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Capitals: Was am Transfermarkt alles schief gelaufen ist

Stolz können die Wiener auf ihre Ausbeute am Transfermarkt nicht sein. LAOLA1-Experte Bernd Freimüller mit dem Versuch einer Aufarbeitung.

Capitals: Was am Transfermarkt alles schief gelaufen ist Foto: © GEPA

Es ist keine leichte Aufgabe, einen Überblick über die heurigen Transferaktivitäten der Vienna Capitals zu behalten.

LAOLA1-Experte Bernd Freimüller mit dem Versuch einer Aufarbeitung, die zu einer Truppe geführt hat, die in der Tabelle derzeit nur die Graz99ers hinter sich weiß:

Der Sommer

Hampus Eriksson war der erste verlautbarte Legionär - Neo-Coach Marc Habscheid kannte ihn natürlich aus seiner Tätigkeit in Feldkirch, Erikssons schwerfällige Beinarbeit schreckte ihn und die Capitals-Führungscrew nicht.

Es folgten Leon Wallner, Zintis Zusevics und Heimkehrer Sebastian Wraneschitz - alles Österreicher, die den Kader verbreiterten, Wallner hatte auch andere Angebote aus der Liga.

Nach dem ECHL-Tschechen (eine seltene Kombination) Michal Stinil folgte dann Stefan Warg als nächste Legionärsverlautbarung (die Reihenfolge entspricht natürlich nicht immer den Unterschriften). Auf ihn hielt man dem Vernehmen nach große Stücke, auch wenn er in den letzten Jahren weiß Gott nicht überzeugte und von Verletzungen geplagt war.

Nach langen Verhandlungen folgte dann Dominique Heinrich fast schon logisch nach seiner Ausbootung in Salzburg. Evan Weinger, Trevor Cheek und Oskar Drugge waren drei in der Liga neue Legionäre, Rok Ticar danach ein ligaerprobter Mann.

Zum Trainingsauftakt also acht Ausländer, wobei nur Goalie Stefan Steen aus der Vorsaison bestätigt wurde, rätselhafterweise kein einziger Kanadier, aber vier Schweden, als ob man das Grazer Erfolgsrezept kopieren wollte.   

Nach den ersten Testspielen, in denen er mit der Tarnkappe agierte, war Stlinil schon wieder Geschichte. Er reihte sich damit in die lange Riege von Caps-Neuzugängen ein, die schon vor Saisonbeginn wieder verabschiedet wurden. Ersatz für ihn gab es vorläufig keinen.

Meine Behauptung, dass es sich hier um den billigsten Caps-Kader seit langem handeln müsse (Steen, Drugge und Eriksson gehörten schon aufgrund ihrer letzten Stationen zur untersten Preisklasse, von Sheppard-Äquivalenten war ohnehin keine Rede), wurde aber nicht bestätigt.

September bis zum Länderspielbreak im November

Dem Auftaktsieg in Graz folgte wenig Gutes, vor allem die Heimspiele waren dürftig, der erste Heim-Dreipunkter gelang erst am 22. November (!).

Mit Carsen Twarynski kam Anfang Oktober endlich ein Stinil-Ersatz, sogar mit etwas NHL-Erfahrung, wenn auch als reiner Rollenspieler.

Kurz darauf trennte man sich von Defender Oskar Drugge, der im zweiten PP-Unit überhaupt keine Akzente setzen konnte, dazu körperlich wie ein Jugendspieler agierte. Wie im Vorjahr der HC Pustertal mit Morten Jensen mussten auch die Capitals mit Drugge feststellen, dass gute Scorerzahlen in Dänemark für die ICE nichts bedeuten müssen.

Ersatz wurde wiederum keiner verpflichtet, nach einer Reihe von Verletzungen (darunter Heinrich und Warg) unterschied sich die Defensive kaum von der von Kooperationspartner Zell/See.

Mit 23. Oktober war dann Habscheid nach acht Niederlagen in Folge und neun Punkten aus zwölf Spielen Geschichte, Assistant Christian Dolezal sollte bis zur Länderspiel-Pause übernehmen.

Auffüller aus der AlpsHL wie Alexander Maxa oder Fabio Artner konnten natürlich die Qualität nicht erhöhen. Dreiergoalie Lorenz Widhalm musste vor dem Break (Wraneschitz verletzt, Steen schwach und überspielt) auch noch ran.

Ein Hoffnungsträger: ÖEHV-Teamverteidiger Kilian Zündel kam fast zeitgleich mit Habscheids Abgang, musste nach Transferstreitigkeiten mit Salzburg aber noch eine Woche auf sein Debüt warten.

