"Jetzt betritt Otto Rehhagel deutschen Boden" - so die unvergesslichen Worte von ZDF-Reporter Rolf Töpperwien bei der Heimkehr Werder Bremens nach dem Europokalsieg 1992.
So pathetisch muss man David Reinbachers Landung in Montreal nicht sehen, aber für ihn begann diese Woche sein Weg zur NHL-Karriere. Reinbacher: "Ich bin endlich hier" >>>
LAOLA1-Experte Bernd Freimüller mit einigen Eckpunkten:
Sein Vertrag
Reinbacher unterzeichnete seinen Entry-Level-Deal mit den Montreal Canadiens Wochen, nach denen er von ihnen an fünfter Stelle des Entry Drafts 2023 gezogen wurde. Anstatt der AHL ließ er sich jedoch eine "Assignment Clause" in den Kontrakt einbauen, mittels derer er die Saison beim EHC Kloten verbrachte.
Die österreichischen NHL-Fans und Medienvertreter kennen die Sachlage schon von den beiden Marcos (Rossi und Kasper): Wenn Reinbacher keine zehn NHL-Spiele jeweils heuer oder in der nächsten Saison bestreitet, verschiebt sich sein Vertrag immer um ein Jahr nach hinten. Er wird schon von den Canadiens bezahlt, aber sein Vertrag könnte so erst ab der Saison 2026/27 richtig schlagend werden.
In anderen Worten: Aus einem eigentlichen Drei-Jahres-Deal werden dann fünf Jahre, bevor ein neuer Kontrakt verhandelt werden muss. Der Zählerstand für die zehn NHL-Spiele pro Saison beginnt jeweils von vorne, beinhaltet aber auch Playoff-Spiele. Ob er in den Minor Leagues (AHL oder ECHL) oder in Europa spielt, hat keine Relevanz. Ab der Saison 25/26 fiele diese Schwelle weg, mehr als zwei Mal kann ein Vertrag nicht per „Slide“ nach hinten verschoben werden.
Heuer wird er mit Sicherheit nicht mehr auf zehn NHL-Games kommen, die Canadiens bestreiten nur mehr 14 Spiele und haben keine Chance auf die Playoffs. Selbst ein oder zwei Einsätze am Ende der Saison würden überraschen. Schon ein NHL-Spiel heuer würde ihn für die AHL-Playoffs nicht mehr spielberechtigt machen.
Reinbachers AHL-Gehalt von 82.500 Dollar wird natürlich nicht im Ganzen ausbezahlt, sondern nur für die aliquote Regular-Season-Zeit, die er in Laval bestreitet. Der AHL-Grunddurchgang endet am 20. April.
Warum übersiedelt er ausgerechnet jetzt nach Nordamerika?
Reinbacher war natürlich Kloten bis zum Ende der Saison verpflichtet und dieses kam jetzt abrupt: Eigentlich wären noch Relegationsspiele (zuerst gegen den NL-Letzten Ajoie) angestanden, diese Serie sowie die des Verlierers gegen den Swiss-League-Sieger wurden kurzfristig gecancelt.
Der Grund dafür: Aus der Swiss League kann kein Team aufsteigen, nachdem mit dem EHC Olten das letzte Team mit NL-Lizenz ausgeschieden ist.
Kloten bleibt als Vorletzter damit weiter in der National League, Reinbacher konnte quasi vom Eis in den Flieger nach Montreal steigen.
Warum Laval und nicht die Canadiens?
Das ist eine Entscheidung der Klubführung, aber auch die einzig logische: Nach einer durchwachsenen Saison - vor allem durch Verletzungen zu Saisonbeginn bedingt - ist Reinbacher derzeit doch weit von NHL-Niveau entfernt.
Auch wenn die Canadiens nur mehr bedeutungslose Spiele bestreiten: Reinbachers Weg führt mit weniger Druck über die AHL und das wäre auch für die nächste Saison sehr wahrscheinlich.
Wer ist/sind die Laval Rocket?
