Die neue Saison der win2day ICE Hockey League steht vor der Tür.
Bevor es am Freitag losgeht (Alle Spiele im LIVE-Ticker), nimmt LAOLA1-Experte Bernd Freimüller die ICE-Teams genau unter die Lupe.
Dieses Mal sind die Graz99ers an der Reihe und die Frage: Finden sich wirklich drei schwächere Teams in der Liga?
Graz99ers gegen Vienna Capitals am Freitag, 19:15 Uhr, im LIVE-Ticker >>>
Sommeraktivitäten
Coach Johan Pennerborn geht ins zweite Jahr seines Zwei-Jahres-Vertrags, sein erstes endete nach einer reichlich schwachen Saison mit einem knappen Einzug in die Pre-Playoffs. Er wurde vom De-Facto- zum De-Jure-Sportdirektor, zeichnete damit endgültig für die Mannschaftszusammenstellung verantwortlich.
Auf dem Spielersektor änderte sich auf den Legionärspositionen einiges, was in Graz nicht unüblich ist. Der Abgang des einzigen verlässlichen Scorers, Viktor Granholm, schmerzte hier am meisten. Der von einem unbefriedigendem Jahr in Villach zurückgekehrte Dominik Grafenthin und der aus Zell gekommene Patrick Kittinger (letzte Saison schon für fünf Spiele ausgeliehen) waren die einzigen österreichischen Zugänge.
Ausrufezeichen des Kaders
Ich kenne Lars Volden noch aus seiner Juniorenzeit, als er von den Boston Bruins gedraftet wurde. Zu einem NHL-Vertrag reichte es aber nie, in Europa wechselte der Norweger zwischen der Liiga, den tschechischen und slowakischen Extraligen, der SHL und vor allem der Allsvenskan hin und her. Volden war meist ein ruhiger und solider Goalie, allerdings mit eher wenigen Key Saves und herausragenden Leistungen. Sein Vorgänger, Christian Engstrand, rettete den 99ers die meisten der wenigen Punkte in der Vorsaison – ob das auch Volden kann? Die Goalie-Position sollte aber nicht die größte Problemstelle der 99ers werden.
Daniel Viksten war über Jahre hinweg ein verlässlicher SHL-Torjäger, vor allem im Powerplay. Anthony Salinitri war einer von mehreren Scorern, die Asiago in der letzten Saison vor allem in der zweiten Hälfte zu einem der besten Offensivteams machten. Mit den beiden und Tyler Matson in der Mitte sollten die 99ers wenigstens eine schnittige Scorerlinie aufbieten können.
Während die Personaldecke im Angriff äußerst dünn erscheint, stimmt in der Defensive wenigstens die Quantität einigermaßen. Neben den Legionären Gustav Bouramman, Ludvig Jardeskog und Craig Schira füllen mit Erik Kirchschläger, Michael Kernberger und Jacob Pfeffer drei brauchbare Österreicher die Top-6-auf. Paul Reiner ist dahinter eines der interessanteren einheimischen Talente, der in der Vorsaison im Alter von 16 Jahren zum Einsatz kam. Reiner weist mehr Offensive als der sonstige Nachwuchs auf, diese kam in der ICE natürlich noch nicht zum Vorschein und körperlich muss er gewaltig zulegen.
Fragezeichen des Kaders
Der einzige Defender mit Puck- und PP-Fähigkeiten ist Bouramman und der machte diese in der Vorsaison lange zur Verschlusssache. Jardeskog wird wohl der Nachfolger für Aleski Salonen werden, was die Frage aufwirft, wozu dieser biedere Spielertyp überhaupt nochmals gecastet wurde. Schiras Offensive (nie sehr groß) verschwand im Alter – ich sehe weit und breit keinen zweiten PP-Mann und die ganze Besetzung ist von den Puckskills in der ICE sehr weit unten anzusiedeln.
Ich hätte es bis weit ins Frühjahr nicht für möglich gehalten, aber der finale Kader wirft die Frage auf: Unterbietet Graz die Platzpatronen-Offensive der Vorsaison (106 Tore in 48 Spielen) nochmals? Schon in der Vorbereitung fiel das Toreschießen schwer und das kam natürlich auch nicht unvermutet. Vor allem die Centerachse scheint mir offensiv höchst suspekt. Matson ist ein vorbildlicher Charakterspieler mit immer noch guten Beinen, aber beschränkten Händen. Neuzugang Axel Wemmenborn war in der Allsvenskan ein 08/15-Center, Michi Schiechls Stärken und Schwächen sind im Alter von 34 Jahren wohlbekannt.
Der 99ers-Kader weist zwar am Papier 14 Stürmer auf, davon mit Maxi Schwarz, Markus Hanl, Leo Woborsky und Jakob Engelhart vier Juniorenspieler. Danach kommen dann Kittinger und Clemens Krainz – erwartet von diesen sechs Cracks wirklich jemand konstante Offensivbeiträge? Da bleiben dann schon nur mehr acht Mann über und das beim bekannten Verletzungsteufel, der im Bunker immer ein Abo hat. Sich daran zu klammern, dass Ken Ograjensek nochmals eine Steigerung hinlegt oder Sam Antonitsch wieder eine Kartoffel im Sack hat wie in der Schlussphase der letzten Saison, scheint mir verwegen.
Hier könnte nachgerüstet werden
Die 99ers haben neun Legionärsplätze vergeben, der zehnte wird wohl über kurz oder lang durch einen Angreifer besetzt werden. So in der Art von Vorjahreszugang Andrew Yogan – erst kein Thema, dann als offensiver Hoffnungsträger geholt, um danach wieder ausgesondert zu werden.
Ausblick
Es fällt mir schwer, angesichts dieses Kaders an eine Steigerung zum Vorjahr zu denken. Pennerborn musste in Ermangelung jeglicher sportlicher Expertise in der Organisation das Team selbst zusammenstellen – etwas, das in seiner Heimat Schweden ebenso undenkbar wäre wie den Coach mit Marketingaufgaben oder dem Kantinenbetrieb zu betreuen.
Er setzte bei den Zugängen auf starke Charaktere, Schira und Matson (beide gleich mit Kapitänsaufgaben betraut) wären auch solche, haben aber schon sehr (zu?) viele Meilen auf dem Tacho. Finden sich wirklich drei schwächere Teams in der Liga?