Vor genau einem Monat ächzte Niki Hartl noch: "Wenn man auf dem letzten Platz steht - das ist für Wien einfach peinlich und tut auch sehr weh."
Genau zehn Runden später haben die Vienna Capitals mit dem Tabellenende nichts mehr am Hut, ganz im Gegenteil: Nach dem 4:2-Erfolg am Halloween-Sonntag über die Graz99ers (Spielbericht >>>) rangiert man unter den Top-Sechs, der Abstand zu den letztplatzierten Teams aus Linz und Pustertal beträgt satte zwölf Punkte.
Schon damals meinte Capitals-Angreifer Hartl, dass "das Potenzial für einen Playoff-Platz definitiv da ist." Zwar sind erst 15 Runden in der bet-at-home ICE Hockey League gespielt, die Ränge fünf bis elf auch nur durch sechs Punkte getrennt.
Blickt man allerdings auf die vergangenen sieben Spiele zurück, von denen die Donaustädter gleich sechs für sich entscheiden konnten und nur beim 0:1 nach Penaltyschießen in Salzburg Punkte abgeben mussten, ist ein glasklarer Aufwärtstrend nicht von der Hand zu weisen.
Gemeinsam mit den seit sechs bzw. fünf Spielen ungeschlagenen Mannschaften aus Innsbruck und Ljubljana zählen die Capitals zu den Teams der Stunde. Was änderte sich seit dem miserablen Start in die neue Spielzeit? Hartl und sein Coach Dave Barr haben gleich mehrere Gründe für den "derzeitigen Erfolgslauf" parat.
"Machen die Defensive des Gegners mit unserem Spiel müde"
Der kanadische Head-Coach meint: "Wir fokussieren uns auf unsere Defensive, das hilft uns zugleich auch im Angriff. Wenn du defensiv einen guten Job machst, musst du nicht verteidigen – du besitzt die Scheibe und kannst offensiv kreieren."
"Dieser Aspekt macht einen wichtigen Teil unseres Spiels aus und ist sicher auch ein Grund, warum wir derzeit erfolgreich sind. Wir machen die Defensive des Gegners mit unserem Spiel müde, erarbeiten uns durch den vielen Puckbesitz auch zahlreiche Chancen", erklärt Barr weiter.
Ebenso ein Unterschied ist, dass die Linien immer besser in Form kommen und "langsam wissen, was sie voneinander erwarten können." Hartl führt aus: "Wir haben die Linien mittlerweile gefunden, sind relativ gut eingespielt. Es geht natürlich noch mehr."
Junge Spieler "fighten, setzen jede Anweisung um"
(Artikel wird unter dem VIDEO fortgesetzt)
Vor allem seine nominell zweite Angriffslinie mit Joel Lowry am linken Flügel und Matt Neal als Center erweist sich zurzeit richtig stark. Ob ihre Linie aber die beste der Capitals ist? "Das ist schwer zu sagen, denn es geht immer besser", sagt der 30-Jährige.
"Wir kombinieren echt gut, ich spiele sehr gerne mit Lowry und Neal. Matt ist ein solider Center, strahlt Ruhe aus. Joel und ich arbeiten hart, die anderen Linien sehen gleichzeitig auch, dass wir simpel spielen. Die Teamkollegen machen das ebenfalls sehr gut", erklärt Hartl weiter.
Dabei verteilt der langjährige Caps-Crack auch ein Lob an die jungen Teamkollegen in den unteren Linien: "In zwei Linien haben wir immer noch sehr viele junge Spieler, die fighten aber, setzen auch jede Anweisung des Trainers um, weil es ein einfaches System ist."
Junge Cracks wie Verteidiger Lukas Piff und Angreifer Patrick Antal erarbeiteten sich nicht zuletzt aufgrund schnörkelloser Leistungen ihre erstmalige Einberufung durch Teamchef Roger Bader ins ÖEHV-Nationalteam.
Sie sind mitbeteiligt, dass die Hauptstädter bisher die zweitwenigsten Tore der ICE Hockey League kassiert haben. Hartl: "Das ist das Resultat daraus, wir haben in jedem Spiel einen 'Step' nach vorne gemacht. Wir spielen simpel, die wenigen Gegentore zeugen zudem von einem guten System", streut er auch seinem Chefbetreuer Rosen.
"Jeder kann zeigen, was er draufhat"
Doch nicht nur die Defensive hat ein Lob verdient, auch die offensiven Leistungen werden von Spiel zu Spiel ansehnlicher. Joel Lowry und First-Line-Center James Sheppard scheinen die fehlenden Puzzlestücke zu Beginn der Spielzeit gewesen zu sein, beide Cracks stellen ihr Können bislang stets unter Beweis.
Dadurch erhielt auch das Powerplay der Capitals einen Boost - in den vergangenen Jahren unter Ex-Coach Dave Cameron eines der wenigen Mankos. Rund 20 Prozent ihrer Überzahlspiele gestalteten die Kagraner in den vergangenen drei Jahren erfolgreich, in der laufenden Saison sind es 23,5 Prozent.
Der Puck wird schneller rotiert, dadurch ergeben sich freilich Räume, die derzeit auch erfolgreich genutzt werden. So auch beim 4:2 gegen die 99ers, als Hartl nach traumhafter Kombination über mehrere Stationen völlig blank an der rechten Stange auftauchte.
Der gebürtige Salzburger zählt in dieser Saison zweifelsohne zu den Leistungsträgern des zweifachen EBEL-Meisters, "für mich persönlich hat sich aber nicht viel geändert", sagt Hartl selbst. Vielmehr sei es für die jungen Spieler "ein wichtiges Jahr. Da kann jeder zeigen, was er draufhat, denn jeder von uns bekommt genügend Eiszeit."
Ob er nun in der ersten oder vierten Linie spiele, sei ihm egal. "Ich kann in allen vier Linien spielen. Es kann aber jeder vorne und hinten spielen, das haben wir bereits bewiesen. Wenn die Linien dazu noch gut funktionieren, macht es das umso leichter."
"Mittlerweile weiß jeder, dass wir vorne zu den Playoff-Teams dazugehören"
Und die Linien funktionieren wie bereits angesprochen, daher wächst auch das Selbstvertrauen von Spiel zu Spiel - und von Sieg zu Sieg. "Natürlich tut es dem Selbstvertrauen gut, wenn du gewinnst. Jeder Sportler trainiert für solche Momente in seinem Leben und es tut jedem gut, wenn er Eiszeit bekommt, wenn wir Punkte sammeln", so Hartl.
"Wir treten als Mannschaft auf, es ist auch noch ein Prozess bis zu den Playoffs. Wir sind aber auf einem guten Weg, wenn wir das so weiterführen." Immerhin könne man mittlerweile relativieren, wo die Reise in dieser Saison hingehen kann. Anfang Oktober schien ein Playoff-Platz noch in weiter Ferne, nun sind die Capitals bei entsprechendem Grunddurchgangs-Verlauf jedoch ein starker Anwärter auf einen Top-6-Platz.
"Mittlerweile weiß jeder, dass wir vorne zu den Playoff-Teams dazugehören. Wir haben schon gegen gute Mannschaften gespielt, da kannst du relativieren, ob du vorne mitspielen kannst oder nicht", zeigt Hartl nach den vergangenen Erfolgen eine breite Brust.
Er schaue jedoch nicht mehr auf die Tabelle, meint der vierfache Saisontorschütze. "Ich habe auf die Tabelle geschaut, als wir Letzter waren. Das ging mir sehr auf die Nerven."