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LAOLA1-Scout über den weltbesten Nachwuchs

LAOLA1-Scout Freimüller über Top-Nachwuchs und kommenden Superstar.

LAOLA1-Scout über den weltbesten Nachwuchs Foto: © GEPA

Eine willkommene Abwechslung vom heimischen Eishockey für Bernd Freimüller: Bei den U18- und U20-Events in Kravare und Hodonin (beide Tschechien) präsentierten sich die weltbesten Junioren vor knapp 200 NHL-Scouts. Ein Blick auf die Turniere und Tendenzen im Welt-Eishockey...

Auf Einladung des US-Scouting-Magazins "Red Line Report" durfte der LAOLA1-Scout die Turniere covern. Neun Teams, 190 Spieler, dabei Cracks, die im nächsten Draft top sein werden. Und ein alles überragender Weltklassespieler!

Jack Hughes - der kommende Superstar!

Ich habe Connor McDavid in seiner Zeit als Junior nie live gesehen, aber er könnte auch der einzige Nummer-1-Draftpick der letzten Jahre gewesen sein, der einen ähnlichen Impakt wie der 17-jährige Center aus Orlando in Florida hatte.

Jack Hughes (geboren am 14. Mai 2001/Bild oben) demolierte die Gegner beim U18-Turnier nach Belieben – 16 Punkte (6 Tore/10 Assists) in vier Spielen, solche Scorer-Zahlen sieht man normal nur bei weit schwächer besetzten Turnieren oder jüngeren Jahrgängen.

Seine Shifts muss man sich so vorstellen: Meist nahm er die Scheibe im eigenen Drittel, überspielt mit vollem Speed die Forechecker und macht dann punktgenaue Plays oder scort selbst. Im Angriffsdrittel umkurvt er die Gegner von rechts nach links oder vorne, hält die Scheibe nach Belieben und lässt Defender kaum an sicher herankommen. Selbst wenn er bei einem Shift die Scheibe einmal zu lange hielt, gelang ihm der nächste nach Wunsch.

Zauberhafte Hände, eisläuferisch top

Tolle Körperbeherrschung, stark auf den Schlittschuhen, zauberhafte Hände, weiß genau, wo seine Mitspieler stehen und die Scheibe folgt ihm wie ein Hund dem Stöckchen – er bringt alles außer Größe (179 cm bei 76 kg) mit und das wird für ihn auch in der NHL kaum eine Rolle spielen.

Ich habe mir für ihn genau die gleichen Notizen gemacht wie für viele Spieler ohne Draft-Chancen – nämlich keine. Das war auch nicht notwendig, denn ich kann mich noch Tage später an Highlights erinnern, etwa als er in Unterlegenheit einen Schuss von den Endboards via Goalie ins Netz beförderte oder mit einem tollen Solo zwischen zwei Defendern seinen zweiten Treffer innerhalb von 34 Sekunden erzielte.

Ohne alle Draft-Kandidaten zu kennen, aber Hughes wird die Nummer 1 werden, das war schon vor dem Turnier klar und in Tschechien wohl auch für jedermann sichtbar – fast ein Spieler von einem anderen Stern, weitere Scouting Trips sind bei ihm wohl nur eine Zugabe...

Die US-Amerikaner – die neuen Europäer

Es ist schon lange her, dass die USA und Kanada mit den sogenannten nordamerikanischen Tugenden bei den Turnieren in Europa Erfolg haben wollten.

Die USA spielt inzwischen europäischer als die meisten europäischen Teams – Eislaufen und Stocktechnik stehen im Vordergrund, die Größe ist völlig zweitrangig, Körperspiel wird nicht aktiv gesucht.

Ob Trevor Zegras (wäre in jedem Team ohne Hughes der absolute Nummer-1-Center), der explosive und schussstarke Code Caufield (mit knapp 173 cm der kleinste Spieler im Turnier) oder der so mobile Defender Cam York – sie alle definieren sich nicht über ihre Körpergröße, sondern ihre Cleverness und läuferische Fähigkeiten.

