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AHL: Freimüller-Überblick über 2. Liga der USA

Die zweithöchste nordamerikanische Eishockey-Liga ist ein guter Boden für europäische Scouts:

AHL: Freimüller-Überblick über 2. Liga der USA

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Egal, welche europäische Liga: Die Mehrzahl der Nordamerikaner, die nach Europa wechseln, kommt entweder direkt aus der American Hockey League (AHL) oder hat dort einige Zeit verbracht.

Die zweithöchste nordamerikanische Leistungstufe bietet neben ihrer Funktion als NHL-Sprungbrett auch immer wieder Spielern aus der "zweiten Reihe" die große Möglichkeit, sich in das Blickfeld europäischer Top-Klubs zu spielen.

Deshalb ist auch kaum eine Liga für europäische Scouts interessanter als die AHL.

Doch wie erkennt ein geschulter Beobachter, ob ein Crack auch ein Thema für die DEL oder EBEL ist? Und wie sieben die Talentesichter aus dem riesigen Spieler-Pool der 30 AHL-Franchises genau die richtigen Spieler aus?

LAOLA1-Scout Bernd Freimüller klärt auf:

Welches "Grätzl" ist das beste?

Obwohl einige Teams in die ECHL abgewandert sind, ist der Osten der USA immer noch das größte Reservat für Talente: Elf Teams sind hier angesiedelt und auch drei der vier kanadischen Standpunkte (Lavel, Belleville, Toronto) können von hier aus erreicht werden.

Am Wochenende gibt es immer und überall die Qual der Wahl, der springende Punkt in der AHL sind jedoch stets die Spiele unter der Woche. Montag und Donnerstag wird selten gespielt, in diesem Gebiet sind aber die Chancen auf Spiele am Dienstag und Mittwoch am höchsten. Was mir hier auch schon mehrere Male gelungen ist: "Double Headers" – zwei Spiele an einem Tag. Am Vormittag ein "Schulspiel" (von Hunderten schreienden Kinder besucht), danach gleich weiter zum nächsten Standort.

Ohne Auto geht hier natürlich nichts, das gilt aber für ganz Nordamerika. Die einzige Ausnahme: Wer gerne in Manhattan bleibt, kann mit Bussen oder der Bahn nach Hartford, Bridgeport oder Allentown (Lehigh Valley) fahren und von dort sogar nach Abendspielen zurückfahren. Natürlich könnte man sonst auch theoretisch mit den (billigen) Greyhound-Bussen reisen, doch die fahren ewig und nur von einem Zentrum zum anderen – die billigen Hotels befinden sich aber stets in den Vororten.

Ebenfalls ein tolles Gebiet zum Scouten: Der Midwest. Die Chicago Wolves spielen gleich um die Ecke zum O'Hare Airport, knapp 90 Minuten davon entfernt sind Milwaukee und Rockford angesiedelt. Grand Rapids und Iowa Wild (Des Moines) erfordern drei Stunden, Cleveland dann schon sechs Stunden Fahrzeit.

An spielfreien Tagen ist hier die Chance am größten, einen Abstecher in die ECHL (ECHL: Die EBEL-Zubringer-Liga) zu machen.

In Kalifornien bzw. Arizona (Eishockey in Kalifornien) warten sechs Teams, hier sind aber die Fahrzeiten bzw. der Verkehr in Los Angeles doch um einiges problematischer, vom noch größeren Jetlag ganz zu schweigen. Für mich einst ein wunderbarer Trip: Spiele in San Antonio, Austin (Texas Stars) und Houston – die Aeros gibt es aber leider nicht mehr.

Wann ist die beste Zeit zum Scouten?

DEL-Vertreter nutzen vor allem die Länderspielpausen im November und Februar sowie die Zeit nach der Saison, um sich nach Verstärkungen umzuschauen. Aus Erzählungen weiß ich: Vermeide nach Möglichkeit die Playoffs. Denn hier gibt es im Gegensatz zu Europa keine fixen Spieldaten, die Termine werden kurzfristig und nach Hallenverfügbarkeit bekanntgegeben.

Ein langfristiges Planen ist so unmöglich, es kann dir auch passieren, dass du zwei oder gar drei Tage ohne Spiel festsitzt. Für Vereinsvertreter, die ihren Wohnsitz in der Umgebung haben, kein Problem, für Reisende aus Europa aber eher keine gute Idee. Im Gegensatz zur Regular Season – der Spielplan erscheint meist Mitte August – diktiert der Schedule hier dich und nicht umgekehrt.

