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Dominic Zwerger: "Ich hatte viele dunkle Momente"

Dominic Zwerger gewann mit Ambri-Piotta zum Jahresende den Spengler Cup. Trotzdem war 2022 das schwierigste Jahr seines Lebens.

Dominic Zwerger: Foto: © GEPA

Der Spengler Cup in den Händen eines Österreichers - das gab es in der bald 100-jährigen Geschichte erst dreimal.

1923 wurde das älteste internationale Eishockey-Mannschaftsturnier erstmals ausgetragen, fünf Jahre später stemmte Herbert Brück mit dem Berliner Schlittschuhclub den Pokal als erster einheimischer Spieler in die Luft. Es sollte bis 2022 dauern, ehe gleich zwei ÖEHV-Cracks in den Genuss kamen, die prestigeträchtige Trophäe ihr Eigen nennen zu dürfen.

Zum Jahresende triumphierten Dominic Zwerger und Kilian Zündel gemeinsam mit dem HC Ambri-Piotta in Davos. Es war der krönende Abschluss eines Jahres, das vor allem für den 26-jährigen Zwerger viele Schwierigkeiten bereitgehalten hat.

Zwei Gehirnerschütterungen binnen zwei Monaten

Das vergangene Jahr begann für den gebürtigen Dornbirner passabel.

Während der Verein in der National League ein ständiges Auf und Ab erlebte, scorte der Schlüsselspieler beständig. Immer wieder legte er Scoring-Streaks hin, schraubte sein Punktekonto kontinuierlich in die Höhe. Zwischendurch riss Ambri der Faden, verlor der im Kanton Tessin gelegene Klub sechs Spiele in Folge.

Just zum Ende des Grunddurchgangs drehten die Weiß-Blauen mit dem Rücken zur Wand auf, retteten sich mit sechs Siegen am Stück in die Pre-Playoffs. Dort musste man in der "Best-of-three"-Serie gegen den HC Lausanne, dem heutigen Klub von Michael Raffl, ran.

Mit einem 2:1-Sieg im ersten Spiel in Lausanne sicherte sich Ambri-Piotta einen kleinen Vorteil und die Chance, zuhause den Sack zumachen zu können. Zwerger lieferte den Secondary Assist zum Siegtreffer, ging dementsprechend mit Selbstvertrauen in die Heimpartie.

Stattdessen kochten die Emotionen, die bereits im ersten Duell heiß gelaufen sind, in Ambri endgültig über. Im Zentrum des Geschehens stand Zwerger. Der Stürmer wurde von Lausanne-Verteidiger Fabian Heldner mit einem brutalen Open-Ice-Hit aus dem Spiel und in weiterer Folge aus der Saison genommen. Die Diagnose: Gehirnerschütterung.

"Ich hatte sehr viele dunkle Momente und schwierige Tage, weil ich nicht mal gewusst habe, ob ich am nächsten Tag aufwache oder nicht."

Dominic Zwerger

Ambri verlor danach zuhause mit 1:2 und war im Entscheidungsspiel auswärts mit 1:5 chancenlos. Doch das war Zwerger zu diesem Zeitpunkt wohl herzlichst egal. Die Genesung stand im Vordergrund, immerhin stand die A-WM in Finnland quasi vor der Tür.

Damit einhergehend auch die lange Vorbereitung des ÖEHV-Teams, zu der Zwerger Mitte April dazugestoßen ist. Bis zur Weltmeisterschaft sollte es der Angreifer jedoch nicht schaffen. Ausgerechnet im letzten Testspiel gegen Deutschland (1:3) verletzt sich Zwerger bei einem Check von NHL-Verteidiger Moritz Seider erneut.

Wieder lautet die Diagnose: Gehirnerschütterung. "Es war die zweite innerhalb von zwei Monaten", erzählt Zwerger im LAOLA1-Interview. Zwar flog der Vorarlberger mit dem ÖEHV-Team nach Finnland, musste aber noch vor dem ersten Gruppenspiel resignierend anerkennen, dass sich sein Gesundheitszustand nicht verbessert hat.

"Das war natürlich sehr bitter für mich persönlich", sagt Zwerger, der gleichzeitig sehr stolz war, "dass die Jungs den Klassenerhalt geschafft haben." Doch Zwerger selbst durchlebte damals die schwierigste Zeit seines Lebens, wie er rückblickend erzählt.

