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JP Lamoureux: Der Abgang eines kleinen Großen

Mit dem Playoff-Aus des VSV ging eine große Karriere zu Ende. LAOLA1-Scout Bernd Freimüller blickt zurück.

JP Lamoureux: Der Abgang eines kleinen Großen Foto: © GEPA

In der Saison 2001/02 gab ein gewisser Jean-Philippe Lamoureux sein Debüt im professionellen Eishockey. Damals, also einige seiner (Noch-)Teamkollegen beim VSV noch gar nicht geboren waren, verdiente er sich in der USHL für die Lincoln Stars seine ersten Sporen. 

Seine große Karriere ging am Freitag in Villach zu Ende. Im Alter von 40 Jahren und unglaublichen 14 Saisonen am Stück zieht sich Lamoureux aufs Altenteil zurück.

LAOLA1-Scout Bernd Freimüller wirft einen Blick auf eine große EBEL-/ICE-Karriere:

Sein Werdegang

Vier Saisonen im US-College (North Dakota), danach zwei Saisonen AHL/ECHL - ein typischer Werdegang für Spieler, die dann in Europa landen. Eine große Übersee-Karriere war realistisch nicht vorgezeichnet, mit etwa 1,78 Metern und einer auch nicht gerade breiten Figur stand er auch nie am Radar von NHL-Teams.

Nach einer Saison bei Olimpija Ljubljana unterschrieb er in Villach, wo Bernhard Starkbaum gerade Richtung Schweden abgewandert war. Nach vier Saisons beim VSV folgten drei in Wien, drei in Salzburg und danach wieder drei in Villach.

Seine Statistiken

Sind auf Elite Prospects schön nachzulesen und bilden auch eine seiner größten Stärken ab: Bis auf einen Kreuzbandanriss in einem CHL-Spiel 2021 war er fast immer fit, selbst mit 40 Jahren stand hinter seiner Spielbereitschaft und -Fähigkeit kein Fragzeichen. Ab und zu musste er nach einer Sperre pausieren, mit Gegnern, aber auch Refs lag er mitunter übers Kreuz.

Von 21/22 abgesehen, spielte der US-Amerikaner zwischen 34 und 50 Spiele pro Saison, auch heuer reichte es noch für 30 Grunddurchgangsspiele.

Bemerkenswert auch sein Save Percentage: Heuer mit .910 immer noch respektabel, sonst zwischen .914 und .946, in den (kürzeren) Playoffs waren aber auch Werte wie .899 zu finden.

Seine Erfolge

Zwei Meistertitel mit den Vienna Capitals (2017) und Salzburg (2022), allerdings mit kleinen Sternchen: In Wien musste er im Laufe der Finalserie David Kickert weichen, in Salzburg legte ihn Corona nach den Viertelfinali flach, sodass Atte Tolvanen ihn ablöste.

Persönliche Trophäen

Goalie of the Year sowohl in der USHL als auch in ECHL, EBEL-MVP 2019/20. Dazu kamen noch einige statistische Höchstwerte in der EBEL.

Das sind alles Auszeichnungen und Zahlen, die leicht einsehbar sind, Lamoureux' Impakt in der EBEL/ICE geht aber darüber hinaus. Niemand kennt ihn besser als Markus Kerschbaumer, der als Goalie-Coach sowohl in Villach als auch in Salzburg mit ihm zusammenarbeitete.

"JP ist ein Eishockey-Besessener, der in seinem Beruf aufgeht. Egal, was passiert ist, er hat täglich seine Routine abgewickelt. Erst ein 30 Minuten Warmup, dann zum Training aufs Eis, danach nach Hause zum Essen und nachmittags nochmals eine Runde im Gym."

Diese professionelle Einstellung war auch der Grund, warum Lamoureux noch bis ins hohe Alter spielen konnte und so manche Goalie-Sternschnuppe überlebte. Was ist an seinem Ruf als Einzelgänger dran?

