"Ich bin am Anfang sehr nervös gewesen", sagt Ian Scherzer über seine erstmalige Ankunft beim Eishockey-Nationalteam.
Als eines von vier "Küken", das Teamchef Roger Bader in den A-Kader einberufen hat, ist das durchaus natürlich.
Doch die Aufregung legte sich beim 18-Jährigen schnell. "Die Nervosität hat sich nach dem ersten Tag gelegt. Es ist eine große Ehre, die Einberufung zu erhalten und sich beweisen zu dürfen."
Das hat der Villacher in den letzten Tagen eindrucksvoll getan. Inmitten der Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft 2024 in Tschechien deutet der Youngster sein großes Talent an, hinterlässt in den Trainings einen guten Eindruck.
Im zweiten A-Länderspiel das Premierentor erzielt
Im ersten Testspiel gegen Lettland bestritt Scherzer sein Debüt im Nationalteam, war gleich einer der Aktivposten. Als wäre dem nicht genug, legte er im zweiten Test gegen den Bronze-Gewinner der vergangenen WM prompt seinen ersten Treffer nicht nur im Nationalteam, sondern generell auf Profi-Ebene nach.
Ein Traum sei in Erfüllung gegangen, frohlockt der Kärntner. "Ich bin sehr glücklich, dass es mir auch so früh gelungen ist."
Generell kann er seine erste Woche beim ÖEHV-Team als vollen Erfolg abstempeln. Und Spaß hatte er obendrein. "Die erste Woche der WM-Vorbereitung war sehr lustig. Alle waren sehr nett und hilfsbereit. Es war dadurch einfacher, in die Spiele zu finden", erklärt er.
Die Tests in Riga wurden auf unglückliche Art und Weise jeweils 2:3 nach Penaltyschießen verloren, nichtsdestotrotz bilanziert Scherzer im Stile eines Routiniers zufrieden: "Wir haben meines Erachtens in beiden Spielen gegen Lettland eine sehr solide Performance abliefern können."
Per E-Mail zum Nationalteam
Es war für die gesamte Mannschaft nur der erste von noch vielen zu gehenden Schritten auf dem Weg zur Endrunde in Prag, die nächsten werden diese Woche in Villach gegangen.
Für den 18-Jährigen ein besonderes Erlebnis, wurde er doch im Juli 2005 ebendort geboren. Außerdem startete Scherzer im Nachwuchs des VSV seine Eishockey-Karriere, ehe er über den KAC 2021 nach Schweden gegangen ist.
"Es ist natürlich sehr cool", strahlt der Stürmer über die Tatsache, in seiner Heimat zu trainieren und freut sich besonders auf das Testspiel am Freitag gegen Slowenien (18 Uhr).
Dass er überhaupt zum Nationalteam stoßen durfte, erfuhr er von Teamchef Bader per E-Mail. "Als wir in den Playoffs ausgeschieden sind, bin ich sofort eingeflogen und zum Team gekommen", musste er nicht lange überlegen, seine Saison zumindest um ein paar Wochen zu verlängern.
Scherzer hat den "Drive", der "vielen jungen Spielern fehlt"
Sein Jahr in Schweden sei nämlich "durchwachsen" verlaufen. Im U20-Team von Rögle BK, in dem neben ihm auch Defender Gregor Biber (zum Porträt >>>) und der ebenfalls aus Villach stammende und 17 Jahre junge Johannes Neumann spielen, zählte Scherzer zum Stammpersonal.
Mit zwei Toren und zehn Assists aus insgesamt 38 Spielen konnte er eine leichte Steigerung zum Vorjahr (drei Tore, vier Assists aus 30 Spielen) erzielen, zufrieden scheint er damit jedoch nicht zu sein.
"Er ist ein sehr bodenständiger, sympathischer Bursche, der absolut weiß, was er will. Er ist sehr positiv und ordnet alles dem Erfolg unter, was ich super finde, denn vielen jungen Spielern fehlt genau dieser Drive. Ian aber arbeitet beinhart für den Erfolg."
