"Top-Team der Liga? Vor ein paar Wochen hätte das noch niemand gesagt", winkt Emilio Romig ab.
Soeben hatten die Black Wings Linz einen souveränen 5:2-Auswärtssieg über geschwächte Vienna Capitals eingefahren, ihren Status als momentan formstärkstes Team der win2day ICE Hockey League untermauert und den Anschluss an die Spitzenränge gewahrt.
Doch es ist noch nicht allzu lange her, da steckten die Stahlstädter selbst in einer Krise. Aus den ersten fünf Saisonspielen wurden nur drei Punkte (Overtime-Sieg in Ljubljana, Shootout-Niederlage in Klagenfurt) geholt, die Linzer waren in der unteren Tabellenregion angesiedelt.
"Da hat jeder in der Kabine gewusst, dass das nicht gut genug war"
Das kam für die Black Wings selbst überraschend, wenn man Romigs Worten genauer lauscht: "Wir hatten eine relativ gute Vorbereitung und wissen alle, dass wir eine gute Mannschaft haben." Doch zu Saisonbeginn seien die ersten Spiele "bestimmt nicht so" gelaufen, "wie wir sie uns vorgestellt haben", meint er.
Der 31-Jährige führt aus: "Nicht nur von den Ergebnissen, aber auch was für eine Leistung wir auf das Eis gebracht haben. Da hat jeder in der Kabine gewusst, dass das nicht gut genug war."
"Die Mannschaft entwickelt langsam ein Verständnis, was es benötigt, um konkurrenzfähig und erfolgreich sein zu können."
Sieben Spiele und 16 Punkte später fehlen den Oberösterreichern nur fünf Punkte auf Leader Red Bull Salzburg, wenngleich die Linzer zwei Spiele mehr am Konto haben. Nichtsdestotrotz gehören die Black Wings in der Frühphase der Saison auf jeden Fall zu den Top-Teams der Liga.
Der natürliche Wachstumsprozess
Wie wurde der Turnaround geschafft? Für Head Coach Philipp Lukas ist es einfach der natürliche Wachstumsprozess.
"Gut Ding braucht Weile", sagt der 43-Jährige. "Wir sind auf einem Weg, auf dem in unserer Mannschaft etwas passiert. Die Mannschaft entwickelt langsam ein Verständnis, was es benötigt, um konkurrenzfähig und erfolgreich sein zu können. Es ist schön zu sehen, dass die Mannschaft hier auch eine Eigendynamik entwickelt."
Das Verständnis, wie man in allen drei Zonen spielen will, entwickle sich zudem immer mehr. Das war nicht zuletzt in Wien wieder ersichtlich. Das erste Drittel war auch aufgrund einiger Strafen binnen weniger Minuten kein Ruhmesblatt, der Mittelabschnitt dafür sehr wohl.
Mit frühem, aggressivem Forechecking wurde die Scheibe oft in der gegnerischen Zone erkämpft, die Folge waren viele gute Torchancen und herausgeholte Strafen, die zu den Powerplay-Treffern von Matt MacKenzie und Shawn St-Amant führten.
Graham Knott überflügelt alle
Besonders die Top-Linien Lebler-Collins-Feldner sowie Romig-Knott-St-Amant sorgten ständig für Unruhe und Schweißausbrüche auf Seiten der Wiener. Letztere Reihe, nominell die zweite Angriffslinie, ist angeführt vom in Hochform agierenden Graham Knott jene, die derzeit den größten Impact auf das Linzer Spiel hat.
Der 26-jährige Knott führt mit 19 Scorerpunkten nicht nur die team-interne Scorer-Liste, sondern auch jene der ICE Hockey League an. Elf Tore sind liga-weit ebenfalls der höchste Wert, in Wien war der Kanadier wieder an vier Toren beteiligt. St-Amant hatte bei drei Treffern seinen Schläger im Spiel, Romig bei zwei.
Ein Tor erzielte der Ex-Wiener selbst, nämlich den wichtigen 1:1-Ausgleich kurz vor der ersten Drittelpause - natürlich nach wunderbarem Zuspiel von Knott. Romig schwärmt: "Er ist ein unglaublicher Spieler, wir haben letztes Jahr schon über weite Strecken zusammengespielt, auch mit St-Amant."
Schon in der Vorbereitung hätte es zwischen dem Trio gefunkt, "wir haben gute Chemie und als Linie auch einen guten Saisonstart gehabt. Es ist toll, dass wir uns super verstehen, dadurch helfen wir der Mannschaft", freut sich der Angreifer. Ihm mache es viel Spaß, mit Knott und St-Amant zu spielen. "Sie machen super Arbeit."
Das Streben nach der Scoring-Tiefe
"Mit Graham Knott haben wir momentan natürlich einen Ausnahmespieler in unseren Reihen", lobt Coach Lukas seinen Schützling.
Der 43-Jährige sieht auch die nominelle Top-Linie nach dürftigen Leistungen in den ersten Saisonspielen auf einem guten Weg. "Collins kommt immer mehr in die Spur und somit auch Brian Lebler, der gegen die Capitals irrsinnig viele Chancen hatte."
Beide Linien würden das Team im Moment tragen, trotzdem habe man genug Spieler, "die auch aufs Scoreboard kommen können." Nach elf absolvierten Partien ist das jedoch noch nicht ersichtlich, die Linien drei und vier haben noch Ladehemmung. Lukas: "Natürlich streben wir immer danach, eine größere Tiefe in unserem Scoring zu haben."
"Noch ist es nicht zu oft dazu gekommen, außer im Heimspiel gegen Salzburg, wo Bretschneider und Stuart jeweils ein Tor erzielen konnten. Das war super für unser Spiel, das wird es für den langfristigen Prozess auch benötigen", weiß der Übungsleiter.
"Solange es gut läuft, muss man auf der Welle bleiben"
Dann könnte aus den Stahlstädtern auch tatsächlich ein Titel-Anwärter werden, auch wenn es zu diesem Zeitpunkt der Saison natürlich noch zu früh ist, darüber zu reden. Trotzdem soll nicht unerwähnt bleiben, dass Linz seit 2018 nicht mehr das Playoff-Halbfinale erreicht hat.
Romig: "Wir trauen uns in der Kabine schon sehr viel zu, wir wollen aber einfach konstant spielen." Der Grund liegt auf der Hand: "Die Leute haben sicher im Hinterkopf, wie wir letzte Saison in der zweiten Saisonhälfte etwas eingebrochen sind."
Daher sei von Anfang an das Ziel gewesen, "über die Saison hinweg konstanter zu spielen." Aktuell gelingt das auch, aber der Angreifer weiß: "Es gibt immer wieder Durchhänger, es wird auch bestimmt wieder einer kommen."
Geht es nach dem Routinier, kann dieser noch lange auf sich warten lassen. "Solange es gut läuft, muss man auf der Welle bleiben." Dann werden sich die Linzer eine gute Ausgangsposition für den weiteren Saisonverlauf geben.