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Von Helsinki bis Pori: Ein Scouting-Abenteuer durch Finnland

LAOLA1-Scout Bernd Freimüller tourte durch die finnische Liiga. Seine Erkenntnisse und warum er dabei nicht zum Zombie wurde:

Von Helsinki bis Pori: Ein Scouting-Abenteuer durch Finnland Foto: © getty

Ein volles Programm hat sich LAOLA1-Scout Bernd Freimüller für seinen Trip nach Finnland vorgenommen, wo er einen Großteil der 16 Teams umfassenden Liiga beobachtete. 

Dabei gab es zahlreiche Erkenntnisgewinne, welche er hier präsentiert:

Sieben Spiele in sieben Tagen in sechs Hallen – ein Scouting-Trip durch Finnland, der einige neue Erkenntnisse brachte, viele alte aber auch bestätigte.

Saftiger Scouting-Spielplan

Normalerweise ergibt eine Reise nach Finnland fünf Spiele in fünf Tagen, nämlich von Dienstag bis Samstag, allerdings auch nur in ausgewählten Wochen.

Diesmal war von Donnerstag bis Mittwoch ein guter Schedule angesetzt – die ungewöhnlichen Spieltage Sonntag und Montag trafen sich gut, da die Spielorte Rauma und Pori nur 45 Minuten voneinander entfernt sind.

Die restlichen Hallen in Helsinki, Espoo, Tampere und Hämeenlinna erforderten nur Tagestrips aus und in Helsinki. Sieben Spiele also, theoretisch hätte ich noch drei weitere Tage ohne Unterbrechung anhängen können. Aber dann wird man zum Zombie und bekommt von den Spielen nicht mehr viel mit. Auch so habe ich elf der 16 Liiga-Teams gesehen.

Zu viele Teams

Jeder Experte hier im Land wird dir bestätigen: 16 Mannschaften in der höchsten Spielklasse sind um einiges zu viel. Heuer wurde noch nach langer Absenz Kiekko Espoo wieder in die Liiga gehievt, obwohl sie in der zweiten Leistungsstufe (Mestis) nur Dritte wurden.

Ab heuer soll die Liiga endgültig wieder geöffnet werden und es eine Relegation geben – der Liiga-Letzte gegen den Sieger der Mestis, so er die Lizenz bekommt. Über kurz oder lang wird das Jokerit Helsinki sein, die aus den Trümmern des Ukraine-Kriegs wiederauferstanden sind und nach ihrem KHL-Aufenthalt seit letzter Saison ebenfalls in der Mestis spielen, diese nach Verlustpunkten auch anführen.

Aber selbst wenn mit Jokerit ein Publikumsmagnet eines der schwächeren Teams ersetzt – 16 Teams sind weiter ein Unding. Der finnische Spielermarkt ist nicht unendlich, vor allem angesichts der Unzahl an Spitzenspielern, die in Übersee, der Schweiz oder Schweden engagiert sind. Was bleibt sind viel zu viele limitierte Cracks, die eigentlich nur als Kaderauffüllung dienen können und ein aufgeblähter Spielplan, an dem auch während der Nationalteam-Breaks durchgespielt werden muss.

Finanziell sieht es in der Liiga ebenfalls nicht gut aus: Mit Kärpät und Kalpa bilanzierten nur zwei Teams in der letzten Saison positiv und das, obwohl die Durchschnittsgehälter in den letzten Jahren stark abgesunken sind.

Wenig Qualität

Als Faustregel für einen Liiga-Scouting-Bericht gilt: Spieler außerhalb der sechs Top-Stürmer bzw. vier Verteidiger können für ein ICE-Team zwar spielen, machen dich aber nicht besser. Vor allem bei den schwächeren Teams dünnt sich das Talent noch schneller aus. Ich bin heuer kaum auf eine zweistellige Anzahl von Spielern gekommen, die realistisch und gleichzeitig eine Verstärkung wären.

Der Ausländermarkt in der Liiga ist offen, so setzt Lukko Rauma (Goalie Sam Harvey kehrte von dort letztes Jahr schnell ins wärmere Bozen zurück) zehn Imports ein, teils aus Nordamerika, teils aus Schweden. Sport (im nördlichen Vaasa angesiedelt) bot neben zwei Tschechen neun (!) Schweden im Lineup auf.

Ilves Tampere setzt mit Jakub Malek und Dominik Pavlat auf ein tschechisches Goalie-Duo – auch keine Alltäglichkeit. Insgesamt stellen Schweden (44) und Nordamerika (38) auch die meisten Gastarbeiter parat.