Laval liegt nordwestlich etwa zehn Kilometer außerhalb der Stadtgrenze Montreals. Die Rockets spielen in der Place Bell Arena, die 10.000 Zusehern Platz bietet.
Als Farmteam steht natürlich die Förderung der Canadiens-Talente im Vordergrund. Von den 25 Mann im derzeitigen Kader stehen 20 auf der Lohnliste der Canadiens, der Rest sind Free Agents.
Talenteförderung sollte auch Playoff-Spiele einschließen und das wird für Laval heuer sehr knapp: Von den sieben Teams der North Division qualifizieren sich drei direkt für die Endrunde. Die Teams 4 und 5 spielen eine Pre-Playoff-Serie (Best of Three).
Die Rocket (60 Spiele) stehen derzeit auf dem sechsten Platz, drei Punkte hinter den Toronto Marlies (58) und Belleville Senators (59). Insgesamt absolviert jedes Team 72 Spiele.
Im für die AHL nicht ungewohnten Wochenende mit drei Spielen in drei Tagen geht es für die Rocket (und wahrscheinlich für Reinbacher) gleich zur direkten Konkurrenz: Zwei Spielen in Belleville folgt noch eines in Toronto am Sonntag. Danach treffen sie noch vier Mal (!) auf die Senators.
Wie sieht die blaue Linie der Rocket derzeit aus?
Acht Verteidiger stehen derzeit im Kader.
Logan Mailloux ist die klare Nr. 1 im PP, der Erstrunden-Pick von 2021 führt in seinem ersten Profijahr das erste Unit. Jayden Struble (lange verletzungsgeplagt) absolvierte heuer schon 46 NHL-Spiele, Justin Barron 41. William Trudeau ist ein sehr solider Mann, der vielleicht seinen PP-Spot, aber nicht seinen Stammplatz an Reinbacher verlieren könnte.
Diese vier Mann sollten neben Reinbacher gesetzt sein, damit bleibt noch ein Platz übrig. Der bereits 27-jährige Brady Keeper ist ein typischer Minor Leaguer, den sich NHL-Teams gerne auf der Gehaltsliste leisten: Er kann aus dem Lineup fallen, ohne dass das große Wellen schlägt, ist aber da, wenn man ihn braucht und sein Tribünensitzplatz ist mit 250.000 Dollar gut gepolstert. Sein letztes Spiel datiert vom 7. Jänner, er wird der achte Defender bleiben.
Die Plätze sechs und sieben gehen damit an zwei von drei Cracks: Mattias Norlinder, ein 23-jähriger Schwede im letzten Jahr seines ELDs, der schon seit dem Camp mit seiner Form kämpft. Tobie Bisson (27) und Olivier Galipeau (26) sind Spieler ohne NHL-Deals, aber körperlich starke Defensivdefender mit durchaus guten Puckskills. Galipeau etwa ist in der ECHL ein PP-Mann. Beide Cracks spielen heuer sehr gute Saisonen, sie aus dem Lineup zu nehmen, würde die Mannschaft eher schwächen.
Die wahrscheinlichsten Scratches wären Galipeau oder Norlinder neben Keeper. Als Rechtsschütze könnte Reinbacher die linksschießenden Trudeau oder Bisson als Partner bekommen.
Kommt Reinbacher nach der Saison zum Nationalteam?
Das weiß nur der Himmel. Seine Saison in Laval könnte nach der Regular Season oder den Pre-Playoffs vorbei sein, das würde sich bis zum WM-Beginn am 10. Mai ausgehen.
Eine WM-Teilnahme bedingt allerdings die Freigabe der Canadiens, das Wollen Reinbachers und Agenten, die ihn nicht davon abhalten wollen. Bei der Junioren-WM wartete der ÖEHV vergebens auf den Vorarlberger, jetzt wären Hoffen und Bitten angesagt.
Selbst nach einer Saison, die für ihn erst später so richtig in die Gänge kam, wäre der 19-jährige der Top-Blueliner in Roger Baders Team…