von Strafen aussprechen.“
Umgekehrt boten Christian Ofner und Christoph Sternat bei den gleichen drei Partien, die ich auch gesehen habe, souveräne Leistungen, sind derzeit wohl mit Abstand das Top-Duo der Liga...