Nach Tschechien (Hier geht's zur Story) nun Finnland: Reisen bildet nicht nur, ein Blick über die Grenzen hilft auch zu sehen, wo unser Klubeishockey einzuordnen ist.
Hier die Eindrück von vier Spielen in der finnischen Liiga.
10.11.: Ilves Tampere – Lahti Pelicans 4:3 n. P.
Ilves teilt sich die Hakametsä-Arena mit Lokalrivalen Tappara, ist aber sportlich schon seit längerer Zeit die Nummer zwei in der mit 200.000 Einwohnern drittgrößten Stadt Finnlands. Finanziell gehört Ilves zu den Nachzüglern der Liga, mit knapp 3800 Fans war die ehemalige WM-Halle auch nur zu knapp einem Drittel besetzt.
Die Pelikane aus Lahti taten ihr Bestes, sich selbst ein Grab zu schaufeln, unzählige dumme Strafen sorgten für eine Unterlegenheit nach der anderen. Trotzdem kamen sie in der Schlussminute durch Legionär Ryan Potulny noch zum Ausgleichstreffer. Potulny ist neben Dane Byers und dem Amerikaner Ben Blood einer von vier Überseegastarbeitern, dazu kommen noch der Franzose Teddy DaCosta und der aus Graz bekannte Däne Stefan Lassen. Ilves leistet sich nur einen Legionär, den aber mit bekanntem Nachnamen: Verteidiger Blake Kessel ist der jüngere Bruder von Phil, dem Vernehmen nach hat er die gleiche Einstellung bei wesentlich geringerem Können. Alt-Pelikan ist Jan Latvala, der 43-jährige Defender hat knapp 1200 Ligaspiele auf dem Buckel. Ebenfalls schon länger dabei: Ilves-Goalie Hannu Toivonen, ein ehemaliger Erstrunden-Pick der Boston Bruins.
Die Liiga (früher SM-liiga) spielt übrigens wie NHL-Vorbild eine fünfminütige Drei-gegen-Drei-Verlängerung. Die halbgare AHL-Lösung mit sieben Minuten, der sich die EBEL auch überhastet anhängte, wurde hier gar nicht zur Kenntnis genommen und wird auch in unserer Liga nicht die Zukunft sein.
Insgesamt der erwartete Auftakt meiner Finnland-Reise: Wenig Stimmung auf den Rängen, wenig spielerische Klasse auf dem Eis. Und nach fünf Tagen Sonnenschein bei einem Turnier in der Schweiz ist das Wetter wie fast immer in Finnland deprimierend…
EBEL-Bezug: Neben Lassen, der wie in Graz einen staubtrockenen Part hinlegt, war auch Lahtis Backup-Goalie ein bekannter Name: Niko Hovinen, letzte Saison auch kurz in Salzburg, ist nur mehr ein bloßer Rental-Player.
Espoo Blues – Saipa Lappeenranta
Diese Spiel fiel dem tags zuvor stattfindenen CHL-Spiel von Espoo zum Opfer. Schade drum, denn auf beiden Seiten gibt es einige interessante Gesichter: Mit dem Kanadier Samson Mahbod verpflichte Espoo einen Stürmer aus der polnischen Liga, Goalie Christian Engstrand half letzte Saison bei Fehervar aus. Diese Billiglegionäre weisen schon darauf hin, wie es finanziell um die Blues bestellt ist: Die Saison soll mit einigen Notverkäufen noch über die Bühne gehen, danach weiß man nichts Näheres. Wäre schade um die Blues, denn vom Zentrum Helsinkis ist man nach einer knapp 20-minütigen Busfahrt in der etwas abgewohnten, aber immer noch schönen Metro-Areena.
Im nächsten Sommer wohl am begehrtesten: Kim Hirschovits, letzte Saison noch Liiga-MVP. Ein ausgezeichneter Playmaker, allerdings nicht allzu schnell zu Fuß.
