"The AHL goes west" - das war der Slogan vor zwei Jahren, als die American Hockey League in einem Zug fünf Teams nach Kalifornien übersiedelte.
Der Gewaltumzug vor zwei Jahren war der größte Move in der Geschichte der AHL seit 2001, als sechs Teams aus der den Spielbetrieb einstellenden IHL übernommen wurden. Vor allem die kalifornischen NHL-Teams arbeiteten schon seit Jahren hinter den Kulissen daran, um so wesentlich bessere Trainings- und Spielbedingungen zu schaffen.
LAOLA1-Scout Bernd Freimüller wirft einen Blick auf diese Massenmigration und die Gründe dahinter anlässlich einer Woche mit fünf Spielen in drei Städten sowie auf die alten und neuen Verhältnisse:
Diese NHL-Klubs sind mit ihren Farmteams in die Pacific Division übersiedelt:
Anaheim Ducks – Farmteam früher Norfolk (Virginia), heute San Diego Gulls
Los Angeles Kings – früher Manchester (New Hampshire), heute Ontario Reign (Kleinstadt unweit der Stadtgrenze von LA)
San Jose Sharks – früher Worcester (Massachusetts), heute spielt das Farmteam (San Jose Barracuda) in der eigenen Halle, oft als "Vorspiel" an NHL-Spieltagen
Calgary Flames – früher Glens Falls, New York, heute Stockton Heat
Edmonton Oilers – früher Oklahoma, heute Bakersfield Condors
Arizona Coyotes – erst im letzten Sommer von Springfield (Massachusetts) nach Tucson (Arizona), Roadrunners
Aus Tausenden Meilen Entfernung wurden so für vier Teams oft nur Hunderte – das macht vor allem das Nachholen von Spielern bei Verletzungen und das Scouting der eigenen Prospects wesentlich einfacher und kostengünstiger.
Dazu kommt noch: Die Pacific Division ist eigentlich ein Staat im AHL-Staate mit eigenen Regeln. Im Gegensatz zu den anderen Divisionen spielen die sechs neuen Teams hier nur 68 Spiele. Die anderen beiden Teams in dieser Division (Texas Stars und San Antonio Rampage) absolvieren dagegen (wie der Rest der AHL) 76 Spiele, was am Ende der Saison natürlich ein reichlich schiefes Tabellenbild abgibt und ein Ranking nach Prozentpunkten notwendig macht.
Weniger Spiele bedeuten für die Eigentümer – und das sind mittlerweile fast immer die NHL-Teams - zwar weniger Einnahmen, dafür aber erhöhte Spiel- und Trainingsqualität. Die gefürchteten "three-in-threes" (drei Spiele von Freitag bis Sonntag) entfallen völlig, am Sonntag wird auch nur selten gespielt. Wie mir Tony Borgford, ein alter Kollege aus Atlanta-Zeiten und nun Assistant Coach in Bakersfield, sagte: "Wir haben hier irgendwie einen Rhythmus wie im College – wir trainieren von Montag bis Donnerstag, spielen Freitag und Samstag, haben dann Sonntag frei". Das hilft vor allem den NHL-Prospects immens, was auch der Hauptgrund für diese Massenmigration war.
Auch die Reisekosten halten sich in Grenzen: Die sechs Teams spielen hier unzählige Male untereinander, dazu kommen noch die Spiele gegen die Texas Stars und San Antonio Rampage, wohin dann auch geflogen wird. Der etwas inzestiöse Charakter wird nur leicht aufgeweicht: Drei oder vier Teams aus der Central Division schauen einmal in der Saison vorbei und werden im Gegensatz auch angeflogen, im nächsten Jahr sind dann die anderen Teams aus dem Midwest an der Reihe.
Einige der "verlassenen" Teams (Norfolk, Worcester) spielen heute in der ECHL, für die Manchester Monarchs war die Übersiedlung nach Ontario aber tragisch: Sie fanden sich als regierender AHL-Champion und trotz sehr guter Zuschauerzahlen in einer schönen Halle eine Klasse tiefer wieder.
Die Zuschauerzahlen in der neuen Pacific Divison? San Diego führt die ganze AHL mit einem Schnitt von 9.000 Fans an, Ontario Reign ("Regentschaft", ein etwas sperriger, wenn auch nicht unlogischer Spitzname für das Farmteam der Kings) steht mit 7.500 Zusehern auch sehr gut da und kann angeblich auf einen Jahresgewinn von einer Million Dollar zurückblicken. Bakersfield braucht für seine 5.000 Fans sehr viele Werbeaktionen, die Spiele der San Jose Barracuda finden bei einem Schnitt von 3.800 Zusehern meist in einer ziemlich leeren NHL-Arena statt, wo der Oberrang auch mit schwarzen Tüchern verborgen wird. Stockton bildet mit 3.500 Fans das AHL-Schlusslicht.
Wie scoutet man die Pacific Division?