Sie alle sollten hohe Picks werden, auch in der NHL hat über die Jahre ein Umdenken eingesetzt. Ein Spieler wie Caufield wäre früher nie und nimmer (hoch) berücksichtigt worden, der Erfolg von Chicagos Alex DeBrincat sollte auch ihn in die NHL spülen.

Ein Riesenvorteil der USA: Sie können mittlerweile auch Spieler aus Staaten wie Kalifornien (York), Florida (Hughes) oder Texas (Winger Michael Gildon) rekrutieren, die früher Eishockey-Nirvanas waren. Dadurch können sie mit ihrem Ganzjahres-Programm in Plymouth schon in der U17 die Spieler von überall anlocken und wirklich nur die absolut Besten behalten.

Der Trend im Nachwuchs-Eishockey war vor allem im Spiel gegen Tschechien zu sehen: Die flinken Amerikaner hatten beim 5:2 keine Probleme. Der Gegner schien zwar mit dem Maßband (Durchschnittsgröße knapp 1,85 Meter) zusammengestellt zu sein, konnte sich aber nur vor dem eigenen Tor zusammenballen, um so das Schlimmste zu verhindern, was vor allem Goalie Lukas Parik auch tat.

Kein Vorwurf an die Tschechen, aber sie verfügen halt nicht über Spieler mit Größe UND Talent. Bei den USA hingegen sind großgewachsene Cracks wie Defender Alex Vlasic und Center John Beecher durchaus auch mit guten Händen ausgestattet, vor allem Vlasic sah mir ganz nach einem Top-10-Pick aus.

2001er im 1999er-Turnier 

Bezeichnend für das finnische Eishockey: Im Zweifelsfall spielen ihre größten Talente schon bei der U20, nicht nur in der Vorbereitung, sondern dann auch bei der WM.

Das gilt natürlich auch für andere Teams, bei den Suomis aber immer am meisten. So hatte ich die Chance, mit Center Kaapo Kakko einen potentiellen Top-5-Pick im Vergleich mit den russischen Flügel Vasili Podkolzin zu sehen. Beide spielten in Hodonin beim U20-Turnier, zeigten immer wieder auf, konnten aber natürlich nicht so dominieren, wie sie es bei der unteren Altersstufe gemacht hätten.

Da muss man an und ab zwischen den Zeilen lesen, doch Kakko – bei TPS Turku Stammspieler – und Podkolzin sind schon mit 17 Jahren eher Männer als Jugendliche, beide mit sehr guter Puckbehandlung im Verkehr, die auch Plays machen können, wenn ihnen körperlich starke Gegner am Hals hängen.  

Die beiden finnischen Defender Ville Heinola und Mikko Kokkonen liefen als Jahrgang 2001 ebenso schon gegen 1999 Geborene auf, beides sind Vertreter der neuen Defender-Schule: Klein, aber mobil, Puckträger mit guten PP-Fähigkeiten.

Die Schweiz als Schlusslicht

Kein Punkt, Tordifferenz 5:30 – die Schweiz kam beim U18-Turnier arg unter die Räder, war in jedem Spiel chancenlos.

Der Jahrgang 2001 ist für die Eidgenossen ein sehr schlechter, das sah ich schon im letzten Jahr bei einem U17-Turnier. Doch zur Häme besteht natürlich gerade für einen Österreicher keine Grund: Auch dieses Team wird sich wohl in der A-Klasse behaupten und wäre einem gleichaltrigen rot-weiß-roten Nationalteam sicher überlegen, obwohl gerade diese Altersklasse mit Marco Rossi einen Ausnahmekönner bereithält.