Saipa hingegen weist einige aus der EBEL bekannte Namen auf: Brett Carson, wie in Wien solide und mit etwas Offensive. Kim Strömberg, in Znojmo hui, in Klagenfurt pfui, hier auch nichts Besonders. Auf einem anderen Level dagegen Linz-Kurzzeitlegionär Chad Rau: Mit elf Treffern aus 18 Spielen führt er die Liiga-Torschützenliste an und beweist, dass er in Linz weit unter seinem Wert gehandelt wurde.
12.11.: HPK Hämeenlinna – TPS Turku 1:5
Hämeenlinna, ungefähr auf halber Strecke zwischen Helsinki und Tampere gelegen, ist eine dieser typischen finnischen Kleinstädte: Die Gebäude genauso grau in grau wie das diesige Wetter, insgesamt möchte ich hier nicht tot über dem Zaun hängen. Die Ritari-areena ist allerdings ein erfreulicher Farbtupfen, ist sie doch gemäß den Klubfarben in knalligem Orange gehalten. Die knapp 5500 Plätze waren nur knapp zur Hälfte gefüllt, vom früheren Publikumsterror der „Schweinetribüne“ war nichts mehr zu spüren.
Auch auf dem Eis herrscht für HPK Tristesse, als eines der finanzschwächsten Teams sind die Ritter fast Jahr für Jahr eines der schwächsten Teams der Liga.
NHL-Erfahrung en masse auf dem Eis, allerdings natürlich in Verbindung mit einem gewissen Alter: Antti Miettinen (35) bei HPK, Tomi Kallio (38) und Petteri Nummelin (42) auf der anderen Seite. Überhaupt weist Turkus Paradeblock mit Dave Spina (32), Eric Perrin (40), Kallio, Nummelin und Henrik Tallinder (36) ein unglaubliches Durchschnittsalter von fast 38 Jahren auf! Zur Ehrenrettung dieser Oldieformation sei aber gesagt, dass vor allem Perrin und Nummelin (einstmals einer der besten Powerplay-Defender Europas) immer noch zu den besten Liiga-Cracks gehören. Für das Liganiveau spricht das dann allerdings nicht…
Bei HPK dagegen stehen mit dem kleingewachsenen Matias Haaranen und Joni Tuulola zwei 19-jährige Verteidiger im Lineup. Tuulola, ein Blackhawks-Draftpick, weist einen hier sehr bekannten Namen auf, ohne den es im HPK-Lineup nicht zu gehen scheint: Joni löste in der Vorsaison seinen damals 42-jährigen Vater und Team-Captain Marko in einer familiären Staffelübergabe ab. HPK gibt also auch aus Kostengründen den Youngsters eine Chance, kann aber dabei gar nicht auf die jeweils Besten zurückgreifen. Wie in der Tschechischen Republik wandern viele Youngsters in die nordamerikanischen Ligen ab, so wie heuer gleich fünf Spieler des U18-Nationalteams, darunter HPKs fast zwei Meter großer Defender Markus Niemeläinen. Im Lande bleiben dann oft wie hier nur die zweite Nachwuchsgarnitur.
Das Niveau des Spiels? Zeitweise erschreckend, die alten Herren von TPS kamen im Spaziergang zum Sieg, das Skill Level von HPK ist einfach ungenügend.
EBEL-Bezug: Höchstens ein indirekter. Miettinen wurde den EBEL-Spitzenteams schon angeboten, er wird seine Karriere aber in Hämeenlinna ausklingen lassen. Dave Spina ist als Italo-Kanadier ein Wunschspieler Bozens, der dynamische Eisläufer hat sich allerdings in der Liiga einen guten Namen gemacht. Der etwas rundliche Peter LeBlanc (HPK), von Patrick Pilloni vertreten, war auch bei einigen EBEL-Teams im Gespräch.