Gesundheitliche und mentale Auswirkungen

Über Monate hinweg verbesserte sich sein Gesundsheitszustand nicht, darunter litt mit Fortdauer auch die Psyche. "Ich habe sehr schwierige Momente gehabt", gesteht der Dornbirner. Sein Körper sei nach der zweiten Gehirnerschütterung "komplett runtergefahren, nichts ist mehr gegangen."

"Ich hatte sehr viele dunkle Momente und schwierige Tage, weil ich nicht mal gewusst habe, ob ich am nächsten Tag aufwache oder nicht. Es hat sich in die Länge gezogen, ich konnte den ganzen Sommer nichts machen", spricht Zwerger offen über diese Zeit.

Was diese Verletzung für seine Karriere bedeuten könnte, daran habe er nicht gedacht. "Meine Gesundheit war mir das Wichtigste. Der Rest war mir scheißegal", betont er. "Ich war wirklich so tief im Loch, dass ich einfach nur gesund werden wollte - nichts anderes."

Im Nachhinein ist er froh, frühzeitig vom ÖEHV-Team abgereist zu sein. Wer weiß, welche gesundheitliche Folgen ein WM-Einsatz bedeutet hätte. Unterstützung erhielt er in diesen schwierigen Monaten von seiner Familie, "vor allem von meiner Frau. Aber auch Ambri hat mir sehr geholfen. Dafür bin ich sehr dankbar", so Zwerger.

Arno del Curto will er dabei ebenfalls nicht vergessen. Die Trainer-Legende, seit November 2021 auch Assistenztrainer von ÖEHV-Teamchef Roger Bader, ist mit dem Vorarlberger eng verbunden. Del Curto und Zwerger kennen sich seit 2012, als der Stürmer im Nachwuchs des HC Davos spielte. Jenen Klub, den der Schweizer zwischen 1996 und 2018 coachte.

"Der Arno hat mich nach der Gehirnerschütterung jede Woche einmal angerufen oder mir geschrieben und gesagt, ich soll nichts überstürzen", erinnert sich Zwerger. Er solle sich seine Zeit nehmen, meinte Del Curto damals. "Es ist dein Leben, deine Karriere - komm nicht zu früh zurück."

In seiner jahrelangen Tätigkeit als Trainer erlebte der 67-Jährige viele solcher Verletzungen seiner Spieler, konnte Zwerger entsprechend mit seiner Erfahrung helfen. Auch als der 26-Jährige zu Saisonbeginn wieder auf das Eis zurückkehrte, aber noch mit Problemen zu kämpfen hatte, "hat er gesagt, dass ich nicht so viel auf die Resultate schauen soll, sondern einfach rausgehen und Spaß haben soll - so wie früher. Dann kommt der alte 'Zwergi' wieder zurück."

Wertvolle Unterstützung der Ambri-Fans: "Du bist einer von uns"

Und zum Jahresende hin ging es für ihn stetig bergauf, fand Zwerger seinen Scoring-Touch wieder. "Jetzt fühle ich mich wieder besser", bestätigt er. Das würde man nun auch an seiner Spielweise sehen. Beim Feiern geht der Österreicher wieder voran, die Fans lieben ihren Leistungsträger.

Nach jedem siegreichen Heimspiel heizt Zwerger die "Curva Sud" - die Fans auf der großen Stehplatztribüne hinter dem Tor - an. Im November sorgten gerade sie für einen berührenden Moment.

Während des Heimspiels gegen den EHC Kloten präsentieren die treuen Anhänger ein Banner, auf dem stand: "Du bist einer von uns. Denk immer daran."

Zwerger wusste diese tolle Geste zu schätzen und kam nach dem Spiel in Socken nochmals auf das Eis zurück, um sich zu bedanken. "Das war großartig und hat mich sehr stolz gemacht. Das zeigt wieder die Leidenschaft der Fans, die sie für den Verein und uns Spieler haben. Es zählt nicht immer nur, wenn es gut läuft, sondern sie stehen auch in schwierigen Zeiten hinter dir."

"Das hat mir viel Kraft und Selbstvertrauen gegeben und war so ein großer Schritt, dass ich jetzt wieder so spiele, wie ich es früher getan habe", bedankt sich der ÖEHV-Crack nochmal bei den Fans.

Die von Zwerger angesprochene Fan-Leidenschaft zeigte sich auch beim in Davos ausgetragenen Spengler Cup. Erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie 2020 wurde das Turnier wieder ausgetragen, "die Stimmung war unglaublich", hält Zwerger fest.

