Nach der WM ist vor der Olympia-Qualifikation: Wie sieht die kurz- und langfristige Zukunft des ÖEHV-Teams aus?
Eine Bestandsaufnahme von LAOLA1-Scout Bernd Freimüller:
Der WM-Kader
Wohl zum ersten Mal in der Ära Roger Bader konnte er einen Kader aufbieten, wo kein Platz für eine Bauchweh- oder Kompromisslösung war.
Über die Jahre fanden sich in seinen Aufgeboten Spieler wie Christoph Duller, Mario Altmann, Alexander Cijan, Simeon Schwinger, Henrik Neubauer oder Philipp Wimmer – Routiniers, Nischenspieler, Auffüller oder Experimente.
Es reichte nie für 22 (B-WM) oder 25 (A-WM) vollwertige Spieler, heuer schon, wenn man den dritten Goalie Thomas Höneckl einmal wegrechnet.
Defender Paul Stapelfeldt und Stürmer Lucas Thaler – wenn man sie als Verteidiger 10 und Stürmer 14 ansieht – füllten entweder ihre Rolle punktgenau aus (Stapelfeldt) oder schauten auf eine sehr gute Saison zurück und gehören ohnehin zu den Zukunftshoffnungen (Thaler).
Das ist ein Beweis für die erweiterte Kaderbasis, was vor allem auf einige herausragende Jahrgänge zurückzuführen ist: 1996/97 (Wukovits, Zwerger, Haudum, Wolf, Nissner, Mario Huber), 2000/01 (Maier, Zündel, Rossi, Paul Huber, Nickl, Baumgartner) sowie 2004 (Rohrer sowie der abwesende Marco Kasper).
Fünf Jahrgänge stellten 13 Spieler, also mehr als die Hälfte des WM-Kaders. Das wird auch in Zukunft so sein, ein Land wie Österreich verfügt nicht über die Breite für durchgehend gute Jahrgänge, aber einige starke helfen hier immens weiter.
Das Alter
Österreich wies ein Durchschnittsalter von 28 Jahren auf. Schweden, Deutschland, Kasachstan, die Slowakei, Norwegen (mit 25 Jahren das jüngste Team im Turnier) sowie die meist jungen Teams aus Kanada und der USA lagen darunter.
Von einem jungen WM-Aufgebot zu sprechen, wäre vermessen, aber Baders Truppe war keineswegs überaltet. Lediglich bei Thomas Raffl (Jahrgang 1986) und Dominique Heinrich (1990) merkt man die Jahre schon, Höneckl (1989) kann hier eigentlich nicht eingerechnet werden.
Die nächstälteren Spieler wie Manuel Ganahl (1990) und Peter Schneider (1991) haben noch die eine oder andere gute WM vor sich. Ganahl zeigte sich in Klagenfurt heuer ohnehin runderneuert, Schneider gehört seit Jahren zu den dominanten Erscheinungen der Liga und des Nationalteams.
Raffl und Heinrich mittelfristig punktgenau zu ersetzen, wird keine leichte Aufgabe, sie erfüllten über Jahre sehr gut spezifische Rollen. Aber im Allgemeinen steht kein Generationenwechsel an, der Kern des Teams wird noch Jahre der gleiche sein.
Die Olympia-Qualifikation
Wie viele A-WM-fähige Spieler könnte Österreich aufbieten? Sicher mehr als 25: Oliver Achermann (1994), David Reinbacher (2004) und Kasper wären bei Verfügbarkeit dabei gewesen.
Vom Leistungsniveau her sicher auch zumindest ein Thema: Michael Raffl (1988) oder Johannes Bischofberger (1994), beide aber über die Jahre mit unzähligen Absagen, ebenso wie Patrick Obrist (1993). Bei Konstantin Komarek oder Fabian Hofer ist das Kapitel Nationalteam schon länger geschlossen.
(Text wird unterhalb fortgesetzt)
Das ergibt ungefähr 30 Nationalspieler, aus denen Bader in knapp drei Monaten sein Aufgebot für die Olympia-Qualifikation zusammenstellen kann.
Wenn es um Olympia geht, melden sich erfahrungsgemäß fast alle Spieler wieder bereit, das kennen wir schon von früher. Bader muss hier entscheiden, ob er jemanden des WM-Aufgebots zugunsten solcher Spieler streicht.
Reinbacher und Kasper wären natürlich Fixstarter, aber personelle Fauxpas wie bei der letzten Quali, als Obrist den Vorzug gegenüber Benjamin Nissner bekam, sollten nicht wieder passieren. Daumen rauf oder runter wird wohl nur bei Michael Raffl ein Thema sein.
Die Tiefe
Ungefähr 30 WM-fähige Spieler – zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel. Wie trübe die Kadertiefe weiter aussieht, zeigen einige Resultate des Länderspieljahres: 1:7 gegen die Slowakei beim Deutschland-Cup, 0:6 gegen Frankreich im Februar und 0:6 gegen Slowenien Wochen vor der WM.
