Nach Jahren der Dürre kann sich Eishockey-Österreich neuerdings doch immer wieder an Spieler beim NHL-Draft gewöhnen.
Mit Verteidiger David Reinbacher spielt die heuer heißeste Aktie in der Schweiz und gibt für das ÖEHV-Team beim Deutschland-Cup (10. bis 13. November) seine Premiere.
Reinbachers bisherige Karriere ist typisch für Vorarlberger Cracks: Der 18-jährige Hohenemser begann bei einem einheimischen Team (EHC Lustenau), ehe er via dem Grenzgängerteam EHC Rheintal endgültig über die Grenze ging.
Warum wurde es gerade der EHC Kloten? Reinbacher sagt im LAOLA1-Interview: "Mein Bruder hat schon dort gespielt, außerdem haben sie sich sehr um mich bemüht."
Nach einem Jahr des Pendelns - mit 14 Jahren war er für einen kompletten Umzug noch nicht bereit - folgte dann eine Dreier-Wohngemeinschaft in Zürich mit Vater Harald (spielte früher in Lustenau und Dornbirn) und Bruder Tobias (derzeit siebter Defender bei den Pioneers).
Profi-Debüt kurz vor seinem 17. Geburtstag, jetzt schon Leistungsträger
Danach der übliche (altersmäßige) Aufstieg von der U15 über die U17 bis zur U20, bevor er durchstartete: "Ich war eigentlich nur eine halbe Saison in der U20, habe dann letzte Saison schon die Gelegenheit bekommen, Profiluft zu schnuppern."
Das war keineswegs selbstverständlich - der EHC Kloten kämpfte nämlich darum, nach vier Jahren der Zweitklassigkeit wieder in die NL zurückzukehren. Das sollte dann auch gelingen, der damals 16- bzw. 17-Jährige war in insgesamt 41 Saisonspielen inklusive Playoffs mit von der Partie.
Die U18-WM mit Österreich - seine erste und einzige nach zwei Corona-Absagen - war etwas, über das er nicht gerne spricht. Kein Wunder, das ÖEHV-Team kam mit Ach und Krach um den Abstieg in die Viertklassigkeit herum.
Weder Reinbacher noch irgendeiner seiner Mitspieler kratzte hier auch nur annähernd an seiner Leistungsobergrenze, sodass sich Sportdirektor Roger Bader über den Sommer vom Trainerteam trennte.
In Kloten dagegen läuft heuer alles wie geschmiert, wenn nicht sogar besser - der immer offene Reinbacher: "Ich hätte mit einer so großen Rolle gar nicht gerechnet." Die siehe wie folgt aus: Eine Eiszeit, die immer mehr anwuchs, zuletzt durchgehend über 20 Minuten betrug.
Dazu noch eine führende Rolle im Powerplay als Point Man in einem 1-3-1 sowie auch zeitweilige Unterzahleinsätze. Als Eishockey-Österreicher belastet er natürlich nicht das Ausländerkontingent, doch ein derartiges Vertrauen ist auch in der Schweiz bei jungen Spielern keineswegs selbstverständlich.
"Potential für die erste Draftrunde"
Natürlich registrieren solche Leistungen auch die NHL-Scouts, die den späten 2004er-Jahrgang bisher höchstens von den U20-WMs kannten.
Der Schweizer Thomas Roost vom NHL-Central Scouting Service mit seiner Einschätzung zu Reinbacher: "Er hat fast nie Stress, bleibt auch unter Druck ruhig und gelassen. Er hat einen effizienten defensiven Stock, ist ein solider Puck-Mover und zeigt jetzt in dieser Saison auch offensive Akzente, auch mit Mut zum Risiko, nachdem er in der letzten Saison noch fast ausschließlich "High-Percentage" Hockey gespielt hat. Als groß gewachsener Rechtsschütze spielt er gegenüber der letzten Saison mit deutlich mehr Selbstvertrauen. Seine Mobilität ist ok und seine Skills sind auch ganz ok. Insgesamt ein interessanter Prospect mit recht gutem NHL-Potenzial."
"Ich bin nach dem Anruf erstmal 30 Minuten über dem Boden geschwebt."