"Es war nicht das Gelbe vom Ei, aber auch nicht schlecht. Es war sehr lehrreich und ich habe sehr viel daraus mitgenommen", sagt Scherzer und betont, in seiner Entwicklung weiter vorangeschritten zu sein. Das bezieht sich freilich nicht nur auf das Jahr 2023/24, sondern lässt sich zusammengefasst über seine drei Jahre bei Rögle sagen.
U18- und U20-Teamchef Philipp Pinter beschrieb den sowohl als Center als auch am Flügel einsetzbaren Offensivspieler im vergangenen Jahr bei "NHL.com" wiefolgt: "Er ist mittlerweile ein Zwei-Wege-Stürmer, der nach hinten gut arbeitet, der giftig spielt, läuferisch sehr gut ist, eine gute Balance und viel Speed hat."
Scherzer arbeite in beide Richtungen verlässlich, sei körperlich fit und habe eine gesunde Einstellung. Pinter schwärmte: "Er ist ein sehr bodenständiger, sympathischer Bursche, der absolut weiß, was er will. Er ist sehr positiv und ordnet alles dem Erfolg unter, was ich super finde, denn vielen jungen Spielern fehlt genau dieser Drive. Ian aber arbeitet beinhart für den Erfolg."
Das "Who's Who" der Top-Talente spielt in der NCAA
Ab Sommer wird er dies in den USA tun. Bereits im Mai 2023 entschied sich der Kärntner, ab 2024/25 für die Miami University (Ohio) in der NCAA zu spielen.
Warum? "Weil du am College vier Jahre extra Zeit hast, um dich zu entwickeln, um körperlich stärker zu werden, an deinen Fähigkeiten und Skills zu arbeiten", erklärt Scherzer und offenbart: "Ich glaube, dass ich noch etwas Zeit brauche und mich danach bereit fühle."
Das Niveau in der NCAA ist hoch, reihenweise Top-Talente tummeln sich in der höchsten College-Liga. Etwa der Kanadier Macklin Celebrini, der im NHL-Draft 2024 ein heißer Anwärter auf den Nummer-1-Pick ist. Weitere spannende Namen sind unter anderem Will Smith (#4 2023), Cutter Gauthier (#5 2022) und Ryan Leonard (#8 2023).
Dass die NHL quasi ums Eck ist, man unter ständiger Beobachtung der 32 Teams steht, sei für ihn ebenfalls ein großer Anreiz gewesen, nach Nordamerika zu gehen. Außerdem passe das amerikanische Eishockey, das mehr auf Tempo als in Schweden ausgelegt ist, besser zu seinem Spielstil.
Von der Miami University haben es schon viele Cracks in die stärkste Eishockey-Liga der Welt geschafft, zwölf von ihnen spielen aktuell in der NHL. Dazu zählen u.a. Blake Coleman, Reilly Smith, Jack Roslovic oder Alec Martinez. Auch die in Österreich bekannten Cameron Schilling (Red Bull Salzburg), Gordie Green (HC Innsbruck) und Matt Caito (früher Graz99ers) gehören zu den Alumnis.
In Schweden ruft noch die Schule
Vier Jahre verbringt man am College, für Scherzer geht es in wenigen Monaten los. Bis dahin ist noch etwas Zeit, will sich der 18-Jährige beim Nationalteam "von meiner besten Seite zeigen, jeden Tag besser werden."
Die Teilnahme an der Weltmeisterschaft scheint unwahrscheinlich, wenngleich es in den letzten Jahren stets Überraschungen im finalen Kader von Teamchef Roger Bader gab. Realistisch gesehen wird Scherzer aber noch auf seine erste A-WM warten müssen.
Das wäre für ihn jedoch kein Drama, der Zeitplan ist ohnehin eng. "Ich muss in Schweden noch die Schule fertigmachen", erzählt der Angreifer von seinen Plänen, sobald der Cut erfolgt. "Das Sommertraining absolviere ich ebenfalls noch dort, ab Juli bin ich bis Ende August zuhause."
"Dann geht es nach Nordamerika", kann es Scherzer kaum erwarten, seinen Lebensmittelpunkt in die USA zu verlegen und am College durchzustarten.