Brady Lamb: Ein Beispiel für gelungenes Scouting. In der AHL nur im dritten Verteidigerpaar, bei Augsburg nun ein DEL-Star.
Foto: © GEPA

An der Ostküste und im Midwest müssen Nordamerika-Reisende von November bis März immer wieder mit schlechtem Wetter rechnen – wie alle meine Kollegen habe ich mich auch schon durch Schneestürme gekämpft, beziehungsweise meinen Schedule kurzfristig abändern müssen. Kälteempfindlich darf ein Scout in Dieser Gegend ohnehin nicht sein.

Am Beginn der Saison fehlen noch einige Cracks, die im NHL-Team stehen – für europäische Besucher aber unerheblich. Eine Besonderheit der Spiele im März, von denen ich gerade nach Wien zurückgekehrt bin: Spieler aus den Juniorenligen, Colleges oder Europa stoßen zu den Teams, alles nicht unbedingt Cracks, die bald in die DEL oder EBEL kommen werden. Kein großes Problem, aber vielleicht auch nicht die beste Zeit zum Scouten – die liegt sicher zwischen Oktober und Februar…

Wie erstellt man einen Reiseplan?

Eine Frage, die mir in den letzten Tagen öfters gestellt wurde - die Antwort liegt eigentlich in der alten Scouting-Maxime: So viele Spiele wie möglich mit so wenig Reise-Stress und -kosten wie möglich.

Je mehr Teams du siehst, desto besser, große Unterschiede gibt es nicht. Insider wissen, dass ein Team wie Chicago vor allem alte und teure Ex-NHLer im Lineup hat, Manitoba viele Jungcracks, die knapp vor der NHL stehen. Aus Bridgeport wiederum wechseln immer viele Spieler nach Europa, das Farmteam der Islanders ist nicht gerade eine beliebte Option für AHLer. Aber grundsätzlich gilt: Die Teams unterscheiden sich nicht viel, wenn es um das Scouting für Europa geht.

Verfolgt man Spieler genauer, die einem durch Agenten angeboten werden?

Ja und nein – grundsätzlich gilt: Die nordamerikanischen Spieler sind eben noch im Spielbetrieb, entscheiden sich erfahrungsgemäß erst später für einen Wechsel nach Europa. Außerdem: Was willst du machen, wenn dir Spieler aus Charlotte oder von den Manitoba Moose (Winnipeg) angeboten werden und diese abgelegen liegenden Teams spielen nur zu Hause?

DEL-Vertreter haben vor allem in der zweiten Saisonhälfte eine Liste von Spielern, die nach Agentenangaben nach Europa kommen könnten und nehmen diese vielleicht etwas genauer ins Auge, solange sie in ihren Schedule passen.

Doch ein effizienter Reiseplan ist weit wichtiger als die Jagd nach Spielern, die oft gar nicht wissen, dass sie in Europa angeboten werden…

Wie beobachtet man knapp 40 Spieler in einem Spiel?

Ist so etwas überhaupt möglich? Kurz geantwortet: Nein! Vor allem Leute, die zum ersten Mal in die AHL reisen, sind oft von den Spielen überwältigt – die Namen sagen ihnen nichts, alle schauen mehr oder minder gleich aus, das Hirn und die Augen arbeiten auf Hochtouren, aber viel bleibt nicht hängen.

Erfahrenere Beobachter kennen natürlich schon einige Cracks aus den letzten Jahren, wer Jahr für Jahr nach Übersee reist, sieht dann nur einige neue Spieler. Doch um die 38 Spieler auf einem Spielbericht (ein Goalie, sechs Defender und vier Sturmlinien – ich habe heuer nur bei einem Team einmal sieben Verteidiger und elf Stürmer gesehen) zu beobachten, gibt es einige Richtlinien:

Komm vorbereitet zum Spiel – schau dir die Kader schon zuvor einmal an, die meisten, aber nicht alle, Teams haben die informativen Spieler-Biographien zwar in Papierform ausliegen, darauf verlassen sollte man sich aber nicht. Eine Nachfrage beim Presse-Manager schadet hier nie – oft wird dieser Service nur mehr digital angeboten. Scouts (dazu gehören auch die europäischen Teamvertreter) und Presse sind hier im Übrigen in puncto Plätzen gleichgeschaltet, eine Akkreditierung ist so gut wie nie ein Problem.

Sondere Spieler im Lineup vorläufig aus:

Spieler im ersten oder zweiten Jahr ihres Entry-Level-Deals brauchst du eher nicht näher zu beobachten, die sind im besten Fall ein oder zwei Jahre von Europa entfernt, Betonung auf "im besten Falle".

Top-Prospects – die besten Nachwuchs-Spieler eines NHL-Teams, die noch in der AHL reifen, sind natürlich auch kein Thema.

