Mit Marco Rossi und David Maier standen zwei österreichische Eishockey-Talente vor kurzem durch ihre Wechsel in die OHL im Blickpunkt.
Doch auch in Europa sind einige rot-weiß-rote Nachwuchscracks im Ausland tätig. Julian Payr und Benjamin Baumgartner etwa klopfen in Davos bereits an die Tür zur Schweizer National League und sind zwei der größten ÖEHV-Hoffnungen.
LAOLA1-Experte Bernd Freimüller hat das Duo schon länger im Blick und berichtet über die beiden Youngster:
So unterschiedlich beide in ihrem Spiel und in ihrem Werdegang auch sind, gemeinsam haben sie das Potenzial zu langjährigen Karrieren in Seniorenligen und im Nationalteam. Bei Baumgartner wäre es fast schon im letzten Frühjahr soweit gewesen: Teamchef Roger Bader spielte mit dem Gedanken einer Einberufung für die Ungarn-Spiele im März, die Vorbereitung auf die bevorstehende U18-WM sprach dann aber dagegen.
Es wären nicht die ersten Seniorenspiele für den 18-jährigen Center gewesen: Ein Champions-Hockey-League-Spiel für den HC Davos gegen Liberec und drei Spiele während der Olympiapause waren die ersten Gehversuche gegen Erwachsene. Mehr wäre auch nicht gegangen – erst ab diesem Sommer gilt der gebürtige Zeller als Eishockey-Schweizer und belegt damit keinen Import-Platz mehr. Davos-Kulttrainer Arno Del Curto – seit 22 Jahren im Amt – bestätigte im Gespräch mit LAOLA1 auch seine Wertschätzung: "Sehr gute Übersicht, gut an der Scheibe. Ein Center mit gutem Spielverständnis. Auch vom Kopf her sehr stark."
Baumgartner bald konstante A-Team-Größe?
Mentale Stärke war auch notwendig, wenn man sich Baumgartners bisherigen Karriereverlauf ansieht. Bereits mit zehn(!) Jahren übersiedelte er nach Wien zur Talenteschmiede der Vienna Tigers. Mit 13 folgte ein Gastspiel beim ZSC, wo er jeweils (auf Familienkosten) zu den Wochenendspielen einflog. Seit 14 hat er in Davos eine fixe Bleibe gefunden, die schulische Ausbildung (heuer im Maturajahr) und die kurzen Wege gaben den Ausschlag gegenüber Zürich.
Was hält die anstehende Saison für ihn inpetto? Im besten Fall die ersten NLA-Einsätze für Davos, der Saisonbeginn könnte aber wieder bei den Elitejunioren stattfinden. Ein möglicher Kompromiss auf Senioren-Niveau wären die Ticino Rockets – das Swiss-League-Farmteam von Ambri und Lugano wird heuer auch von Davos beschickt. Meine Reports für Baumgartner gehen wie bei allen österreichischen Auswahlspielern natürlich über Jahre zurück, aufgrund seines Talents war er auch immer schon als jüngerer Spieler mit dabei. Was ihn auszeichnet, ist seine Leistungskonstanz – die schwächsten Turniere waren Durchschnitt, bei den beiden heurigen WMs (U20 und U18) war er der konstanteste Spieler.
Einige meiner Bemerkungen über die Jahre: "Kreiert viel Offensive, macht Spieler um ihn herum besser. Dynamisch, kann mit und ohne Scheibe die Jets anwerfen. Puck macht ihn nicht langsamer. Gute Übersicht, gute Hände im Verkehr kombiniert mit starker Agilität und Mobilität. Guter Passgeber, könnte aber mehr schießen. Durchschnittliche Größe, Beine müssen immer schneller als die der Gegenspieler sein. Sollte konstante Größe im A-Team werden."
Große Stücke auf Payr
Nicht ganz so viele Berichte weist mein Computer für Defender Julian Payr auf. Der Grund dafür: Aus familiären Gründen sagte er mehrere Teamberufungen ab, zuletzt etwa die U20-WM in Frankreich. Bei den Turnieren, zu denen er erschien, war er für die Coaches aber immer ein sicherer Wert auf und abseits des Eises. Del Curto wird bei ihm fast lyrisch: "Am mentalen Teil werden wir gemeinsam arbeiten, aber sonst bringt er alles mit: Sehr gute Größe, trotzdem aber ein sehr agiler Eisläufer. Gutes Auge, wird unter Druck nicht nervös und nutzt seine Reichweite aus." Der gebürtige Feldkircher gab schon letztes Jahr sein NLA-Debüt, und das ohne große Vorwarnung. Del Curto: "Ich habe ihn am Vormittag angefordert, er hat dann Stunden später seine Shifts ruhig runtergespielt."
Beim Hohelied, das der bekannte Jugendförderer Del Curto über ihn singt, wäre es nicht verwunderlich, wenn Payr heuer einige NLA-Einsätze bekäme, noch dazu, wo die Davos-Defensive nicht übermäßig tief besetzt ist. In Del Curtos System sind läuferisch starke Spieler gefragt, die Verteidiger sollen die Forwards mit schnellen Pässen in Szene setzen.
Payr – letzte Woche 18 geworden und drei Monate jünger als Baumgartner - war bei der letzten U18-WM in Kiew die klare Nummer eins unter den ÖEHV-Defendern, bekam eine Menge Eiszeit in Über- und Unterzahl. Über sein Offensivpotenzial bin ich mir noch nicht ganz im Klaren – guten Entscheidungen folgen oft ein wenig überhastete. Doch das Gesamtpaket sticht ins Auge, und das nicht nur mir. So fragte mich etwas Washington-Assistant-General-Manager Ross Mahoney bei der WM in Frankreich: "Wieso ist dieser große Defender nicht mit dabei?"
Wie gesagt, über Payr habe ich durch einige Absagen weniger Reports als über den gleichaltrigen Baumgartner, trotzdem waren auch die immer positiv: "Wie ein typischer schwedischer Defender – groß, mit enormer Reichweite, trotzdem agil und beweglich. Nicht physisch, aber ein großartiger Pokechecker. Sehr aktiver Stock entschärft viele Situationen. Behauptet Scheibe unter Druck, sehr gute Retrievals. Kein Rushing D, spielt aber gute Aufbaupässe. Kann Pucks im Bandenverkehr erobern und Transition einleiten. Schüsse sind nicht hart, aber finden Wege durch den Verkehr. Zweiter Mann im ersten oder erster Mann im zweiten PP-Unit."
So unterschiedlich sich Baumgartners und Payrs Nationalteam-Karrieren bisher auch darstellten – beide sollten, wenn Kopf und Körper gesund bleiben, viele Jahre in rot-weiß-rot vor sich haben. Und das noch dazu auf Positionen (Center und Verteidiger), wo jede Hilfe willkommen ist...