Kerschbaumer: "Grundsätzlich wollte er immer spielen, aber ich kenne auch keinen anderen Goalie, der von sich aus auf Einsätze verzichtet. War er einmal der Backup, was eh selten vorkam, hat er aber keinen Stunk gemacht, hat einfach normal weitergearbeitet. Allerdings: Wenn drei Goalies beim Training waren, hat er seinen Kasten trotzdem nie verlassen wollen, die anderen beiden haben dann rotiert."

Wie würde er ihn als Person beschreiben? "Eher schüchtern und sensibel, völlig auf seinen Job fokussiert. Das hat ihm so mancher als Eigenbrötlerei ausgelegt, ich habe ihn aber nie so erlebt. Richtig aufgelebt ist er in Gesprächen über die Position und Rolle des Torhüters, die haben mitunter bis zu zwei Stunden gedauert. Als Entertainer oder verbaler Anführer geht er sicher nicht durch, aber ab und zu hat er durchaus hintergründigen Humor bewiesen."

Seine Stärken und Schwächen

Der Lamoureux, den ich in Erinnerung haben werde, ist nochmals in seinem vorletzten Spiel für Villach aufgetaucht: Ein Schuss eines freien Bozners in der Mitte des Slots, Lamoureux verschiebt von links in die Mitte des Tores, der Schuss landet in seiner Brust und er hält die Scheibe fast. Auch bei anderen Goalies wäre das ein Save geworden, aber mit weit mehr Scrambling und mit einem Rebound, bei ihm sah es völlig natürlich aus.

Foto: © GEPA

Kerschbaumer sieht in solchen Aktionen auch die größte Stärke von Lamoureux: "Sein Pucktracking war überragend, dadurch haben einige Saves auch leicht ausgesehen. Durch seine geringe Körpergröße war das auch im Gegensatz zu großen Shotblockern notwendig. Für mich war er die Parallele zu Juuso Saros in der NHL. Der ist dort auch als kleiner Goalie ein Ausreißer, aber es gibt Statistiken, die nachweisen, dass er am häufigsten am Körper getroffen wird. Das ist natürlich bei beiden kein Zufall, sie müssen beim Net Coverage eben spezielle Fähigkeiten haben."

Natürlich gab er Tore aus spitzen Winkeln über seine Schulter her, aber wirklich mehr als größere Goalies? Ich würde nicht darauf wetten, solche eklatanten Schwächen wären - wie bei vielen kleineren Torhütern - eher gegen die NHL-Scharfschützen zum Thema geworden.

Die mangelnde Größe dürfte auch der Grund dafür gewesen sein, dass Lamoureux im Gegensatz zu weit schwächeren Legionären in der heimischen Liga feststeckte. Natürlich wurde auch er gescoutet, sein Name tauchte etwa im Zusammenhang mit Augsburg oder Leksand auf. Aber gerade in Schweden gibt es ein reiches Angebot an Torhütern mit ähnlichen athletischen Fähigkeiten, dazu aber der seit Jahren gebräuchlichen Größe.

Ein Jahr zu viel?

Diese Phrase taucht bei älteren Spielern immer wieder auf, gerade in der ICE überschreiten manche Spieler ihr sportliches Ablaufdatum. Lamoureux war heuer mit einer seiner seltenen Verletzungen knapp ein Monat out, wechselte sich danach mit dem nachverpflichteten Joe Cannata ab.

Sein Spiel fiel keineswegs krass über die Klippe, aber in manchen Spielen - so etwa im letzten seiner Karriere - war schon sichtbar: Die Winkel stimmten nicht mehr so wie früher, die Recovery war etwas langsamer und es war weit mehr Desperation in seinem Spiel als in seinen besten Zeiten. Chaos ersetzte ab und zu Stil, doch seine Saison wies noch genügend gute Spiele auf, sodass sein Abschied zwar fällig, aber nicht überfällig erschien.

In einer Liga, wo sich Legionäre quasi die Türklinke in die Hand geben, war Lamoureux mehr als ein Jahrzehnt eine absolute Konstante, der sein Geld immer wert war.

 

Im Gegensatz zu anderen Cracks war er nie ein großer Selbstvermarkter oder Medien-Liebling, Leistung ersetzte Außendarstellung. Ein kleiner Goalie mit einer großen Karriere...


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