Ich war vor einigen Jahren anlässlich des Drafts in Los Angeles, ein abermaliger Besuch war für mich nur eine Frage der Zeit. Das Wetter und ein bisschen Sightseeing an meinem einzigen freien Tag ist hier natürlich um einiges verlockender als so trostlose und oft auch gefährliche Städte wie etwa Springfield oder Utica. Es gibt nur ein Riesenproblem: Der Verkehr in L.A. kann einem so manche Fahrt vergällen - ein Vergleich wäre die Südosttangente zur Stoßzeit auf zirka 16 Stunden am Tag ausgedehnt. Das macht es völlig unmöglich, die Reisezeit durch L.A. einzuschätzen. Stockton und San Jose sind Trips, die Übernachtungen notwendig machen. Bakersfield liegt knapp 90 Minuten nördlich von L.A., San Diego 90 Minuten südlich an der Grenze zu Mexiko. Ontario ist ca. 30 Minuten östlich von L.A. gelegen und sicher die einfachste Fahrt, wenn man auf der "richtigen" Seite von Los Angeles wohnt. Tucson liegt zwar in Arizona, ist aber auch mit dem Auto zu erreichen.
Mein Trip:
Drei Spiele in Ontario, jeweils eines in San Diego und Bakersfield. Vor allem die Fahrt nach Bakersfield über die historische Grapevine-Route (über 4.000 Feet hoch) war eindrucksvoll, auch wenn Bakersfield als Stadt weniger zu empfehlen ist. San Diego ist natürlich malerisch schön, von Ontario sah ich nur die Eishalle. Alle drei Hallen waren typisch nordamerikanisch: Geräumig, zwei Ränge, viel Platz zum Bewegen. Die Arena in San Diego ist schon etwas angegraut (1968), die in Ontario dagegen erst zehn Jahre alt.
Ganz optimal war der Spielplan nicht: Ich hätte gerne auch noch die Teams von Stockton und Tucson gesehen, der lange Trip kombiniert mit dem Verkehr und dem Jetlag wäre aber keine gute Kombination für eine Fünf-Stunden-Reise nach Stockton gewesen. So blieb es bei den drei Heimteams sowie San Jose, San Antonio und den Gästen aus Cleveland und Milwaukee.
Ganz untypisch für mein Scoutingleben: Ich konnte alle sieben Tage aus ein und demselben Hotel bestreiten, normalerweise steht fast jeden Tag ein Umzug an.
Die Spiele:
Ich hatte Glück - alle Spiele waren intensiv, oft auch knapp und durchwegs auf gutem Niveau. Einiger DEL-Manager waren heuer von den Spielen nicht angetan, als EBEL-gestandener Beobachter fand ich wenig Grund zur Klage. Die AHL ist immer mehr zu einer jungen und daher schnellen Liga geworden, die Intensivität dabei meist hoch. Nach zwei Jahren Pause gab es natürlich viele neue Gesicht zu sehen, aber auch alte Bekannte wie T.J. Hensick, Terry Broadhurst oder Brett Sutter, die schon zum Inventar der Liga gehören. Kommen solche Spieler (wieder) nach Europa? Ihre Stärken und Schwächen sind bekannt, es geht hier vor allem darum herauszufinden, wie viel Benzin sie noch im Tank haben. Dazu kommt natürlich eine Unzahl von Cracks, die wohl kaum NHL-Material bzw. AHL/ECHL-Borderliner sind. Dutzende von neuen Namen, eine stets anwachsende Liste von möglichen Importspielern und einige neue Kontakte abseits des Eises - da unterscheiden sich die einzelnen AHL-Divisions nicht untereinander.
Deutsche Spuren bei den Spielen:
Korbinian Holzer - der ewige AHLer unter den deutschen Spielern - bei San Diego und Jungtalent Manuel Wiederer (mit eher überschaubarer Eiszeit) bei den San Jose Barracuda vertraten Deutschland auf dem Eis. Der Trip der Eisbären Berlin nach Ontario während der Olympiapause hat (neben dem gemeinsamen Eigentümer AEG) weiter Spuren hinterlassen: Von den Eisbären-Fans und ihrer Stimmung wird hier weiter geschwärmt und die Playoff-Heimsiege gegen Wolfsburg auch mittels Scoreboard abgefeiert.
Dass auch mein Spielergedächtnis begrenzt ist, merkte ich nach einem Gespräch mit Bakersfield-Coach Gerry Flemming: Er sagte über seinen Spieler Zach O'Brien, dass dieser in der letzten Saison auch in Deutschland gespielt hatte. Ich habe normalerweise die Namen aller DEL-Cracks intus, der war mir aber neu. Ein Blick auf Eliteprospects zeigte: Seine kurze Station war Ravensburg in der DEL2, erst dann fiel mir wieder ein, dass ich ihn 2016 für ein EBEL-Team recherchiert hatte. Immerhin schaffte es O'Brien nach seinem kurzen Stint in der DEL2 wieder in die AHL und da sogar in die Topreihe nach Bakersfield.
Ex-EBEL-Spieler habe ich auf diesem ersten Teil meiner AHL-Reise keine gesehen, einige zukünftige wahrscheinlich schon. Letzteres wird sich wohl nach meinem Flug nach Chicago und den anstehenden Spielen im Midwest nicht ändern...