Diese Spiele fanden jeweils ohne große Anteilnahme der österreichischen Eishockey-Fans statt – wohl auch besser so. Die rot-weiß-roten B- und C-Auswahlen waren heuer meist überfordert, auch in Spielen gegen Gegner, die natürlich ebenfalls nicht in Bestbesetzung auflaufen. Nach den Spielern 30-35 fällt die ÖEHV-Tiefe krass ab.
Zusammenfassend: Vielleicht 20 brauchbaren Spielern zu Beginn der Bader-Ära stehen jetzt etwa 30 gegenüber - ein Aufschwung von knapp 50 Prozent. Von einem Vergleich mit Ländern wie Schweden, Finnland oder Tschechien brauchen wir gar nicht zu reden, auch nicht von der Schweiz oder Deutschland.
Ich würde Teams wie Lettland, Norwegen, Frankreich oder Dänemark etwa 35-45 brauchbare WM-Cracks zuordnen. Kein Riesenunterschied, aber doch. Kann Österreich sich weiter auf diese Werte hocharbeiten?
Torhüter
Trotz der guten WM von David Kickert weiter die Achillesferse im österreichischen Eishockey. Die Aussage von ÖEHV-Präsident Klaus Hartmann, dass Salzburg-Goalie Atte Tolvanen (1994) bereits im August als Österreicher gelte, müsste dann bei der für den Juni anberaumten Sitzung mit Leben erfüllt werden.
Im Nachwuchs sieht es weiter trist aus – Dominik Oschgan kann immerhin bereits auf drei Nachwuchs-WMs zurückblicken (eine steht noch aus), im Verein ist er durch die Verlängerung von Höneckl mindestens zwei weitere Jahre alleine nur von einer ICE-Backup-Rolle entfernt. Natürlich besteht aber auch noch Hoffnung bei Sebastian Wraneschitz (2002), dass er seine gesundheitlichen Probleme in den Griff bekommt.
Aber die Goalie-Position wartet weiter mit den wenigsten Alternativen auf, wobei das Duo Tolvanen-Kickert (ebenfalls 1994) noch einige Jährchen vor sich hat.
Abwehr
Hier tat und tut sich in den letzten Jahren am meisten, die üblichen kleinwüchsigen Defender mit überschaubaren Skills machten doch wenigstens einigen größeren Exemplaren Platz. Wer könnte zum Kern um Clemens Unterweger (1992), Reinbacher, Nickl, Maier und Zündel dazukommen, eventuell einen Steven Strong (1993) rausspielen?
Gregor Biber (Rögle, 2006) ist derzeit die größte Defender-Hoffnung, Tobias Sablattnig (2003) sollte sich beim KAC weiter festspielen. Dazu könnten mittelfristig Thomas Klassek (KAC, 2005), Patrick Söllinger (Linz, 2004) oder Maximilian Kirchebner (2005) stoßen. Kirchebner hat aber in Salzburg unzählige Defender vor sich, darunter Nash Nienhuis (1999). Dieser gilt dann bei der WM 2026 als Österreicher, seine Beinarbeit macht ihn sicher interessant.
Ebenfalls mit guten Beinen, aber weniger Größe ausgestattet: Luis Lindner (2001), seine US-College-Zeit geht im nächsten Sommer zu Ende.
Keiner von ihnen verspricht etwa eine 1-1-Nachfolge für PP-Experte Heinrich und auch nicht jeder von ihnen wird den Sprung ins Team schaffen, aber in puncto Tiefe sieht es doch weit besser als vor Jahren aus.
Angriff
Ian Scherzer (Rögle, 2005) hielt sich schon im heurigen ÖEHV-Camp sehr lange, es bleibt abzuwarten, wie ihm sein erstes Jahr im US-College gelingen wird. Noch nicht am Radar, da (zumindest bis Juni) noch ohne österreichischen Pass: Der überaus talentierte Winger Vasili Zelenov (2006), heuer in der AlpsHL bei Salzburg ein Punkt-pro-Spiel-Scorer.
Bei den schon älteren Jahrgängen mit ICE-Erfahrung tun sich in der Spielweise große Unterschiede auf: Senna Peeters (2002) muss beim KAC seine unstrittigen Scorer-Qualitäten mit einem 200-foot-Game ergänzen. Mit weniger Offensive ausgestattet: Finn Van Ee (KAC, 2003) könnte zu einem Tiefenspieler, Maximilian Rebernig (2000) mit seiner Größe auch einmal ein Thema für die vierte Linie werden.
Weniger definiert noch die Profile bei Tim Harnisch (2001), Leon Wallner (2002) und Luca Auer (2004), dessen Eislaufen weitere Arbeit braucht.
Egal, wie sich die diese (oder andere) Spieler noch entwickeln – das WM-Wohl-und-Wehe wird natürlich weiter stark davon abhängen, ob die beiden Marcos (Rossi und Kasper) sowie Reinbacher jeweils zur Verfügung stehen.
Wie die unterschiedlichen Auftritte und der zehnte Endrang bei der WM zeigten - das österreichische Eishockey hat seine Talsohle hinter sich gelassen, verfügt aber weiter nur über ein eng geschnittenes Personalkostüm...