Ryan Murphy ist aus dem Kader des EC Red Bull Salzburg nicht mehr wegzudenken und einer der größten Gamebreaker der win2day ICE Hockey League.
Dem Kanadier wurde einst der Weg in die NHL geebnet, über die AHL und die russische KHL führte sein Weg in die Mozartstadt. Seit der Saison 2023/24 ist der 31-Jährige dort heimisch und hatte nicht zuletzt aufgrund seiner zahlreichen Assists Anteile am Titel.
LAOLA1-Experte Bernd Freimüller analysiert in seinem Scouting Report den langen Weg des "Eisbullen"-Stars, seine Stärken und Schwächen, was den Defender auszeichnet und wie seine Zahlen seit seinem Einstieg in die ICE aussehen.
Karriereweg
2011 aus der OHL (Kitchener Rangers) an 11. Stelle von den Carolina Hurricanes gezogen – das zeugt davon, dass Murphy einst ein hochangesehener Prospect war, auch wenn dieser Draftjahrgang im Nachhinein viel zu wünschen übrig ließ.
Murphy galt damals schon als "High Risk, High Reward"-Pick – sollte er es schaffen, konnte man viel von ihm erwarten, aber die Chancen sind halt geringer als bei "Safe Picks".
Der Offensiv-Defender konnte auch nie seinen relativ kleinen Körper (1, 80 m) mit entsprechender Muskelmasse versorgen, obwohl ihm Carolina alle Chancen gab, sich in der NHL festzusetzen. Dazu gehörten etwa beschützte Minuten mit überwiegenden Shiftstarts in der Offensivzone, um seine Puckfähigkeiten auszunutzen und defensive Schwächen zu übertünchen.
Es nutzte alles nichts, nach fünf Saisonen in Carolina war für ihn Schluss, nach einem eintägigen (!) Gastspiel in Calgary hieß sein nächster Arbeitgeber Minnesota Wild, wo er in zwei Jahren mehr in der AHL als in der NHL spielte. Danach folgte noch ein kurzes Gastspiel in New Jersey, ehe seine Nordamerika-Karriere vorerst beendet war.
Logisch dann der Move in die KHL, wo Offensivdefender (vor allem rechtsschießende) immer gesucht und gut bezahlt werden. Nach Stationen in Nizhnekamsk und Minsk folgte während Corona die Rückkehr in die AHL, seine Nordamerika-Karriere sollte dann im Sommer 2022 nach 176 NHL- und 293 AHL-Spielen zu Ende geben.
Nach einem weiteren KHL-Jahr in Ufa heuerte der heute 31-Jährige im Sommer 2023 in Salzburg an, gehört seitdem zu den größten Attraktionen der ICE.
Seine Rolle in Salzburg
Schon bald sollte Murphy Genoway als Nr. 1-Offensivdefender ablösen. Vor allem heuer, wo Genoways körperlicher Zustand öfters nach Pausen verlangt, ist er die klare PP-Waffe Nummer 1, bildet mit Dennis Robertson das klare Einserpärchen. Beide kommen im Schnitt auf etwa 23 Minuten Eiszeit pro Spiel.
Im Powerplay spielen beide im ersten Unit, im PK ist Murphy nicht erste Wahl und kommt auch mitunter gar nicht oder nur wenig zum Einsatz. Gilt es aber, Offensive zu kreieren, steht er fast ununterbrochen auf der Platte, vor allem im PP, wo er auch wie in Graz am Dienstagabend ein langes 5-3 alleine runterspielte.
Bei einem 5-3 bzw. 4-3 ändert sich auch seine Rolle, er übernimmt den Point. Bei 5-4 spielt dort Robertson, Murphy verwaltet die rechte Seite von der blauen bis hinunter zur Torlinie.
Geht es darum, Vorsprünge zu verwalten, könnten Robertson und der Mann fürs Grobe, Tyler Lewington, vor ihm gesetzt sein, aber Murphys Spielintelligenz und eisläuferisches Können sind eigentlich immer gefragt.
Power Ranking: Es gibt einen großen Verlierer
Stärken und Schwächen
Murphys Beine sind NHL-Material, ohne Frage. Er kann sich mit und ohne Scheibe schnell von den Gegnern absetzen, auf kleinstem Raum in der Offensivzone um Gegner herumgehen, sie ab und zu fast lächerlich machen.
Er ist ein fulminanter "Four-Way-Skater", kann sich nach allen Richtungen bewegen, dabei sogar um die eigene Achse drehen und dabei den Puck immer abschirmen. Immens schnelle und unerwartete Richtungsänderungen gehören zu seinem Repertoire, kein anderer Defender in der Liga kommt hier an ihn heran.
Sowohl mit seinen Dekes – die wären eines Spitzenstürmers würdig -, seinen Spinoramas und Pässen nimmt er öfters mehrere Gegner aus dem Spiel. Dazu kommen sein Spiel mit der Scheibe, die ihn auch nicht langsamer macht.
Er kann den Puck über das ganze Eis tragen, die Offensivzone erobern, dort selbst zum Tor ziehen oder seine Mitspieler in Szene setzen. Er ist meist der designierte Puckträger ("leads the rush"), ab und zu verweilt er nach Puckverlusten in der Stürmerrolle und wartet auf die zweite Welle.
