Es kam zuerst wie erwartet und dann wie erhofft: Österreichs U20-Nationalteam muss bei der WM in Frankreich in ein Schicksals-Spiel und schafft mit dem 5:2 gegen Ungarn den Klassenerhalt in der Division 1A.
Im Duell der beiden schwächsten Teams zeigt Österreich die beste Turnierleistung und verbleibt so unter den Top-16 der Welt. Die Endplatzierungen bei der U20-B-WM in den letzten Jahren: 5., 5., 2. bei der Heim-WM in Wien, 5., 4., 5., 5. - das ÖEHV-Abschneiden 2017 passt demnach zum Trend.
Es zeichnete sich schon seit Jahren ab: Von der Kombination der Jahrgänge 1998 und 1999 war im Gegensatz zu ihren Vorgängern (1996/97) keine Heldentaten zu erwarten, dieses Team stieg auch als U18 vor zwei Saisonen in die dritthöchste Leistungsstufe ab.
ÖEHV-Team: Mixtur aus vier Jahrgängen
Coach Alex Mellitzer war sich dessen auch bewusst, holte daher auch sechs Spieler der Jahrgänge 2000 und 2001 ins Camp, wobei Benjamin Lanzinger wegen einer Gehirnerschütterung für die WM ausfiel.
Die Mission "Klassenerhalt" wurde also mit einer Mixtur aus vier Jahrgängen bestritten und die jüngsten Spieler waren auch zumindest solide (Thimo Nickl), mit guter Beinarbeit aufwartend (Simon Harnisch), Spielwitz von der blauen Linie einbringend (David Maier) oder schlicht und einfach die Offensiv-Leader (Benjamin Baumgartner und Marco Rossi).
Die Schweiz-Legionäre Baumgartner und Rossi waren wie erwartet die Schlüssel-Spieler in einem Team, das für sich in Anspruch nehmen kann, im Gegensatz zu Ungarn punktgenau in Form gewesen zu sein - das letzte Spiel war das beste der WM. Auch gegen Aufsteiger Kazachstan war beim 2:3 schon ein Leistungs-Aufschwung zu sehen, die weiteren Spiele (1:6 gegen Frankreich, 1:4 gegen Deutschland, 1:5 gegen Lettland) endeten dagegen eindeutig.
Mellitzer meint: "Es war nicht leicht, nach vier Niederlagen weiter positiv zu sein, aber die Mannschaft hat zusammengehalten und keiner hat den Kopf hängen lassen." Der Klagenfurter, der mit den Rookie-Coaches Philipp Pinter und Marco Pewal eine äußerst junge Troika hinter der Bande bildete, konnte tatsächlich auf ein Team zählen, in dem keiner der Spieler für die Gallerie agierte.
Goalie Jakob Holzer ist ein wichtiger Rückhalt
Die positivsten Einzel-Spieler sind schnell aufgezählt: Goalie Jakob Holzer (Bild) verteidigte seine Rolle als Nummer 1 souverän und war vor allem in der Schlüssel-Partie gegen Ungarn ein wichtiger Rückhalt. Die zehn Turnier-Treffer teilten sich auf gerade drei (!) Spieler auf: Baumgartner (4 Tore) war von erstem bis zum letzten Spiel der konstanteste und dynamischte Spieler, fast alle seine Treffer waren eine Augenweide.
Der Eishockey-Schweizer könnte bei Davos den Durchbruch schaffen. Marco Rossi (3 Treffer) überzeugte wie erwartet mit Spiel-Intelligenz und Puck-Kontrolle unter Druck, seine Schusstechnik und -härte sind ebenfalls zur Waffe geworden. Der 16-jährige Center war vor allem gegen Ungarn die Lebensversicherung. Nico Feldner (3 Tore) ringt sowohl im Klub in Salzburg als auch anfänglich im Team um Anerkennung, was ich nicht verstehe: Gerade in einem Land wie Österreich, das Jahr für Jahr das kleinste und leichteste Team im Turnier stellt, sollte ein körperlich starker Spieler wie er, der noch dazu über einen harten Handgelenksschuss verfügt, gefördert werden.
Mellitzer hob auch noch Daniel Obersteiner heraus, der trotz ausbleibender Punkte auf und neben dem Eis eine Führungsrolle einnahm.
In der Defensive entsprachen Maier, Nickl und Niklas Würschl dem Typus der spielenden Defender, der erst vor kurzem umgelernte Yannic Pilloni sollte seine Zukunft ebenfalls auf dieser Position sehen, auch wenn er natürlich noch die richtigen Wege auf dem Eis finden muss.
Spielerisch und eisläuferisch gute Momente
Das Team definierte sich in seinen besten Momenten über das spielerische und eisläuferische Element, doch die Größennachteile waren in einigen Moment nicht von der Hand zu weisen. Ich spreche nicht von Härte und krachenden Checks, diese sieht man in einem Turnier wie bei der U20-WM ohnehin kaum. Aber es geht vor allem um Reichweite und die Möglichkeit, Spieler vom Tor wegzuleiten bzw. sie dort eliminieren zu können.
Die rot-weiß-roten Defender wurden anfangs viel zu oft einfach überlaufen, von krassen Fehlpässen, die zu Gegentoren führten, ganz zu schweigen.
Problematisch auch die Special Teams: Das Powerplay (ein Tor) und das Penalty Killing (68 Prozemt) waren die schwächsten im Turnier. Vor allem die Box war zu Turnierbeginn ein Desaster und erweckte den Eindruck von zwischen den Hashmarks aufgestellten Playmobil-Männern mit Zahnstochern in den Händen. Mit zunehmender Aggressivität wurde das im Turnierverlauf aber besser, die Stärken des Teams kamen so auch besser zur Geltung.
Genau die Hälfte des 22-Mann-Kaders fällt aus Altersgründen für die nächste WM aus dem Kader – es ist davon auszugehen, dass dann neben einigen 1999ern (nur fünf in Frankreich) wieder sehr viele junge Spieler zu sehen sein werden.
Mangel an großen Defendern
Die Problematik des Mangels an großen Defendern wird auch weiter bestehen bleiben – mir fällt mit Julian Payr (Jahrgang 2000) nur ein Verteidiger ein, der Größe, gute Beine und brauchbare Puckskills vereint. Sein Fernbleiben – er spielte parallel im U18-Team – fiel auch einem NHL-Scout auf ("Where is this tall defenseman?"), erfolgte aber nicht aus Leistungsgründen. Er würde dem Team im nächsten Jahr überaus gut tun, andere Defender mit Gardemaß weisen große eisläuferische und stocktechnische Mängel auf.
Wie gesagt: Mehr als der Klassenerhalt war heuer nicht zu erwarten und der wurde auch mit einer Punktlandung geschafft.
Das Teilnehmerfeld im nächsten Jahr (neben dem noch zu findenden A-Gruppen-Absteiger Lettland, Deutschland, Frankreich und Aufsteiger Norwegen) weist auf den ersten Blick kein schwächeres Team wie Ungarn auf. Allerdings sollte das ÖEHV-Team auch wieder stärker besetzt sein, wobei aber wieder die jüngeren Jahrgänge die Spielträger sein müssen.
Die Jahrgänge 2000 und 2001 müssen in dieser Saison noch einmal ran – bei der U18-WM in Kiew wäre alles andere als der Aufstieg in die B-Gruppe eine Riesenenttäuschung.