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Bratislava war ein positiver Fingerzeig für die ÖEHV-Zukunft

Die vielversprechenden Leistungen überwiegen die Enttäuschung über das verpasste Olympia-Ticket. Ein Kommentar:

Bratislava war ein positiver Fingerzeig für die ÖEHV-Zukunft Foto: © GEPA

Fallen wir sofort mit der Tür ins Haus: Die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2026 wäre eine Sensation gewesen. Nicht mehr und nicht weniger.

Die Leistungen des österreichischen Eishockey-Nationalteams sollten trotzdem beachtet werden. Werden sie aber nicht, mal wieder. Wieso?

Gefühlt ist es dieselbe Leier wie nach jedem anderen Turnier. Die Ergebnisse passen in der Außendarstellung nicht, daher wird aus dem Umfeld schön draufgehauen.

Das war nicht zuletzt bei der Weltmeisterschaft nach der Niederlage gegen Großbritannien der Fall, noch während des Spiels gegen Ungarn konnte dies ebenfalls erlebt werden.

Das Turnier war sicherlich kein Desaster

(Artikel wird unterhalb fortgesetzt)

Zur Wahrheit gehört, dass diese abschließende Partie gegen den A-WM-Aufsteiger über mindestens 30 Minuten wirklich kein Ruhmesblatt war.

Aber die Mannschaft zeigte Charakter, raffte sich auf. Teamchef Roger Bader stellte in der ersten Drittelpause – zu diesem Zeitpunkt stand es 0:3 – zwei Optionen in Aussicht: Das Spiel plätschern lassen oder dagegenhalten.

Es spricht für die Mentalität des Teams, die Begegnung noch gedreht zu haben. Da kam in Bratislava nicht nur mir ein erleichternder Seufzer aus. Ansonsten hätte ich mir diese Zeilen ersparen können, da sie nicht mehr glaubwürdig gewesen wären.

So lässt sich jedoch argumentieren und bestimmt heiß diskutieren, ob dieses Turnier nun ein Desaster war oder einen erfreulichen Ausblick in die Zukunft geboten hat.

Für mich war letzteres der Fall, das wäre auch bei einer klaren Niederlage gegen Ungarn nicht zur Debatte gestanden. Muss man und werden wohl einige auch nicht verstehen. Doch es gab viele positive Aspekte, die einen mit Zuversicht in die Zukunft blicken lassen (sollten).

Wenn die slowakischen Fans ihr eigenes Team auspfeifen...

Die nackten Zahlen sagen freilich einmal etwas anderes: Ein Punkt weniger als 2021, dieselbe Platzierung, ein (Gegen)Tor weniger erzielt bzw. kassiert.

Dazu den Bronze-Gewinner von 2022 und Turnier-Gastgeber (Slowakei) wieder nicht bezwungen, gegen Nationen auf Augenhöhe knapp verloren (Kasachstan) bzw. mit Ach und Krach (Ungarn) gewonnen. Das Ergebnis der Formel würde lauten: kein Fortschritt.

Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Wer den Wald hinter den Bäumen sieht, wird sehr wohl die Entwicklung erkennen, welche die rot-weiß-rote Auswahl seit Bratislava 2021 genommen hat – unabhängig der WM-Ergebnisse.

Österreich verlangte der Slowakei alles ab
Foto: © GEPA

Österreich war der Slowakei – bis auf eine Phase im ersten Abschnitt – ebenbürtig, im Schlussabschnitt sogar überlegen und dem Ausgleich nahe. Das slowakische Publikum quittierte die Leistung der eigenen Truppe mit Totenstille und im weiteren Verlauf mit Pfiffen. Bader sagte zurecht: "Das war eine Weltklasse-Partie."

Dass dieselbe Leistung nur 17 Stunden später gegen Kasachstan nicht auf demselben Level abgerufen werden kann, sollte logisch sein. Nichtsdestotrotz bot das ÖEHV-Team gegen die fast ausschließlich aus Spielern aus der KHL – nicht gerade die schlechteste Liga der Welt – etablierte A-Nation wieder eine gute Leistung.

Wie dieses Spiel verloren gehen konnte, weiß Bader bis heute nicht. Der Teamchef meinte: "Wenn man sich das Spiel nochmal ansieht, sieht man noch mehr, welche unglaublichen Torchancen wir hatten. Wir müssen dieses Spiel definitiv gewinnen."

Der Sport ist manchmal brutal, springt die Scheibe nicht für dich, geht man aus so einer Partie schnell einmal als Verlierer vom Eis. Es muss angefügt werden, dass die Qualität der 46 Torschüsse nicht auf hohem Niveau war. Diese Anzahl an Chancen überhaupt zu kreieren, ist wiederum positiv zu werten.

Das Ungarn-Spiel brachte die größte Lehre

Die größten Lehren können wohl aus dem Ungarn-Spiel gezogen werden. Lange wurde schwere Kost geboten. Die Fragezeichen häuften sich.

"Immer wieder schleicht sich dieser Schlendrian an. Natürlich spielt der Kopf dabei eine Rolle. Natürlich war nach der verpassten Olympia-Qualifikation Frust dabei. Doch von Ungarn derart hergespielt zu werden, darf einfach nicht passieren."