"Wir hatten am zweiten Tag nach unserer Ankunft schon um 15 Uhr das erste Spiel und ganz Davos war weiß-blau. Es war gefüllt mit Ambri-Fans, auch zwei Stunden vor Anpfiff war die Halle schon voll. Sie haben gesungen, uns in jedem Spiel extrem gepusht."

Doppeltes Hoppala im Spengler-Cup-Finale

So weit, dass es Ambri bei der zweiten Spengler-Cup-Teilnahme gleich ins Endspiel schaffte. Zuvor überstand man die Gruppe mit Örebro HK (Schweden) und IFK Helsinki (Finnland) souverän, fuhr mit 5:2 bzw. 7:3 zwei deutliche Siege ein. Im Halbfinale wartete Gastgeber HC Davos, der mit 5:0 aus der eigenen Halle geschossen wurde.

"Da haben unsere Fans sogar die Davos-Fans übertont, das war einzigartig", strahlt der Dornbirner heute noch. Erst im Finale wurde es erstmals richtig knapp, gegen Sparta Praha musste der Turnier-Sieger im Shootout ermittelt werden.

Dort wähnte sich Zwerger gleich zweimal im Triumph, stürmte jeweils jubelnd auf das Eis - obwohl das Spiel noch nicht zu Ende war. Er erklärt, wie es dazu kam: "Der Stadionsprecher hat durchgesagt, dass es nur drei Schützen gibt und wir haben auf der Bank geglaubt, dass es fertig ist."

Denn der erfahrene Dario Bürgler verwertete als zweiter Ambri-Schütze seinen Versuch, während das tschechische Team erfolglos blieb. Aber: "Es gab fünf Schützen", lacht Zwerger. Das zweite Missgeschick passierte ihm und seinen Teamkollegen, als Erik Thorell als letzter Praha-Spieler traf.

"Wir dachten alle, der Puck ist im Fanghandschuh von unserem Goalie und nicht hinter der Linie", erläutert er. "Da hatten wir uns getäuscht. Beim dritten Mal hat Inti Pestoni alles klar gemacht und es hat geklappt", war Zwerger erleichtert.

Der dritte Jubel sei dann auch umso schöner gewesen, "es war ein tolles Gefühl. Ich habe noch nie etwas Großes gewonnen, das ist schon ein sehr großes Turnier und auch für den Klub war das sehr speziell, weil Ambri hat in der Geschichte nicht sehr viel gewonnen und diesen Pokal nach Ambri zurückzubringen, war unglaublich."

Die "Zwergy Ultras"

Ganz besondere Stimmung herrschte kurz danach, als die zahlreichen Fans die Vereinshymne anstimmten. "La Montanara" - das Lied der Berge und gleichzeitig die schönste Hymne im Eishockey, wenn nicht sogar in der gesamten Sportkultur. Nur "You'll never walk alone" sorgt für ähnlich viel Gänsehaut.

Zurück in Ambri, schreitete Zwerger bei den Feierlichkeiten wieder voran. "Zwergy Ultras", war unter einem Twitter-Post des Klubs zu lesen, in dem das "Feierbiest" und seine Teamkollegen mit den Anhängern den Gewinn des ältesten Eishockey-Mannschaftsturniers zelebrierten.

Geht es nach dem Vorarlberger, war das freilich erst der Anfang. Der Klub hat nämlich einen ganz speziellen Platz in seinem Herzen. "Sie haben mich hergenommen, als ich ins Profi-Eishockey eingestiegen bin. Sie haben mir alle Chancen gegeben, mir immer weitergeholfen und nie an mir gezweifelt."

"Sie waren immer da für mich, deshalb habe ich letztes Jahr bei meiner Vertragsverlängerung auch gesagt, dass Geld nicht immer die erste Rolle spielt, sondern auch wo man sich wohlfühlt, wo man dich gut behandelt, gute Menschen um sich hat und das ist hier definitiv so."

Deshalb kann sich der 26-Jährige auch sehr gut vorstellen, seinen 2024 auslaufenden Vertrag erneut zu verlängern. Ein Leben lang für den Klub zu spielen, liege nicht alleine in seiner Hand, da habe die Familie ein großes Mitspracherecht. Doch es müsste schon viel passieren, um Zwerger aus Ambri wegzulocken.


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