Die American Hockey League ist schon seit Jahrzehnten ein wichtiger Legionärs-Zubringer für die DEL oder EBEL/ICE. Aber in den letzten Jahren sind immer weniger Spieler bereit, den Weg in diese Ligen anzutreten. Hauptgrund dafür: Die Gehaltssteigerungen in der AHL über die letzten Jahre.
Ich komme mir ja vor wie der Großvater, der Geschichten aus dem Zweiten Weltkrieg erzählt. Aber ich erinnere mich noch an Zeiten, als AHL-Topleute wie Marty Dallman, Ross Fitzpatrick oder John Miner in Wien andockten. Das war Ende der 80er-Jahre und hat mit der Eishockeyszene fast 30 Jahre später nichts mehr zu tun, wäre heute auch völlig unvorstellbar.
Aber in den letzten Tagen habe ich mich wieder einmal eingehender mit der AHL beschäftigt, mir einige Spiele angesehen. Per Bildschirm eh schon schwierig, was auch in weit weniger und unschärferen Reports als bei Live-Partien resultiert.
Vor dem Spiel immer wichtig: Spieler auszusortieren. In seinem Entry-Level-Deal? Kein Thema. Heuer noch NHL gespielt? Unwahrscheinlich. Schwede, Finne oder Russe? Kehren im Fall der Fälle in ihre Heimatländer zurück. Da schränkt sich der Kreis schon ein, ein Faktor kam da in den letzten Jahren noch dazu: Das AHL-Gehalt.
Nicht, dass mich noch etwas überraschen könnte, aber trotzdem hatte ich mein persönliches Aha-Erlebnis beim Spiel zwischen Wilkes-Barre und Belleville aus dem Dezember. Mit Bokondj Imama spielt für Belleville ein 26-jähriger Flügel, den man in die Kategorie "Shift Disturber" einordnen kann: Arbeitet, spielt physisch, bei Reibereien meist an vorderster Front. Offensiver Output: Praktisch null (heuer ein Tor in 29 Spielen).
Ein Rollenspieler halt, der auch in Europe kaum Hoffnung auf große Scorerzahlen erwarten ließe. Sein AHL-Gehalt in seinem Zwei-Weg-Vertrag mit den Pittsburgh Penguins: 325.000 Dollar!
Nichts spiegelt den Preisanstieg in dieser Liga so gut wider wie dieser Preiszettel für einen Bottom-Six-Player. Kein Wunder, dass jeder DEL-Manager schon seit Jahren über diese Gehälter stöhnt, war die AHL über Jahren ein wichtiger Zubringer für diese und andere europäische Ligen.
Kein Salary Cap
Zur Erklärung: Im Gegensatz zur NHL, aber auch zur ECHL gibt es in der AHL keinen Salary Cap. Es gibt auch sonst keinerlei Kaderbeschränkungen, die Teams können sich eine unbegrenzte Anzahl an Spielern leisten.
Die einzige größere Einschränkung: Auf dem Spielbericht dürfen maximal sechs "Veterans" stehen, die über 260 bzw. 320 Profispiele absolviert haben. Umgekehrt sind die jungen Spieler auf Entry-Level-Deals automatisch billig, ihre AHL-Gehälter sind mit 82.500 gedeckelt. Das Mindestgehalt in der AHL beträgt heuer 52.725 Dollar.
Einige NHL-Teams betreiben ihre Affiliations selbst, andere teilen sich die Kosten dafür mit lokalen Eigentümern. Während einige Teams als Pfennigfuchser bekannt sind (etwas die Islanders mit dem Farmteam in Bridgeport), gilt etwa bei der Verbindung Washington Capitals/Hershey Bears schon seit langem, dass die Minor League Cracks dort ein Heidengeld verdienen.
Ähnliches galt über Jahre für die Chicago Wolves, die immer teure Veterans anlockten. Seit heuer sind sie das einzige AHL-Team ohne NHL-Verbindung, was zuletzt 1994/95 der Fall war. Sie müssen daher all ihre Kosten selber tragen, was aber für Eigentümer Don Levin kein Problem darstellt. Wie großzügig er agiert, durfte ich als Scout der Atlanta Thrashers selbst feststellen. Bei beiden Calder-Cup-Siegen seines Teams (2005, 2008) als Atlanta-Farmteam ließ er für sämtliche Thrashers-Scouts Championship-Ringe anfertigen und die waren keineswegs aus Talmi gemacht.
Viele Kosten bleiben bei den Spielern
Bei den Gehältern muss man berücksichtigen, dass die AHL-Cracks ihre Unterkünfte selbst zahlen müssen (was vor allem in Orten wie San Jose oder San Diego ordentlich ins Geld geht), dazu auch ihre Autos. Einzig Essen wird meist rund um die Trainingseinheiten bereitgestellt, auch die Flüge vor und nach der Saison werden bezahlt.
Die Steuern sind je nach Staat und Bundesstaat verschieden, dazu kommen noch Agentengebühren, die im Gegensatz zu Europa von den Spielern selbst bezahlt werden. Insgesamt muss man schon damit rechnen, dass die Hälfte des Gehalts auf der Strecke bleibt.
Die NHL-Teams haben aber in den letzten Jahren kein Problem damit, Kaderspieler mit größeren AHL-Summen anzulocken bzw. zu behalten, selbst wenn diese für die NHL höchstens kurzfristige Springer darstellen.