Wenn er die Scheibe in der eigenen Zone hat, kann er sie eben hinausführen, aber auch einen Regroup vornehmen. Unter Druck ist er sich aber auch nicht zu schade, sie über das Glas hinauszubefördern. Im Zweifelsfall wird er sich aber für die offensivere Variante entscheiden.
Schärfe und Genauigkeit: Das zeichnet Murphy aus
Im PP agiert er eben auf der rechten Seite, kann von dort durch oder in den Slot passen. Als Rechtschütze kann er dort natürlich im Gegensatz zum spiegelverkehrt agierenden Peter Schneider nicht per One-Timer treffen, aber die gehören ohnehin nicht zu seinem Repertoire.
Oft macht Murphy auch 5-5-Situationen zu Powerplays, vor allem gegen müde Gegner, wo er mit seinen Tänzchen die Scheibe lange halten und durch die Offensivzone führen kann. Bei 4-3 oder 5-3 kann er als Pointman beide Halfwalls bedienen.
Wenn er nicht ohnehin selbst nach Soli trifft – er agiert eher als vierter Stürmer denn als Defender -, erschnuppert er auch die Situationen, wenn er im Offensivdrittel nach vorn driften kann. Vor allem im Rücken der Gegner aktiviert er sich gerne, kommt so zu Abschlüssen mit schnellen Wrist Shots.
Er verfügt selbst über keinen absoluten Hammer, von seinen Treffern heuer entsprang nur einer einem Slapshot und das war ein OT-PP-Tor in Feldkirch. Sein Schuss ist aber genau, meist flach und daher leicht abfälschbar ("tippable"). Sein Skating ermöglicht es ihm auch, Shotblocker auszutanzen und freie Schussbahnen zu finden.
Murphys Pässe verfügen über Schärfe und Genauigkeit, sein offensiver Hockeysense ist für ICE-Verhältnisse herausragend und wenn er auf dem Eis steht, neigt sich die Eisfläche oft in die gegnerische Richtung.
Natürlich nimmt Murphy viel Risiko, verbrennt sich damit auch ab und zu die Finger, seine Offensivbeiträge überwiegen die Fehler aber bei weitem. Murphy ist natürlich auch keine körperliche Macht im Zweikampf, aber trotzdem effektiv.
Eben durch seine Beinarbeit kann er Gegner bei Rushes dadurch in ungefährliche Bereiche (etwa in die Ecken oder hinter das Tor) umleiten, wo frontal agierende Defender manchmal umfahren werden.
Dazu kommt zu seiner Raumverteidigung noch ein sehr aktiver Stock, den er schlangengleich unvermutet züngeln lassen kann, damit den Gegner von der Scheibe trennt und die Transition einleitet. Er liebt es auch, hinter dem eigenen Tor zuzuwarten und dann über die offene Seite Tempo aufzunehmen.
Die ICE-Zahlen
Murphy ist punktemäßig die Nr. 2 unter den ICE-Defendern, seine 32 Punkte in ebenso vielen Spielen sind allerdings weniger als die 38 Punkte (7 & 31) von Asiagos Randy Gazzola in 30 Spielen.
Ein Beweis dafür, wie trügerisch solche Zahlen sein können, der Leistungsunterschied der beiden Cracks ist nämlich himmelschreiend. Nur als Erinnerung, wenn bei der nächsten TV-Übertragung der punktebeste Crack automatisch zum besten Spieler der Liga ausgerufen wird.
Interessant die "Advanced Analytics"-Zahlen von Murphy im Vergleich zu den anderen Top-4-Defendern in Salzburg (Genoway, Robertson und Nash Nienhuis). Solche Zahlen sind nicht das Ein und Alles, können den Augentest aber untermauern bzw. zum Nachdenken anregen.
Erwartet: Murphy führt klar bei ersten Pässen zu Torschüssen, Pässen in der Offensivzone (40 pro 60 Minuten!), Schüssen und erfolgreichen Pässen in den Slot (fast dreimal soviel wie bei Robertson).
Seine Beiträge zur Transition: Führend beim kontrollierten Überschreiten der gegnerischen blauen Linie, Zweiter (hinter Robertson) bei Exits aus der eigenen Zone.
Alles ungefähr wie erwartet, er und Robertson dominieren, wenn sie auf dem Eis sind, kommen auch beide auf knapp 23 Minuten pro Spiel. Was überraschend kommt: Murphy blockt im Durchschnitt fast fünf Schüsse pro Spiel, das Doppelte der anderen drei Defender und auch von Defensivdefender Lewington.
Das hätte ich nicht als eine Stärke gesehen, aber wenn du mit Fußarbeit nah am Mann bleiben kannst, verfangen sich halt viele Abschlüsse in deinen Beinen.
Egal, ob mit dem Augen- oder Zahlentest – Ryan Murphy ist eine riesige ICE-Attraktion, der auch in besseren Ligen reüssieren könnte, so sein Coach ihm nicht zu sehr in seinen Aktionen beschneiden will. Wo andere mit Kraft und Wucht daherkommen, agiert der Kanadier so leichtfüßig und scheinbar ohne Anstrengung wie einstmals Fred Astaire...