Bemerkenswert: Die Videowürfel bringen auch Wiederholungen von strittigen Fouls und Strafen, in der EBEL ein absolutes No-Go.
13.11.: HIFK Helsinki – KooKoo Kouvola 4:2
In Zeiten der Arenen mit ihren fast jährlich wechselnden Sponsornamen eine nette Abwechslung: HIFK trägt seine Spiele in der sehr zentralen „Jäähalli“ (= Eishalle) aus, die war mit 7500 Fans auch sehr gut gefüllt. Das Spiel war das bis dahin beste und intensivste meines Trips, die gute Stimmung übertrug sich auf das Eis, einige krachende Checks zu Beginn waren das Feedback der Cracks. HIFK gilt schon seit jeher als physisches Team, das auch gerne einen Enforcer im Kader hat. Allerdings war dieser – Defender Matt Generous – nicht mit von der Partie.
KooKoo, dessen Heimart Kouvola etwa 150 Kilometer von Helsinki gelegen ist, wurde heuer als 15. Team in die Liiga aufgenommen, in der nächsten Off-Season könnte ein 16. dazukommen. Der ohnehin nicht schon so große Talentepool wird dadurch weiter verdünnt, KooKoo, vor der Saison als sicherer Letzter angesehen, spielt aber eine sehr solide Saison.
Bemerkenswert die Unterschiede in der Spielauffassung: Kookoo ging das ganze Spiel von ihrem defensiven 1-3-1 nicht ab, HIFK checkte sogar in der Schlussphase tief mit einem oder gar zwei Stürmern vor. Insgesamt ist die Liga nicht annähernd so defensiv wie ihr Ruf, das offensive Problem ist vielmehr ein Mangel an talentierten Stürmern und Verteidigern. Ein kleiner rechtsschießender Puckmover wie KooKoos Ryan O’Connor, der weder in Davos noch in Zagreb große Spuren hinterließ, kann sich hier in den nächsten Jahren ein gutes Leben machen, wenn nicht ohnehin die KHL ruft.
HIFK hat den Abgang Jokerits in die KHL ohne Probleme verkraftet, gilt neben Kärpät Oulu und Tappara Tampere als finanziell und sportlich solide geführter Verein. Der Besuch von Eishockeyspielen ist wie so vieles in Finnland ein teurer Spaß: Für Stehplätze legt man ungefähr 20 Euro, für Sitzer zwischen 20 und 40 Euro ab.
HIFK hat neben aller Physis eine Reihe von guten Offensivbringern zu bieten, etwa den slowakischen Flügel Tomas Zaborsky, den smarten Teemu Ramstedt oder den bulligen Corey Elkins.
EBEL-Bezug: Bei HIFK keiner, bei KooKoo sind dagegen gleich drei ehemalige EBEL-Cracks engagiert. Josh Green, vor einigen Jahren zwischen NHL-Verträgen in Salzburg engagiert, ist trotz 38 Jahren der Topscorer des Teams und mit seiner Reichweite ums Tor herum sowie bei Faceoffs weiter eine Macht. Der Ex-Grazer Frederic Cloutier schaffte den Aufstieg in der letzten Saison und ist derzeit eine 1B-Lösung. Wie in Graz schwankt er zwischen spektakulären Saves und schrecklichen Fehlern. Center Matt Watkins, letzte Saison noch in Wien, centert die dritte Linie – vom Speed her hat er natürlich keine Probleme, im Abschluss sucht er jedoch zu oft den Nebenmann.
14.12.: Tappara Tampere – Jyp Jyväskylä 4:3
Zurück in der Hakametsä-Arena, der Unterschied zu Dienstag war spürbar. Mit über 7000 Fans ein fast volles Haus, dazu auch zwei gute Teams. Tappara nahm sich nach dem CHL-Spiel am Dienstag in Lulea keineswegs frei, absolvierte Mittwoch und Freitag gleich die nächsten Liiga-Spiele. Nach drei Niederlagen in dieser Woche kam der Sieg höchst gelegen, bei vielen Cracks blinkte schon die rote Reserveleuchte.