Die Ergebnisse der Schweizer in Tschechien zeigen, wie sehr sie den Top-Nationen hinterherhinken, gleichzeitig, wie weit Österreicher von der (oberen) Mittelklasse entfernt ist. Nicht, dass diese Gedanken sonderlich originell wären, aber mir fällt es schwerer als anderen Scouts, die Schweizer für ihr Spiel hier zu kritisieren, wenn Österreich schon seit Jahren gegen Nationen wie die Ukraine, Ungarn oder Rumänien antreten muss.

Skaten und gute Hände im Verkehr sind gefragt

Kein neuer Trend, aber von Jahr zu Jahr verstärkt: Skaten ist im Eishockey heute das Um und Auf.

Zufällig sah ich dieser Tage im TV einige Ausschnitte aus den 1970er-Jahren, mir fielen schon nach Sekunden Spieler auf, die damals zumindest nationale Klasse waren, heute aber schon im Nachwuchs-Eishockey wegen schwerer eisläuferischer Mängel aussortiert werden würden.

Immer mehr Speed, das gilt durchaus auch im österreichischen Nachwuchs-Betrieb, wo viele Cracks mit hohem Tempo rauf und runter fahren können. Doch das oft ohne Plan und Ziel, zumindest im Vergleich zur Weltklasse: Die Top-Cracks in Kravare und Hodonin sehen auch im höchsten Tempo das Eis gut, fahren nicht in Sackgassen und trennen sich rechtzeitig vom Puck.

Viel wichtiger als Top-Speed auf langer Distanz: Die Beweglichkeit und Handlungsschnelligkeit auf engstem Raum. Oft treffen sich alle Cracks auf der Hälfte des Enddrittels und hier gilt es dann natürlich Passing- und Skating Lanes zu finden. Was nach einem permanenten "Overload" aussieht, ist nur die Normalität im Spitzen-Eishockey.

Körperspiel und Schlagschüsse sind "old school" 

Was neben Körperspiel fast völlig verschwunden ist: Schlagschüsse. Vor allem die Top-Defender wie Vlasic oder York begnügen sich damit, die Scheibe mittels Wrister vor das Tor zu bringen, ein Slapper hätte aufgrund des Drucks der Gegner und der vielen Shotblocker kaum eine Chance, durch den Verkehr zu kommen.

Auch dass ein Winger seinen Flügel rauffährt, um dann mit einem Schlagschuss den Goalie zu bezwingen, kommt nur mehr in alten Videos vor, zu gut und zu groß sind mittlerweile die Torhüter. Schnelle Richtungsänderungen, kurze Drehungen und Pässe durch den Slot, Verkehr vor dem Tor – so fallen heutzutage die Tore.

Es war eine stressige, aber schöne Woche – zwölf Spiele in sieben Tagen (inklusive je eines KHL- und CHL-Spiels), danach noch die Hausaufgaben mit Reports über etwa ein Drittel der Spieler der beiden Turniere. Da das sommerliche Ivan-Hlinka-Turnier heuer erstmals in Edmonton ausgetragen wurde, war das für mich die erste Gelegenheit, den kommenden Prospects auf die Kufen zu schauen.

Vor allem im Falle des US-Teams – sicher eines der besten U18-Teams der Eishockey-Geschichte – war das ein uneingeschränktes Vergnügen.

Eislaufen, Eislaufen und nochmals Eislaufen...

Doch ein Gedanke, den ich bei vielen heimischen Nachwuchs-Spielen schon immer hegte, hat sich in dieser Woche noch verstärkt: Das Eishockey von heute kehrt immer mehr zu seinen Wurzeln zurück, nämlich zum schwedischen "Bandy".

Eislaufen, Eislaufen und nochmals Eislaufen steht im Vordergrund, Körperspiel findet kaum mehr statt. Liebhaber von physischem Spiel – und dazu gehören viele altgediente Scouts, die mit diesem Stil aufgewachsen sind – müssen umdenken oder sich eine andere Sportart suchen...

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