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Hat Baumgartner eine Chance auf den Draft 2020?

Bernd Freimüller analysiert seine Baumgartner-Reports und wagt eine Prognose:

Hat Baumgartner eine Chance auf den Draft 2020? Foto: © GEPA

Mit einer überragenden U20-WM in Minsk spielte sich Benjamin Baumgartner wieder ins Blickfeld der Scouting-Szene, dazu kamen noch sehr gute Auftritte für den HC Davos zu Ende der letzten und während der heurigen Saison.

Reicht das für einen Platz im Draft 2020?

Möglich, Baumgartner war auf jeden Fall über Jahre einer der wenigen herausragenden österreichischen Nachwuchscracks. Ein Blick auf meine zahlreichen Berichte über die Jahre:

Meine Reports gehen bis ins Jahr 2016 zurück, Baumgartner war auch als Underager natürlich immer in den höheren Altersstufen gesetzt. Schon füh habe ich ihn (gemeinsam mit Defender Julian Payr) als größtes Talent des 2000-Jahrganges identifiziert, im Gegensatz zu Payr ging seine Kurve immer linear nach oben.

Ein Fragezeichen hinter der Physis

Bei einem Sommerturnier in Salzburg trumpfte er etwa gegen die Slowakei bei einem 5:2-Sieg groß auf, ein Hattrick von Benjamin Lanzinger ging größtenteils auf sein Vorlagenkonto. Seine Stärken waren damals schon evident: "Ausgezeichneter Puckhandler, kann die Scheibe in die Angriffszone tragen und dort verteilen. Dynamisch, beweglich, agil, kann sich mit Beinarbeit im Verkehr absetzen."

Auch einige Monate später hatten sich seine Stärken und Schwächen natürlich nicht verändert, ein Fragezeichen war seine Physis, ich traute ihm aber im Seniorenbereich einen durchschnittlichen Körperbau zu ("Should develop into medium-sized player").

Im immer mehr körperlosen Eishockey – ein Trend, der sich seit damals noch drastisch verstärkt hat – würde seine Beinarbeit etwaige körperliche Defizite ausgleichen können: "Dynamischer Eisläufer, gute Scheibenkontrolle selbst bei hohem Tempo, kann Gegner mit schnellen Körpertäuschungen abschütteln. Denkt Spiel schneller als andere Spieler."

Baumgartner-Sololäufe resultieren in Tore

Soweit die Aperitifs, die Hauptmahlzeiten waren natürlich immer die Weltmeisterschaften. Baumgartner sagte nie für ein Turnier ab, brachte es auf zwei U18- und drei U20-Weltmeisterschaften. Seine erste WM war die U18-WM in Bled im April 2017, wo er an der Seite von Marco Rossi spielte. Beides eigentlich Center, in späteren Turnieren spielten sie dann auch in getrennten Linien, vor allem um den Scoring Punch besser aufzuteilen.

Im direkten Vergleich schnitt er bezüglich Hockey Sense etwas schlechter ab, war aber – vor allem aufgrund des einjährigen Altersunterschieds – körperlich schon etwas weiter entwickelt. Die Voraussage, dass Baumgartner zum Senioren-Nationalspieler reifen würde, war damals schon keine gewagte, für mehr wollte ich mich allerdings nichts aus dem Fenster lehnen.

Acht Monate später stand für den gebürtigen Zeller die erste U20-WM an. In Frankreich spielte er ein sehr konstantes Turnier. Mehrere Sololäufe resultierten in Toren, ein Turnier, das ihn mehr als Torschütze denn als Vorbereiter sah (4 Tore/0 Assists). Für ihn untypische Cy-Young-Stats, er ist eigentlich etwas mehr ein Passgeber als Torjäger. Seine Beinarbeit war wie immer überragend: "Explosiv, kann mit und ohne Scheibe fliegen."

Knackpunkt U20-WM in Füssen

(Text wird unter dem Video fortgesetzt.)

In derselben Saison folgte noch die U18-C-WM in Kiev – wieder einmal kein Aufstieg, an Baumgartner lag es jedoch nicht: "Konstantester Spieler im Turnier. Hände, Beine, Übersicht sind ausgezeichnet." Im Gegensatz zu seinem letzten Turnier war er eher ein Vorbereiter: "More of a set-up guy than finisher, should shoot more." Der wichtigste Satz in meinem Report: "Macht Spieler um ihm herum besser."

Die U20-WM in Füssen im Dezember war dann sein einziges schwaches WM-Turnier – in der letzten Minute des letzten Testspiels erlitt er nach einem Schuss eine Gesichtsverletzung, die ihn sichtlich behinderte. Seine Performances wurden von Spiel zu Spiel verkrampfter, seine Schüsse verfehlten meist das Tor.

Bei der WM in Bratislava ersparte ich mit dann einen Report, zu unterlegen war Österreich in den meisten Spielen und Baumgartner als jüngster Spieler ging natürlich trotz guter Ansätze mit unter, hatte kaum Offensivaktionen. Als draftfähiger Spieler stand er natürlich unter Beobachtung der NHL-Scouts, der eine oder andere zeigte auch Interesse, doch die Kombination dieses Turniers mit dem von Füssen reichte nicht für einen Draft in seinem bereits zweiten Jahr der Verfügbarkeit.

Dazwischen spielte er auch noch (überraschenderweise) bei einem U19-Turnier in Spittal, die einzige Erkenntnis daraus war, dass er sich von seinen oft limitierten Mitspielern natürlich krass abhob.

Famoser Saisonausklang als Draft-Dosenöffner?

Foto: © GEPA

Spieler, die in ihr drittes Draftjahr gehen, sind normalerweise keine hohe Priorität für die Scouts. Allerdings hatte Baumgartner einen guten Saisonausklang mit Davos hingelegt, war auch in der Saison 19/20 Stammspieler und Punktesammler. Diese Verfassung brachte er auch nach Minsk mit, wo er der Schlüsselspieler beim sensationellen Aufstieg in die A-Gruppe war. Baumgartner schnallte sich als Center der Toplinie (mit Paul Huber und Senna Peeters) das Team auf den Buckel und dominierte das Turnier fast nach Belieben.

11 Punkte (5&6) in fünf Spielen, mein Report für "Red Line Report" fiel dementsprechend positiv aus: "One of top pure skaters here with excellent edge work." Weiters: "Schüttelt Gegenspieler an den Banden ab und spielte großartige Pässe von dort. Ausgezeichneter Motor, fällt bei jedem Shift auf und kreiert Chancen auf kleinen Räumen."

Mein Schlusssatz aus vier Jahren und neun Reports: "Top-Spieler bei U20-WM, bereits Impakt in Seniorenliga. Überwiegt das seine Größe und bereits drittes Draftjahr?"

Indizen für Draft stehen gut

Ganz würde ich meine Hand noch nicht ins Feuer legen, dass Baumgartner wirklich gedraftet wird, aber die Indizien sind gut, ein Großteil der NHL-Teams unterhielten sich bereits mit ihm. Spieler, die bereits in ihrem dritten verfügbaren Jahr stehen, werden oft gegen Ende des Drafts gezogen, was auch hier realistisch erscheint.

Sollte sein Name nicht aufgerufen werden, wäre er sogar noch ein viertes Jahr draftberechtigt (eine Besonderheit für Europäer), bevor er Free Agent würde.

Die heurige Saison sollte er aber definitiv in Davos bestreiten, eine große Offensivrolle in der Swiss National League wäre sicher besser als eine ungewisse Rolle in einer verkürzten AHL-Saison – ganz abgesehen davon, dass der neue CBA dies eigentlich auch ausschließt…

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