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Lohnt sich eine Eishockey-Reise in die Slowakei?

Über eine Liga mit bekannten Namen - die jedoch abgebaut hat:

Lohnt sich eine Eishockey-Reise in die Slowakei? Foto: © getty

Nach dem Bericht über die tschechische Extraliga (HIER nachlesen>>>) wird nun die slowakische Extraliga unter die Lupe genommen.

Zwölf Teams, alle in Augenschein genommen und ein Fazit über eine Liga, die absolut nicht zur Europaspitze gehört.

Ein Reisebericht von LAOLA1-Experte Bernd Freimüller:

Die Geografie der Liga

Bratislava, Trencin und Nitra im Westen der Republik gelegen, dazu kommt noch Nove Zamky im "ungarischen" Teil – diese vier Heimstätten bieten sich für Tagestrips an. Zvolen und Banska Bystrica im der Mittelslowakei sind schon weiter entfernt, beide Städte liegen in einer Distanz voneinander wie Klagenfurt und Villach.

Die andere Hälfte der Liga ist im Osten beheimatet und zwar in der Reihenfolge Liptovsky Mikulas, Poprad, Spisska Nova Ves, Presov, Kosice und Michalovce, von wo die ukrainische Grenze wirklich nur mehr unweit entfernt ist.

Diese Ostlastigkeit ist heuer so ausgeprägt wie nie zuvor – Spisska Nova Ves stieg sportlich auf, Presov (mit einer renovierten Halle) kaufte dem Dorfklub Detva die Lizenz ab und kehrte nach 23 Jahren in die Extraliga zurück.

 

(Text wird unterhalb fortgesetzt)

Da im Gegensatz zu Tschechien alle Hallen außer Bratislava reine Eishallen sind, müssten dort keine Spiele verschoben werden. Das bedeutet, dass die Spieltage Freitag, Sonntag und ab und zu Dienstag weniger aufgeweicht werden als in Tschechien, wo außer Montag und Samstag fast immer gespielt wird.

Das macht das Scouting in der Slowakei etwas zeitaufwendiger, nicht alles kann ich aus dem Osten abdecken. Ein Trip mit Spielen in Spisska Nova Ves, Presov und Nitra bedeutet halt zwei spielfreie Tage zwischendurch, dafür habe ich die Liga endgültig abgedeckt und weiß, welche Teams ich nochmals sehen will.

Das Niveau der Liga

Weit hinter den europäischen Spitzenligen. Das Abschneiden der Bratislava Capitals in der ICE – ein Mittelständler – deutet auf das Niveau der Teams hin. Diese bilden wie die Capitals eine Mischung aus überschaubarem einheimischen Talent (alle Spitzenkräfte spielen natürlich im Ausland) und Legionären mit wenig aufregendem Background.

Die einzigen Teams, denen ich eine (erweiterte) Spitzenrolle in der ICE zutrauen würde, wären Slovan Bratislava und Zvolen. Beide können natürlich auf einige gute Einheimische zurückgreifen und haben für ihre Gastarbeiter bessere Mittel als der Rest der Liga. Slovan bediente sich im Sommer stark in der ICE, holte im Block aus Dornbirn Matt MacKenzie, William Rapuzzi und Andrew Yogan zum Ex-Salzburger Brent Harris, der im Sommer verlängerte. Ein Flop dagegen Ex-VSV-Keeper Kristers Gudlevskis, der auch bald als überzähliger Goalie und Legionär (sieben dürfen am Spielbericht stehen) verabschiedet wurde.

Die Gehälter und der Background der Legionäre

Harris und Rapuzzi gehören ebenso zu den Top-Scorern der Liga wie der Ex-Grazer Tony Cameranesi. Sie alle rufen ihre EBEL-Leistungen ab, sind ihr Geld sicher wert. Apropos Geld: Top-Gehälter für Legionäre sind an die 65.000 Euro angesiedelt. Bei den Armenhäuslern der Liga wie Nove Zamky oder Liptovsky Mikulas kann man eher um die 25.000 Euro anschlagen, oft auch weniger, weswegen sich dort Polen und Litauer wiederfinden. In einem Land, wo ein Mittagsmenü aber um die vier Euro kostet, kann man auch so etwas zurücklegen.

Diese Gehälter sind den Legionären netto garantiert, die Einheimischen gelten wie in Tschechien als Selbständige, müssen also selbst für die Sozialabgaben aufkommen. Da bedarf es auch genauer Abmachungen, wenn es etwa um die Ausrüstung geht.

