Alles neu macht der Mai, hat Schriftsteller Hermann Adam schon 1820 in einem Frühlingslied geschrieben.
In der Murstadt herrscht hingegen schon Anfang März große Aufbruchsstimmung, obwohl die Temperaturen an diesem Freitagvormittag durchaus frostig waren. Doch pünktlich zu Beginn der Pressekonferenz auf dem Grazer Schlossberg bahnte sich die Sonne ihren Weg durch die dichten Wolken und läutete die neue Ära bei den Graz99ers gebührend ein.
Die letzte Saison im "Bunker" stand im Zeichen des 25-jährigen Jubiläums, schnell aber überwog die sportliche Misere. Früh wurde klar, dass in der Tabelle gen Ende statt Spitze geblickt werden muss, schlussendlich wurde die Spielzeit 2023/24 als abgeschlagenes Schlusslicht beendet.
Noch während der Grunddurchgang lief, wurde klar, dass im Frühjahr 2024 neue Zeiten anbrechen werden. Präsident Jochen Pildner-Steinburg kündigte nach 25 Jahren im Amt seinen Rückzug an, der Nachfolger war binnen kurzer Zeit gefunden und hört auf den Namen Herbert Jerich.
Der 48-jährige Unternehmer war 2012 hauptverantwortlich dafür, dass der ehemalige NHL-Star Thomas Vanek während des Lockouts in seine Geburtsstadt zurückkehrte und insgesamt elf EBEL-Spiele im Dress der Grazer bestritt. 2013 wurde Jerich in den Vorstand aufgenommen, von diesem Posten zog er sich 2016 wieder zurück.
"Es ist kein Update der 99ers, es ist eine neue Version. Wir sind die 99ers 2.0."
Nun steht der Geschäftsführer der Transport- und Logistik-Firma "Jerich International" an der Spitze des Vereins - und will die 99ers langfristig zu wieder zu einem Meisterschaftsanwärter formen.
Kein Präsident, dem Platz zwei genügt
Dafür wurde am Freitag ein "kompletter Neustart" ausgerufen.
"Es ist kein Update der 99ers, es ist eine neue Version. Wir sind die 99ers 2.0", betont der Präsident und ist dabei voller Tatendrang.
Den Fans solle in Zukunft geboten werden, was sie wollen: Erfolg. Dafür setzt der neue Boss auf ein langfristiges Denken. Sich selbst stellte Jerich vor der Übernahme des Amtes die Frage: "Kann ich mit den Graz99ers etwas erreichen?" Offenbar dürfte die Antwort "Ja" gelautet haben.
Obwohl "man sich den Titel nicht kaufen kann", meint Jerich. Das Team soll deshalb Schritt für Schritt in eine Position gebracht werden, in der es um den Meistertitel mitspielen kann. Denn: "Ich bin kein Präsident, der sagt, mir ist der zehnte Platz genug. Ich bin auch kein Präsident, der sagt, mir ist der zweite Platz genug."
Dann würde er den falschen Ehrgeiz in sich tragen, sagt der Präsident. Ob die Vision jemals in Erfüllung geht, "sei dahingestellt, aber wir geben unser Bestes, dass wir sportlich und menschlich besser werden."
Pinter: Der erste 99ers-Sportdirektor aller Zeiten
Als erster Schritt wurde mit Philipp Pinter zum ersten Mal in der Klub-Geschichte der 99ers ein Sportdirektor installiert.
Der 39-Jährige spielte während seiner Profi-Karriere von 2014 bis 2016 in Graz, war seit Jänner 2019 beim VSV als Nachwuchschef tätig und ist Teamchef des U18- sowie U20-Nationalteams. Schon vor einigen Monaten sei Jerich auf ihn herangetreten, verrät Pinter, der den Posten als "nächsten Schritt" in seiner Karriere sieht.
"Mich hat die Idee und die Vision, die Herbert verkörpert und mir vorgestellt hat, irrsinnig getriggert. Aber ich habe natürlich etwas nachdenken und schauen müssen, wie ich aus meinem laufenden Vertrag in Villach rauskomme", sagt der Villacher.
Und scherzt: "Ich habe mehr oder weniger versprechen müssen, dass ich von Villach keinen Spieler wegnehme und so viele wie möglich von Klagenfurt."
Die neuen starken Männer bei den Graz99ers
Mit Haudum "ein ganz wichtiges Zeichen" gesetzt
Ein Fünkchen Wahrheit steckt in seinen Worten, denn mit Lukas Haudum wurde der seiner Meinung nach "beste Österreicher in der ICE" bereits erfolgreich nach Graz gelotst - und das gleich für drei Jahre. Welcher Top-Spieler noch zu den 99ers kommt >>>
Die Verpflichtung des 26-jährigen Linzers sei "ein ganz wichtiges Zeichen am Österreicher-Markt" gewesen. "Die Spieler haben gemerkt: Graz meint das wirklich ernst", so Pinter, dessen Spitzname "Fipo" lautet.