Die Länderspielpause

Dolezal - seit Jahren schon in der Organisation als Jugendleiter, Corona-Beauftragter, Assistant Coach, Spielermarkt-Aufbereiter, etc. - eh schon Mädchen für alles, wurde im Break als Headcoach bestätigt. Immerhin zeichnete sich eine Rückkehr der Verletzten ab und die Caps hatten schon öfters Glück und Geschick bei Nachverpflichtungen.

Aber nach der Treibsand-Problematik, wo jede Bewegung dazu führt, dass man tiefer sinkt, folgen die nächsten Transfers. Offenbar blickte jemand auf den Kader, sah Leute wie Mario Fischer und Warg, und folgerte: "Noch ein unbeweglicher Defender ohne Puckskills muss her!"

Das sollte Evan Wardley werden, im slowakischen Liptovsky Mikulas bald ausgemustert, der außer bösen Blicken und einigen Checks nichts zu bieten hat. Damit verfügten die Capitals mit Heinrich weiterhin über genau einen Puckmover an der blauen Linie, Teamverteidiger Nico Brunner zeigte sich im zweiten PP-Unit bald überfordert.

Wurde bald wieder zurückbeordert: Kilian Zündel
Foto: © GEPA

Auf der Goalieposition sollte es überhaupt kurios werden: Wegen einer Verletzung von Steen kam mit Adam Ohre ein Goalie aus dem schwedischen Nybro (Klub von Ex-Coach Tommy Samuelsson) als einmonatige Überbrückung. Wer aber stand beim ersten Spiel nach der Pause im Kasten? Der angeblich verletzte Steen!

Dieser wurde dann jedoch schnell zur Nummer Drei in der dreiköpfigen Goalie-Hydra degradiert, musste aber zeitweise Wraneschitz ablösen, wenn dieser im Geschosshagel unterging. Ohre präsentierte sich seinem Scouting-Report ("Technisch solide, schwache Athletik, kaum große Saves") entsprechend, sollte es auch nur auf zwei Spiele bringen.

Der Länderspielbreak im Dezember

Kilian Zündel wurde schon nach sechs Spielen für die Caps Ende November wieder nach Ambri zurückbeordert, wo er seitdem in vier Spielen zum Einsatz kam.

Die nicht nur nach Zahlen (105 Gegentore sind Ligaspitzenwert) schwächste Defensive der Liga war dadurch abermals geschwächt, vom roboterhaft agierenden Warg trennte man sich ebenfalls.

Einziger Neuzugang im Break: Seamus Donohue. Der 27-jährige US-Amerikaner spielte letzte Saison beim Liiga-Schlusslicht SaiPa, kehrte danach in die ECHL zurück. Er kann im PP sowohl die rechte Halfwall als auch den Point bespielen - die Frage ist nur, in welcher Qualität?

Ohre ist ebenfalls schon Geschichte, man geht wieder auf das Duo Steen-Wraneschitz zurück, wobei letzterer (sollte natürlich mehr gefördert werden) neben soliden Spielen auch einige WTF?-Gegentore wie zuletzt gegen Asiago zuließ.

Fazit

Twarynski (guter Schuss, sonst aber keine Hände), Zündel, Ohre, Wardley und Donohue wurden nachverpflichtet, Stinil, Ohre, Drugge, Warg und Zündel gingen wiederum - ein wildes Kommen und Gehen.

Einzig Cheek (gute Hände beim Abschluss) und Ticar agieren von den Legionären über dem Schnitt, wären in einer guten Truppe aber auch keine Frontliner (mehr).

Aber wen wundert diese Ausbeute noch: Die finanziellen Mittel sanken von Saison zu Saison, die beiden Halbfinaleinzüge übertünchten hier in den letzten beiden Jahren eh schon schwächere Grunddurchgänge.

Heuer donnerte das Caps-Vehikel dann mit Vehemenz in den Graben, es vergeht kaum ein Tag, an dem mich nicht Leute aus dem Ausland kontaktieren, was denn in Wien los sei. Und die Tatsache, dass die Legionärssuche mit dortigen Oberliga-Gehältern bewerkstelligt wird, hat sich sogar bis in die DEL herumgesprochen.

Können die Caps das Steuer in den nächsten Wochen noch irgendwie herumreißen oder kommt es zu einem Totalausverkauf, wenn die Playoff-Plätze außer Reichweite geraten?


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