Dominique Heinrich betritt dieser Tage gewissermaßen Neuland.
Der routinierte Verteidiger ist bereits beim ersten Teamcamp des Eishockey-Nationalteams in der Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft 2024 in Prag dabei. Und damit so früh wie noch nie zuvor.
"Ich bin eigentlich meine ganze Karriere erfolgsverwöhnt gewesen", antwortet der Wiener mit einem Lächeln auf die etwas gemeine Frage, ob er sich erinnern könne, wann er das letzte Mal derart früh zum ÖEHV-Team gestoßen sei.
Seit seinem Debüt in Österreichs höchster Spielklasse in der Saison 2008/09 war der 33-Jährige stets im Playoff vertreten. Mit dem EC Red Bull Salzburg spielte er 15-mal in der entscheidenden Meisterschaftsphase mit.
Diese Serie ist Ende Februar gebrochen. Nach einer, wie es Heinrich selbst betont, "schwierigen Saison" war mit den Vienna Capitals bereits nach dem Grunddurchgang Schluss.
Warum es eine "schwierige Saison" war
Eine ungewohnte Situation für ihn. "Es hat natürlich paar Tage gedauert, bis man das wirklich verkraftet hat. Bis man die ganze Saison Revue passieren hat lassen und analysiert hat, was da wirklich schiefgelaufen ist", sagt Heinrich.
Wie fällt seine Analyse aus? "Der Start in die Saison war durch den frühen Trainerwechsel schwierig. Das hat uns zwei Monate zurückgeworfen. Wir haben dann nie wirklich in die Gänge gefunden."
"Als Spieler hatte man leider wenig Einsicht, was hinter den Kulissen passiert. Aber die Zeiten müssen nicht immer rosig sein, man muss auch durch schwierige Zeiten durchgehen."
Es sei für den ganzen Verein ein schwieriges Jahr gewesen. Die Wiener befinden sich im Umbruch, die Suche nach einem Nachfolger für den scheidenden Präsidenten Hans Schmid läuft noch.
Hinzu kamen wiederkehrende Probleme mit der Eisfläche, auch abseits davon war nicht alles eitel Wonne. Heinrich beklagt: "Als Spieler hatte man leider wenig Einsicht, was hinter den Kulissen passiert. Aber die Zeiten müssen nicht immer rosig sein, man muss auch durch schwierige Zeiten durchgehen."
Womit Heinrich ein Problem hatte
Dass in der Öffentlichkeit allen voran die Spieler für die unzufriedenstellenden Leistungen schuldig gemacht wurden, "damit hatte ich ein Problem", gibt der Nationalteam-Verteidiger, der des Öfteren die Zielscheibe der Kritik war, offen zu.
Diese hätte er sich teilweise auch zu Herzen genommen, "weil man versucht, das Beste zu geben für die Mannschaft. Aber das gehört zum Sport dazu. Man steht als Sportler im Mittelpunkt, dass man kritisiert wird, ist in Ordnung."
All das ist jetzt abgehakt. Die letzten Wochen hat Heinrich dazu genutzt, den Kopf freizubekommen. "Ich habe mich sehr gut erholen können, habe viel Zeit mit meinen Kindern und meiner Familie verbracht, etwas Abstand gewonnen."
"Zacher" Auftakt in die fünfwöchige WM-Vorbereitung
Die ersten Tage der Vorbereitung seien trotz alledem "zach" gewesen.
"Vor allem wenn so lange Pause war und man kein Mannschaftstraining hatte. Da dauert es immer paar Tage, bis man sich an den Trainingsalltag und an die Belastung gewöhnt", meint der langjährige Nationalspieler.
Dass er die Vorbereitung anders als in den vergangenen Jahren von Beginn weg mitmacht und nicht erst gegen Ende zum Team kommt, bringt auch Vorteile mit sich. Teamchef Roger Bader meinte im LAOLA1-Interview etwa, dass jene Spieler, die die gesamten fünf Wochen mit an Bord sind, bei der WM die fittesten seien.
"Wir haben jetzt fünf Wochen bis zur Weltmeisterschaft. Das ist genug Zeit, um sich körperlich und spielerisch in Form zu bringen." Die Zeit bis dorthin wolle er "so gut wie möglich nutzen", sagt Heinrich.
Das 100. Länderspiel steht vor der Tür
Auf dem Weg nach Prag steht für den 33-Jährigen womöglich schon am Freitag ein besonderes Jubiläum an.