Was bei den Legionären – fast alle Teams schöpfen ihr Kontingent aus – auffällt: Nach den Nordamerikanern (an die 50) haben sich vor allem Finnen und Russen etabliert (wie Tschechen ungefähr 10). Bei den Finnen sind Leute mit solider Liiga-Karriere eher eine Seltenheit, oft kommen sie aus der zweitklassigen Mestis. Die Russen sind am Ende ihrer KHL-Karriere angekommen, im Spiel Presov gegen Liptovsky Mikulas sah ich zwei russische Torhüter. Überhaupt vertrauen neun von zwölf Teams auf ausländische Einser-Goalies, darunter die Ex-Grazer Ben Bowns und Robin Rahm sowie Dan Bakala (Ex-VSV).

Wie Goalies sind auch slowakische Coaches in der Unterzahl. Von den zwölf Teams (die Hälfte hat bereits Trainerwechsel vollzogen) werden nur fünf von Einheimischen gecoacht. Gleich vier Vereine setzten auf Finnen, darunter Banska Bystrica mit dem Ex-Fehervar-Coach Antti Karhula.

Bei den zahlreichen nordamerikanischen Gastarbeitern sind Leute mit einer guten AHL-Karriere eher die Ausnahmen. Vor allem bei den schwächeren Teams wechseln Cracks oft aus Dänemark, Norwegen, Großbritannien oder der ECHL in die Liga oder dorthin wieder zurück.

Mit ganz wenigen Ausnahmen über die Jahre schließe ich aus, dass aus der Slowakei etwas für die besseren Ligen Europas dabei ist. Den einen oder anderen Legionär – die besten Slowaken wechseln meist jung nach Tschechien – könnte ich mir in der ICE vorstellen, aber nicht unbedingt als Führungskräfte. Im Durchschnitt würde ich den Ausländern eher (schwächeres) DEL2-Niveau zubilligen. Mit der Ausnahme der Spitzenteams gilt: Ab Linie 3 gibt es hier absolut nichts mehr zu sehen. Außer den Spitzentalenten der Jahrgänge 04 und 05 stehen jüngere Spieler auch kaum in den Lineups  - eine weitere Parallele zur ICE.

Vom Scouting her gibt die Liga also nicht allzu viel her, einem DEL-Manager, der über einen Trip nachdachte, habe ich davon abgeraten. NHL-Scouts haben heuer aber erstmals seit gefühlten Dekaden Hochbetrieb: Simon Nemec (Nitra) ist ein potentieller Top-10-Kandidat für den Draft, der kleine, aber flinke Filip Mesar (Poprad) könnte auch die erste Runde schaffen. Dazu kommt zumindest noch Nemec-Kollege Adam Sykora, der sich zuletzt hochgespielt hat. Wer sich also Spiele von Nitra ansieht, sieht im Publikum immer eine Handvoll NHL-Scouts, die auch im Lockdown eingelassen wurden.

Covid und die Extraliga

Mit ganz wenigen Ausnahmen kämpfen die slowakischen Teams immer ums Überleben, Covid hat die Sache noch weit dramatischer gemacht. Im Gegensatz zu Österreich haben viele Geschäfte, Restaurants und Hotels den Kampf nicht überlebt bzw. bieten nur mehr eingeschränkte Öffnungszeiten an.

Im Eishockey müssen die Teams den Staatshilfen nachlaufen, erst jetzt werden diese für die Vorsaison ausbezahlt, Kredite müssen zur Aufrechterhaltung des Spielbetriebs herhalten. Wie Österreich rief auch die Slowakei Ende 2021 einen Lockdown aus, die Hallen mussten bis Mitte Jänner leer bleiben. Die Teams bestreikten deswegen auch einen Spieltag, jetzt dürften gemäß der jeweiligen Ampel-Lage wieder Fans in die Hallen. Dreistellige Zuschauerzahlen sind aber inzwischen mehr die Regel als die Ausnahme, die Maskenpflicht besteht nur auf dem Papier.

Omikron hat den Spielplan zuletzt durcheinandergewirbelt, bei meinem Roadtrip vor einigen Wochen in den Osten schlugen zwar die Bomben bezüglich Absagen um mich ein, meine Spiele fanden aber statt. Während Olympia wurde ohnehin durchgespielt, lediglich fünf Extraliga-Cracks schafften den Sprung ins Bronze-Aufgebot von Peking.

Fazit: Scouten in der slowakischen Extraliga kann ab und zu Hardcore sein, die Kosten sind allerdings überschaubar, die Reisestrapazen sind heuer etwas angestiegen. Der Unterschied zu den europäischen Top-Ligen ist augenscheinlich, aber das eine oder andere Schnäppchen kann man auch hier finden...

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