Derzeit sind 126 Legionäre gemeldet, das ergibt im Schnitt also fast acht pro Team. Nicht so weit entfernt von der ICE also, von der Schweiz und Deutschland sowieso nicht…

Schreckliches Jahr für NHL-Prospects

Ich habe das finnische U18-Team Anfang November bei einem Turnier in Tschechien gesehen, war also vorbereitet: Der Jahrgang 2007 ist der schlechteste seit Ewigkeiten. Nur konsequent, dass ich auch keinen einzigen erstjährigen Spieler für den NHL-Draft in den Liiga-Lineups gesehen habe.

Diese Spieler sind zwar nicht meine Kernaufgabe, aber so etwas ist normalerweise völlig unüblich. Aber auch hier gilt: Junge Spiele werden in die Liiga-Teams gerne früh eingebaut, aber ein gewisses Niveau müssen sie schon aufweisen.

Ob dieses Annus horribilis einmalig bleibt oder auf einen Abwärtstrend hindeutet, wird auch in Scouting-Kreisen diskutiert…

Verschieden große Eisflächen

Fällt nicht immer auf dem ersten Blick auf, noch dazu kann die Perspektive verzerren: In Rauma saß ich etwa drei Meter vom Eis entfernt, in den großen Arenen in Tampere oder Espoo am zweiten Rang.

Aber die Eisflächen sind hier seit Jahren schon unterschiedlich: Die üblichen Europa-Ausmaße (60x30 Meter) nur in Espoo, sonst näherte sich die Breite mit 28 Metern (Tappara, Rauma) Übersee-Ausmaßen (26 Meter) an. In Hämeenlinna (58 Meter) und Rauma (59) fehlt es auch an der Länge, selbst im Vergleich mit NHL-Rinks (60 Meter).

Diese kleineren Eisflächen ermuntern natürlich auch das Körperspiel, aber nur im Rahmen. Zwar winkten die Refs hier einige heftige Checks durch, die etwa in der ICE unweigerlich zu Strafen führen würden, aber die Zeiten, als sich einige Liiga-Teams Goons gönnten, sind auch schon länger vorbei.

Die Spiele weisen immer noch hohes Tempo auf, einige Teams spielen mit Trap, andere wie etwa Espoo mit Ex-VSV-Coach Jyrki Aho setzen auf aggressive Forechecks. Der Speed und die taktischen Fähigkeiten sind hier nie ein Problem, die individuellen Fähigkeiten dagegen schon.

Vor allem Defender mit guten Puckskills fehlen fast völlig, werden daher von Legionären ersetzt…

Reviews auch am Videowürfel

Wie in der ICE gehen auch hier die Refs gerne vor den TV-Schirm, werden dabei telefonisch vom Supervisor unterstützt. Im Gegensatz zu unserer Liga werden strittige Szenen (Tore, Fouls) auch sofort auf den Videowürfeln (die meisten sind riesig und gestochen scharf) eingespielt.

Auch in Tschechien ist das seit Jahren schon so – die Fans in der Halle, die ihr gutes Geld für Tickets ausgeben, sollen die gleichen Bilder zu sehen bekommen wie die Leute vor den TV-Geräten. Das ergibt allerdings einen großen Druck auf die Refs, die dann auch schnell einknicken, vor allem wenn es um Calls gegen das Heimteam geht. Da sympathisiere ich doch mit der ICE, die solche Szenen unterbindet.

Grundsätzlich hatte das Ganze zeitweise einen irren Touch: Bei 08/15-Strafen, bei denen niemand an fünf Minuten denken würde, stiefelten die Refs schon zum Bildschirm, brachten den Spielfluss damit öfters zum Erliegen.

Die von den Ref-Bossen immer dementierte Überprüfung von kleinen Strafen (egal ob zu Recht ausgesprochen oder übersehen) steht in der Liiga an der Tagesordnung.

Kuriositäten

Bei den Tausenden von Spielen, die ich in den letzten Jahrzehnten gesehen habe, läuft oft eines ins andere, alles wird zur Routine. Wenn dann kuriose Szenen passieren, kann man seinen Ohren oder Augen kaum trauen.

In Pori etwa machte ein Kind den Stadionsprecher – kein Mann mit Fistel- oder keine Frau mit Piepstimme, nein, es war wirklich ein Kind, das Strafen und Tore verkündete. Ich spreche kein Finnisch, aber viele Verhaspler hätte ich nicht festgestellt.

In Rauma dagegen hat es mich bei einem hohen Clearing Attempt eines Defenders gerissen – dieser landete nicht (wie gewohnt) auf dem Videowürfel der niedrigen Halle, sondern auf einem Netzvorhang, der knapp einen Meter davor gespannt war. Ob da die Versicherung dahinter war?



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