Bestreitet der "Henker", wie er von seinen Kollegen stets liebevoll gerufen wird, beide Testspiele gegen Lettland (Donnerstag und Freitag, jeweils 18 Uhr), dann würde er im zweiten Duell mit dem WM-Bronzemedaillengewinner 2023 sein 100. Länderspiel absolvieren.
Ob er sich noch an sein Debüt erinnern kann? Heinrich lacht: "Ich glaube schon. Wenn ich mich richtig erinnere, war das damals in Ungarn unter Manny Viveiros."
"Der Moment ist natürlich immer ein schöner. Es ist etwas Besonderes, 100 Spiele für das Nationalteam zu haben."
Unter dem ehemaligen Teamchef bestritt der Linksschütze zwei Jahre später sein erstes WM-Spiel, bei seinem ersten A-Länderspiel war Bill Gilligan Head Coach des Nationalteams. Das ÖEHV-Team gewann am 12. November 2010 mit einem 4:3-Erfolg gegen Frankreich den Auftakt in den "Telenor Hockey Cup" in Szekesfehervar.
"Die Zeit vergeht sehr schnell. Aber es ist schön, dass ich noch dabei bin", freut sich Heinrich. Großen Wert misst er solchen Jubiläen nicht unbedingt bei. "Der Moment ist natürlich immer ein schöner. Es ist etwas Besonderes, 100 Spiele für das Nationalteam zu haben."
Das sei es aber auch schon gewesen. "Danach steht die Mannschaft und das Spiel im Vordergrund." Schöne Erinnerungen hätte er zur Genüge gesammelt.
"Ich war bei drei B-Weltmeisterschaften (2012, 2014, 2017, Anm.) dabei, wir sind jedes Mal aufgestiegen. Die erste A-WM in Prag war unglaublich, weil man das ganze Umfeld erleben durfte. Das hat richtig Spaß gemacht. Man spielt dort gegen die besten Spieler der Welt", so Heinrich.
In die Leader-Rolle reingewachsen
So auch dieses Jahr, wenn Heinrich und Co. in Tschechiens Hauptstadt um den dritten Klassenerhalt bei einer A-WM in Folge spielen.
Neben Thomas Raffl und Manuel Ganahl, die beide im Finale der win2day ICE Hockey League stehen, gehört der 33-Jährige zu den absoluten Leadern in der Mannschaft von Teamchef Roger Bader.
Die Rolle liegt ihm. "Mittlerweile bin ich gut reingewachsen. Ich mache es auch sehr gerne, verbringe gerne viel Zeit mit den jüngeren Spielern. Das hält mich selbst etwas jung und macht immer wieder Spaß."
Seine Erfahrung wolle er natürlich "so gut wie möglich" an die nächsten Generationen weitergeben.
"Wir haben einen Schritt nach vorne gemacht"
Die allgemeine Entwicklung des Nationalteams bewertet der Verteidiger positiv.
"Die letzten Jahre haben wir einen Schritt nach vorne gemacht. Unser Nationalteam besteht aus sehr guten Spielern, vor allem unsere Stürmer sind sehr gut. Wir haben viele Spieler im Ausland, die dort auch eine führende Rolle einnehmen", bezieht sich Heinrich auf Benjamin Baumgartner oder Dominic Zwerger.
Trotz der Lorbeeren für seine Teamkollegen hält der Wiener vor Augen, "dass Belarus und Russland nicht dabei sind, so ehrlich muss man sein."
Die Mannschaften beider Nationen sind seit 2022 für internationale Eishockeywettbewerbe gesperrt, das bleibt auch für 2024/25 so. Damit werden Belarus und Russland auch bei der WM 2025 in Dänemark und Schweden fehlen.
Wenn der Eishockey-Weltverband (IIHF) beide Länder wieder zulässt, will Österreich natürlich weiterhin ein fester Bestandteil der Top-Division sein. Dass man das Zeug dazu hat, wurde bereits mehrfach bewiesen. "Vor allem vor zwei Jahren, als wir Tschechien besiegt und gegen die USA erst in der Overtime verloren haben, haben wir gezeigt, dass wir sehr wohl gut Eishockey spielen können", sagt Heinrich.
"Das wollen wir natürlich auch in Zukunft." Dann werden zu seinen bald 100 Länderspielen hoffentlich noch viele weitere hinzukommen.