Beide Teams gehören mit Kärpät Oulu und HIFK zu den Vorzeigeorganisationen der letzten Jahre, basierend auf einer starken Jugendarbeit. So geben sich die NHL-Scouts heuer bei dem Tappara-Spielen auch ein Stelldichein, der 17-jährige Flügel Patrik Laine gilt als Kandidat für einen hohen Draftrang (Top 10?): Riesengroß, trotzdem ein sehr guter Eisläufer, unglaubliche Technik – ein End-to-End-Rush hätte fast zu einem Treffer geführt. Im Powerplay regiert er von den linken Halfboards und hämmert eine Scheibe nach der anderen aufs Tor. Charakterlich sagt man ihm Mängel nach, davon war auf dem Eis nichts zu sehen.
Ein sehr flottes Spiel, das Jyp nach einem 1:4-Rückstand am Ende fast noch gedreht hätte. Auf beiden Seiten agieren wie bei fast allen Teams einige Routiniers, die sind aber immer noch gut drauf. Bei Tappara der Powerplay-Spezialist von der blauen Linie, Teemu Aalto (37), bei Jyp der flinke Flügel Jani Tupparainen (35) und der schlaksige Defender Mikko Luoma (39).
EBEL-Bezug: Kein direkter, aber Kandidaten für die nächsten Jahre. Tappara-Center Stephen Dixon könnte nach vielen Jahren in Schweden und Finnland kein neues Pickerl für den Norden bekommen, seine Offensive ist schon seit einiger Zeit abgängig. Nolan Yonkman (34) ist nach langen Jahren in Nordamerika heuer erstmals in Europa aktiv, bringt bei Jyp seine Reichweite von fast zwei Metern ein, Offensive führt er keine im Angebot.
Fazit
Die Liiga leidet wie die tschechische Extraliga unter den unzähligen Abgängen der letzten Jahre. Alleine im letzten Sommer gingen neun finnische Cracks (Draftpicks und Free Agents) nach Nordamerika, wo wie erwähnt auch die besten Jungen ihr Glück suchen. Der größte Abnehmer ist jedoch die KHL – mit 44 Spielern ist Finnland dort der Hauptexporteur, Jokerit Helsinki, das der Liga imagemäßig sehr abgeht, ist dort weiß Gott nicht das einzige Team, das auf die finnische Karte setzt.
Was an guten Cracks übrigbleibt, reicht vielleicht für vier oder fünf Teams, bei 15 Mannschaften wird die Suppe dagegen sehr dünn. Die Nachwuchsarbeit, die über einige Jahre auch weniger Spitzencracks als um die Jahrtausendwende hervorbrachte, hat sich wieder verbessert, ist allerdings weit vom schwedischen Niveau entfernt.
Wo rangiert die Liiga im europäischen Vergleich? Sicher weit hinter der KHL und der SHL, danach kann man streiten. Die CHL-Ergebnisse sprechen dafür, dass sie vor der NLA und der Extraliga steht. Der Vergleich mit Tschechien, wo ich vor Wochen war (Hier geht's zur Story) ergibt durchaus Sinn: Beide verlieren ihre besten Cracks schon im Juniorenalter, in beiden Ligen gibt es nur wenige Spitzenklubs. Die Tschechen mögen über etwas mehr Skills verfügen, die Finnen gewinnen den Vergleich wohl durch die höhere Dynamik und Aggressivität.
Und wie steht die EBEL im Vergleich zur Liiga da? Unsere Spitzenteams können gegen die schwächeren Teams durchaus bestehen, Mannschaften wie Kärpät oder TPS zeigten aber den Caps und den Blackwings im Sommer nicht von ungefähr ihre Grenzen auf.