Maximilian Girschele

Ist das das wahre Bild? Ist Österreich einfach noch nicht besser? Die Antwort auf beide Fragen: Nein, Österreich ist besser als das. Das hat die Mannschaft zum Glück noch bewiesen.

Das erste Drittel war ein Paradebeispiel dafür, wie Rot-Weiß-Rot nicht auftreten darf. Locker, lässig, ohne Intensität und im Glauben, spielerisch zu gewinnen.

Immer wieder schleicht sich dieser Schlendrian an. Natürlich spielt der Kopf dabei eine Rolle. Natürlich war nach der verpassten Olympia-Qualifikation Frust dabei. Doch von Ungarn derart hergespielt zu werden, darf einfach nicht passieren.

David Reinbacher forderte: "Wir müssen wirklich einen Schritt mehr machen. Wir wollen eine bessere Nation als Ungarn sein, eine etablierte A-Nation, dann muss einfach mehr kommen."

Nach einer deutlichen Kabinenansprache des Teamchefs wurden die Tugenden wieder umgesetzt, das erfolgreiche Vollgas-Eishockey auf die Platte gebracht. Vielleicht braucht die Mannschaft einfach immer wieder diesen Dämpfer, um zu verstehen, dass es so nicht geht.

Bader betonte deshalb: "Für das große Bild war dieses erste Drittel gut." Man könne die Botschaft, "dass wir solch einen Gegner nicht mit spielerischen Mitteln bezwingen, sondern kämpferisch mindestens dasselbe wie der Gegner reinwerfen müssen, mitnehmen."

Olympia-Teilnahme nicht verdient, aber die Zukunft sieht rosig aus

Acht Drittel wären gut gewesen, eines nicht, resümierte der Teamchef. Damit lässt sich d’accord gehen.

Ein genauerer Blick auf die Zahlen spiegelt diesen Eindruck wider: Bestes Powerplay, bestes Penalty Killing, die meisten Torschüsse aller Teams, dazu konnte David Kickert an seine starken WM-Leistungen anknüpfen und seine Nummer-1-Position, die eigentlich eh nie zur Debatte stand, festigen. Florian Vorauer gab nach seiner Einwechslung gegen Ungarn ebenfalls ein Versprechen für die Zukunft ab, einzig Thomas Höneckl ließ aus.

Leider bringt all dies in der Endabrechnung nichts, da die Scoring Efficiency mit 5,17 Prozent erschreckend schwach war. In Prag lag der Wert noch bei 13,82 Prozent.

Wäre das Team nur annähernd daran herangekommen, dürften wir vielleicht über das Olympia-Ticket jubeln. So sagte Lukas Haudum bereits nach dem Kasachstan-Spiel: "Wir haben uns Olympia einfach nicht verdient."

Dafür gibt es auch volle Zustimmung. Wenn die Spieler jedoch selbst spüren, dass der in den letzten Jahren eingeschlagene Weg stimmt – kann man dann widersprechen?

Dominic Zwerger war der Meinung, dass man in Bezug auf die Leistung und die Spielweise einen weiteren Schritt nach vorne gemacht hätte. "Nur die Ergebnisse haben nicht gepasst, aber wenn wir so weitermachen, können wir uns zu einer sehr schwer bezwingbaren Mannschaft entwickeln." Diesen Eindruck werden Österreichs Gegner wohl bestätigen können. Ein Zuckerschlecken war es für sie bestimmt nicht.

Routinier Raphael Herburger, der erstmals seit Bratislava 2021 wieder bei einem IIHF-Turnier dabei war und die Entwicklung des ÖEHV-Teams in den letzten Jahren vorwiegend aus der Ferne mitverfolgte, war überzeugt: "Der Charakter und die Qualität in der Mannschaft stimmen, es kommen gute Spieler nach. Für die Zukunft sieht es sicher rosig aus."

Können wir Roger Bader endlich mal in Ruhe lassen?

2026 in Mailand dabei zu sein, wäre natürlich unfassbar gewesen. Doch man sollte nicht vergessen, wo das Nationalteam herkommt. Welche Freude es uns in vergangenen Jahren beschert hat. Wie viel Spaß es uns macht. Und wie groß der Zusammenhalt in den eigenen Reihen ist.

Das ist ein Verdienst von Roger Bader. Ihm die Rute ins Fenster zu stellen, mangelnde Entwicklung vorzuwerfen und bei der erstbesten Gelegenheit seinen Rauswurf zu fordern, sorgt für Unverständnis.

Man kann zu ihm stehen, wie man will. Ohne den Schweizer und sein Trainerteam wäre Österreich allerdings nicht dort, wo es aktuell steht. Statt das Erreichte zu honorieren, sieht sich der Teamchef stets großer Kritik ausgesetzt. Da die Contenance zu wahren, ist nicht einfach.

Diese Lanze musste einfach mal gebrochen werden, die Debatte ist mühsam und kann gerne fortgeführt werden, wenn es dazu tatsächlich einen Anlass gibt.

Dieser ist aktuell nicht gegeben. Blicken wir stattdessen hoffnungsvoll in die Zukunft. Wie es unser Team macht.


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