Die Wild als Beispiel
Ein Blick auf Marco Rossis Minnesota Wild und deren NHL-Kaderspringer beweist dies. Vinni Lettieri: 550.000 Dollar. Nick Petan: Ebenfalls 550.000 Dollar. Jujhar Khaira: 300.000 Dollar. So vorsichtig GM Bill Guerin bei den NHL-Gehältern vorgehen muss, so großzügig kann er bei den AHL-Zahlungen auftreten.
Noch ein Rundblick auf AHL-Stars, die in früheren Jahren wohl schon längst den Schritt nach Europa gewagt hätten: Cooper Marody (27, ehemals kurz in Dornbirn tätig): 400k. Michael Sgarbossa (31): 525k. Über-Drüber-Playmaker T.J. Tynan (31), in Europa von WMs mit Team USA bekannt: 775k. Alex Belzile (32), der sich über Jahre in der ECHL herumschlug: Ebenfalls 775k. Philippe Maillet (31), der in zwei Jahren in Magnitogorsk sicher auch nicht für Peanuts spielte, ist da mit 400k fast schon wohlfeil. Bei ihm beträgt das AHL-Gehalt eigentlich 350.000 Dollar, die 400.000 sind aber auch garantiert, falls er durch NHL-Abstellungen nicht ohnehin über dieser Summe liegt. Diese Garantiesummen sind auch eine Erfindung der letzten Jahre.
Große Schwankungen zwischen den Cracks
All diese Cracks haben NHL-Summen knapp über dem Mindestgehalt (750.000 Dollar) in ihren Verträgen, in dieser Liga wären sie also billig angesiedelt. Aber beide Seiten wissen, dass NHL-Anforderungen höchstens kurzfristig ausfielen, die AHL-Gehälter sind daher entscheidend.
Für Spieler mit reinen AHL-Kontrakten (also weder NHL-Ein- oder Zwei-Weg-Verträgen) sind die Unterschiede natürlich größer: Vom AHL-Mindestgehalt von eben 52.725 kann es noch runter gehen, nämlich Spieler, die nur mit reinen ECHL-Verträgen ausgestattet sind. Sie würden bei einem ganzen Jahr in der AHL knapp 10.000 Dollar weniger verdienen.
Am anderen Ende der Skala Spieler wie Michael Mersch (31), ein langjähriger Goalgetter und Kapitän, oder die Wolves-Crew um Superzwerg Rocco Grimaldi und den aus Europa bekannten Defender Matt Donovan. Sie alle würde ich im Bereich um die 500.000 einschätzen, ihre Gehälter sind aber nicht öffentlich einsehbar.
Warum es seit 2012 mit den Geldern aufwärts geht
Wann sind die AHL-Gehälter so durch die Decke gegangen? Nicht von einem Tag auf den anderen, aber der NHL-CBA von 2012 war ein wichtiger Wendepunkt. In ihm wurden nämlich die Re-Entry Waivers abgeschafft.
Davor musste jeder Spieler mit einem AHL-Gehalt von mehr als 105.000 Dollar bei einer Anforderung durch die NHL durch die Waivers. Da überlegte sich so manches Team, eher einen anderen Spieler anzufordern, den sie so nicht verlieren konnten.
Umgekehrt musste ein Spieler im Sommer überlegen, ob er im Zweifelsfall lieber eine größere NHL-Chance oder mehr Gehalt bevorzugen würde. Diese Re-Entry Waivers gibt es seit knapp zehn Jahren nicht mehr, die AHL-Summen beeinflussen die Chance auf abermalige NHL-Einsätze nicht mehr.
Was natürlich auch eine gewichtige Rolle spielt: Die Zeiten, als der Euro weit über dem Dollar stand (Höchststand fast 1, 60), sind schon lange vorbei, jetzt herrscht zwischen den beiden Währungen fast Parität.
ICE muss nehmen, was bleibt
Welche Spieler bleiben da heute noch für Europa übrig? ECHL/AHL-Borderliner, Spieler mit AHL-Mindestgehältern oder vielleicht ältere Cracks, die einfach keine Angebote mehr erhalten. KHL- oder SL-Teams können immer noch mit großen Rubel- oder Frankensummen locken, das natürlich netto und mit bereitgestellten Wohnungen und Autos.
Doch die meisten ICE-Teams, wo zwischen 40 und 80.000 Euro zu lukrieren sind, tun sich mit AHL-Zuzügen von Jahr zu Jahr schwerer, die ECHL nimmt heute fast den Status ein, den früher die AHL innehatte.
Mit Spielern wie Graham Knott oder Shawn St-Amant wurde Linz mehr als nur glücklich, die Capitals mit Evan Weinger oder Bozen mit Connor Ford etwas weniger. Bei Torhütern zog Bozen mit Sam Harvey einen Volltreffer, der ungleich routinierterer Kevin Boyle floppte ein Jahr zuvor.
Auch in der Zukunft wird es Spieler aus der AHL nach Europa oder Deutschland schwappen, der Markt wird aber von Jahr zu Jahr schwieriger. Die ICE, die eher in der Mitte der europäischen Ligen angesiedelt ist, muss dann noch öfters nehmen, was übrigbleibt...