Ein NHL-Scout sah es mir gegenüber ähnlich: "Ich habe ihn bisher zweimal gesehen und da war er der beste Spieler des EHC Kloten. Hat Potential für die erste Draftrunde. Seine Stärken sind vor allem seine Größe, sein Eislaufen (er ist beweglich in alle Richtungen) und sein Spielsinn. Er ist sehr ruhig auf dem Eis und sieht aus wie ein viel älterer Spieler. Sein Puck-Management ist auf einem sehr hohen Niveau. Seine Stocktechnik ist auch ziemlich gut für einen Verteidiger. Umgekehrt muss er noch körperlich stärker werden und ein bisschen besser in seinem eigenen Drittel spielen. Er ist auch nicht besonders physisch oder aggressiv."
Als Reinbacher "über dem Boden schwebte"
Aufgrund solcher Einschätzungen war es auch nicht überraschend, dass ihn Nationalcoach Roger Bader für den Deutschland-Cup erstmals einberief. Wo andere Cracks öfters desinteressiert absagen, sagt Reinbacher, der am 25. Oktober 18 Jahre alt wurde: "Ich bin nach dem Anruf erstmal 30 Minuten über dem Boden geschwebt."
Das Turnier in Krefeld wird durch seine Teilnahme auch einige europäische NHL Amateur Scouts anziehen, die ihn sonst nur in der Schweiz beobachten können. Die Junioren-WM findet heuer wieder in Kanada statt, es wird nach der abgebrochenen im letzten Dezember und deren Nachtrag im Sommer Reinbachers drittes Turnier sein.
Wie mit Kloten, das sich nach schwachem Beginn sehr gut in der NL zurechtfindet, geht es natürlich auch bei der Junioren-WM gegen den Abstieg, wobei Reinbacher neben Marco Kasper und Vinzenz Rohrer eine Schlüsselrolle einnehmen wird.
Neben diesen beiden Turnieren und den Einsätzen im Klubteam wird ihm wohl auch neben dem Eis nicht langweilig.
Neben der Führerscheinprüfung (Kapitän Steve Kellenberger fungiert derzeit noch als Fahrdienst) absolviert der Hohenemser auch eine Berufsausbildung. Nach zwei Jahren in der "United School of Sports" stehen jetzt noch zwei weitere Lehrjahre an, die er bei einem Klubsponsor im Bereich "Recruiting" absolviert. Sein Vertrag in Kloten läuft wie diese Ausbildung im Sommer 2024 aus.
Vorbilder? Ein Mix aus Roman Josi und Cale Makar
Mit 1,89 Metern und 85 Kilogramm gehört Reinbacher einer durchaus guten Gewichtsklasse an – der Kraftraum sieht ihn aber auch während der laufenden Saison mehrmals pro Woche von innen. Defender, denen er gerne zusieht? "Roman Josi, aufgrund seiner jahrelangen Konstanz in der NHL und Cale Makar wegen seiner unglaublichen Beinarbeit."
Reinbacher hat sich spätestens seit Beginn der Saison in den Scouting-Ranglisten nach oben gespielt. Sollte er verletzungsfrei bleiben und sein Niveau halten können, ist beim NHL-Draft vieles möglich.
Ich habe ihn seit der U18-WM nicht mehr gesehen, aufgrund meiner früheren Viewings und Informationen vergleiche ich ihn lose und vorläufig mit dem 2005 geborenen Tschechen Jakub Dvorak. Dieser hat beim Extraliga-Team Liberec ebenfalls einen Stammplatz inne, weist Gardemaß (1,95 Meter), dafür aber weniger Puckskills auf.
Gerade in Europa zeichnen sich heuer nicht viele herausragende Defender für den Draft ab - CSS billigt derzeit nur dem Russen Mikhail Gulyayev und dem Schweden Axel Sandin Pellikka Erstrundenstatus zu. Überhaupt dürfte der Draft-Jahrgang 2023 eher von Forwards geprägt sein.
Sollte Reinbacher seine Leistungen weiter konstant bringen können, wird keine Unzahl an Spielern vor ihm gedraftet werden. Österreich hat jedenfalls wieder Grund, sich auf einen weiteren (hohen) NHL-Draftpick zu freuen…