Der 39-Jährige will die Messlatte und den Standard in Graz deutlich höher setzen, einen starken Kern an österreichischen Spielern aufbauen, "die richtigen Charaktere in die Mannschaft holen."
"Das war in den letzten Wochen ein Riesen-Fokus von uns; Beziehungen aufzubauen, die Spieler entsprechend überzeugen, dass in Graz jetzt tatsächlich ein Neustart passiert, dass etwas Großes im Entstehen ist und Graz der Standort ist, wo man hinmuss, wenn man weiterkommen will."
Nicht nur langfristig erfolgreich sein
Haudums Engagement und die Verpflichtung von Innsbrucks Topscorer Kevin Roy sind jedoch als Signal für einen kurzfristigen Erfolg zu verstehen.
Jerich bestätigt dies, stellt allerdings klar: "Wir sind für die Stadt Graz langfristig da. Unser Ziel ist, so gut wie möglich zu sein. Natürlich bin ich nur zufrieden, wenn wir Spiele gewinnen. Wir haben interne Ziele, die die Mannschaft reflektieren wird."
In dieser Hinsicht müsse den Spielern auch die Chance gegeben werden, auf dem Eis konkurrenzfähig zu sein. "Da haben wir den besten Weg gewählt, der uns finanziell momentan möglich ist. Wir hoffen auch kurzfristig auf eine erfolgreiche Zeit", sagt der Präsident.
Dafür wurde das Budget erhöht - konkrete Zahlen will Jerich bewusst keine nennen, Pildner-Steinburg bleibt den 99ers aber mit seinem Unternehmen "GAW" als "großzügiger Sponsor" erhalten. Zudem investiert der Präsident selbst ins Budget und damit die langfristige Zukunft.
Pinter will den Eigenbau fördern
Für eine solche braucht es nicht nur Spieler von außerhalb, sondern auch aus dem Eigenbau.
Im Kader der letzten Saison gab es nur eine Handvoll Spieler, die aus der in Graz stehenden Eishockey-Akademie Steiermark stammen - darunter Defender Paul Reiner und die Angreifer Jakob Engelhart sowie Maximilian Schwarz.
Sie waren auch die einzigen Spieler, die bei Weltmeisterschaften in Pinters U18- bzw. U20-Auswahlen waren. Das soll sich künftig ändern, ist jedoch mit viel harter Arbeit und Geduld verbunden, weiß "Fipo" aus seiner Zeit in Villach.
"Ich würde lügen, wenn ich sage, der Nachwuchs in Graz ist mir egal. Es ist irrsinnig wichtig, dass wir mit der Akademie eng und gut zusammenarbeiten, entsprechend in der Kampfmannschaft Trainer positionieren, die mit den jungen Spielern arbeiten."
In Graz werde er dasselbe Ziel wie in Villach verfolgen: "Alle zwei Jahre ein bis drei in den Trainingsbetrieb der Profis zu integrieren."
Wird Jerichs Geschichte auch eine Erfolgsgeschichte?
Denn mit Spielern aus der Region können sich nicht nur Sponsoren, sondern vor allem Fans identifizieren.
Für den Präsidenten ist es ein wichtiger Punkt, Identifikationsfiguren zu schaffen und Fragen zu ebenjenem Thema aus dem Weg zu räumen. "Mein Wunsch ist, die Mannschaft nicht ständig auszutauschen, sondern an den Positionen zu optimieren, wo man Bedarf hat."
"Ich bin ganz sicher, dass diese Geschichte eine Erfolgsgeschichte sein wird."
Deshalb wurde Haudum mit einem Dreijahresvertrag ausgestattet, Import Roy hat für zwei Jahre unterschrieben. Außerdem verlängerte Routinier Michael Schiechl, der seit 2020 für Graz aufläuft, ebenfalls bis zum Ende der Saison 2025/26.
Sie bilden nur den Anfang des Kaders, der nächste Saison ein völlig anderes Gesicht haben wird. Eines, das den Eishockey-Standort Graz nicht nur kurzfristig, sondern allen voran auf lange Sicht zu einem der attraktivsten und stärksten der win2day ICE Hockey League machen wird.
General Manager Bernhard Vollmann, der seit 2010 bei den 99ers angestellt ist und sich fortan ausschließlich um den wirtschaftlichen Bereich kümmern wird, blickt der Zukunft unter dem neuen Präsidenten frohen Mutes entgegen: "Ich bin ganz sicher, dass diese Geschichte eine Erfolgsgeschichte sein wird."