Europäische Spieler – eine weitere Kategorie. Natürlich werden schwedische oder finnische Scouts die Cracks aus ihren Heimatländern genauer unter die Lupe nehmen, doch für die DEL oder EBEL sind sie eher kein kurzfristiges Thema. Sollten sie nach Europa zurückkehren, sind ihre Heimatländer bzw. die KHL natürlich die ersten Optionen.

Spieler, die gerade erst aus Juniorenligen oder Colleges gewechselt sind – egal, ob gedraftet oder Free Agents, sie kommen im März in die Liga und werden wohl alleine schon aufgrund ihres Alters eher noch in Nordamerika bleiben.

Langjährige NHL-Spieler, die jetzt in der AHL spielen – sie sind schon ein Thema, aber eher für Teams aus Schweden, der Schweiz oder vielleicht finanzkräftige DEL-Teams. Ein Spieler wie Lance Bouma, der für mich zweimal bei Rockford überragte, wechselt sicher nicht um Peanuts nach Europa, wenn überhaupt.

Eine andere Kategorie, die der "Knuckle-Draggers", sprich Goons mit fünf Punkten und 200 PIMs, ist dagegen fast völlig ausgestorben. In neun Spielen sah ich lediglich zwei Fights, einer davon aus der Emotion heraus zwischen zwei sonstigen Pazifisten, der andere auch nicht angekündigt – Spieler, die nur für Faustkämpfe da sind, deren spielerische Fähigkeiten aber nicht für Europa ausreichen, gibt es wie in der NHL fast nicht mehr.

Das reduziert die Kader schon auf eine überschaubare Größe, idealerweise sollten pro Team etwa fünf Spieler genauer zu beobachten sein. Dazu gehören vor allem:

Typische Kandidaten für Europa:

Routiniers wie früher Kris Newbury oder Mike Angelidis – Äquivalente bei meiner letzten Reise waren etwa Matt Ford, Harry Zolnierczyk oder Brett Sutter, die eines Tages aus dem AHL-Rad fallen könnten.

Spieler, die schon in Europa waren und dorthin wohl auch wieder zurückkehren könnten, für mehr oder weniger großes Geld. Dazu gehören etwa der pfeilschnelle Terry Broadhust, der smarte Center Trevor Smith (in Bern aber einst ein Flop), Spielmacher T. J. Hensick oder – auf einem niedrigeren Niveau – Mark Zengerle, der heuer nicht lange in der SHL überlebte.

Das typische Beutemuster: Spieler mit AHL-Verträgen (nicht NHL/AHL-Zweiweg-Verträgen), die schon einige Zeit in der Liga sind, vielleicht auch eine Handvoll an NHL-Spielen gespielt haben und die zuletzt etwas stagnierten.

Für EBEL-Teams interessant: Spieler, die bei den Junioren, im College oder in der ECHL sehr gut punkteten, hier aber in der der dritten oder vierten Linie mitspielen. Die Kernfrage: Können sie ihre Fähigkeiten auch auf höherem Niveau abrufen?

Ein Spieler wie Wolfsburgs Kris Foucault etwa erfüllte dieses Profil, er kam in der AHL aber nur selten im Powerplay zum Einsatz und bei ihm musste man zwischen den Zeilen lesen.

Natürlich sollte man über jeden Spieler, der einem ins Auge sticht – positiv oder negativ – einen Report verfassen. Bei den Houston Aeros überragte vor Jahren etwa Jason Zucker – klar, dass Europa für ihn kein Thema war, einen Bericht schrieb ich über den heutigen Wild-Star trotzdem. Umgekehrt identifizierte ich Yanni Gourde bei Syracuse als interessanten Spieler für Europa und holte auch schon Erkundigungen ein – dass er heute bei Tampa groß aufspielt, hätte ich nicht für möglich gehalten.

Damit, dass Yanni Gourde nun für Tampa Bay Lightning groß aufspielt, hätte Scout Freimüller nicht gerechnet.
Foto: © getty

Heute hingegen in der DEL oder EBEL unterwegs und für mich nach ein oder zwei Beobachtungen damals Berichte wert: Austin Madaisky, Corey Tropp, Sean Backman, Justin Shugg, Julien Brouillette oder Mike Halmo.

Vielleicht das beste Beispiel dafür, wie sich das Scouten in der AHL auszahlen kann: Brady Lamb sah ich vor Jahren in Abbotsford – er war ein Mann im dritten Verteidigerpaar ohne Powerplay-Zeit, daher auch kaum mit Punkten. Er brachte aber die Scheibe stets gut aus dem eigenen Drittel, wies überhaupt gutes Puckhandling auf. In Augsburg gehört er seit vier Jahren zu den besseren DEL-Defendern – nicht immer reicht ein Live-Viewing (ergänzt durch Video und entsprechender Recherche) für eine gelungene Einschätzung, bei ihm war das aber der Fall…

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