Österreich hat ein veritables Problem auf der Torhüter-Position.
Seit gefühlt einer halben Ewigkeit bilden Bernhard Starkbaum, David Kickert und David Madlener im Eishockey-Nationalteam ein (erfolgreiches) Trio.
Dahinter werden zwar Ali Schmidt, Florian Vorauer oder Nicolas Wieser immer wieder in den Kader von ÖEHV-Teamchef Roger Bader einberufen, bekommen vom Schweizer auch das Vertrauen geschenkt und Chancen auf Einsatzzeit - doch in ihren Klubs sieht es bekanntermaßen anders aus.
Kommentar - Österreichs ICE-Torhüter: Eine aussterbende Spezies >>>
Es gibt kaum ernsthafte Alternativen
Schmidt hat den VSV vor rund drei Wochen offiziell verlassen, das fehlende Vertrauen der Vereinsführung und Head Coach Rob Daum bewegten den 23-Jährigen zu diesem Schritt.
Vorauer kommt beim KAC nicht über das Farmteam hinaus, 14 Saison-Einsätze in der Alps Hockey League sind für den 1999 geborenen Goalie jedoch ebenfalls zu wenig. Künftig wird er mit Sebastian Dahm das Goalie-Tandem der "Rotjacken" bilden.
Und Wieser bekam bei den Graz99ers zumindest 13 Spiele in der win2day ICE Hockey League, dennoch kann der im August 26 Jahre alt werdende erst auf insgesamt 19 Partien auf höchstem Niveau verweisen.
"Es ist frustrierend, wie wenig Auswahl der Head Coach auf der Position hat."
Nichtsdestotrotz zählen sie zu den Zukunftshoffnungen im ÖEHV-Tor, im erweiterten Kreis befinden sich Max Zimmermann (23 Jahre), Felix Beck (21), Sebastian Wraneschitz (21) und Leon Sommer (20).
Letzterer war schon bei zwei Teamcamps dabei, Wraneschitz durfte kurz nach seiner famosen U20-WM 2020 im April 2021 sogar im A-Team ran. Beck war seit der U18-C-WM 2019 nicht mehr im Umfeld eines Nationalteams, Zimmermann zuletzt bei der U20-B-WM 2018.
Geringe Auswahl an Torhütern "ist frustrierend"
Es zeigt schonungslos auf, wie wenig Alternativen Bader bei der Nominierung seiner Mannschaft hat.
Für Ali Schmidt gibt es im LAOLA1-Interview nichts schönzureden. Natürlich sei es für ihn positiv, immer dabei zu sein. "Auf der anderen Seite ist es schon zach, dass ich neun Partien in der höchsten Liga Österreichs spiele und eigentlich im erweiterten WM-Kader bin", sagt der Villacher.
Der Blick nach Deutschland stimmt ihn nachdenklich. In der DEL gibt es viele junge Torhüter, die teilweise sogar Einser-Status genießen. "Die sind nicht einmal auf Abruf", zeigt Schmidt die Dichte im DEB-Team auf. Von einer solchen kann in Österreich nur geträumt werden.
"Das ist schon beängstigend, wenn du in die Zukunft schaust", betont der Keeper. "Ein 'Starki' wird nicht mehr lange spielen, 'Kicks' und Madlener gehen auch schon auf die 30 zu bzw. sind darüber." Danach würden schon Wieser, Vorauer und Schmidt selbst kommen.
Der klarstellt: "Es ist frustrierend, wie wenig Auswahl der Head Coach auf der Position hat."
Mehrere Problemzonen
Um Österreichs nachkommenden Torhütern eine rosigere Perspektive bieten zu können, braucht es Lösungen - und das ehestmöglich.
Parallel dazu muss jedoch aufgeklärt werden, warum die Situation überhaupt derart dramatisch ist. Schmidt sieht mehrere Problemzonen.
"Tormann-Trainer sind meiner Meinung nach das größte Manko", meint der Villacher, der den HC Innsbruck als Beispiel anführt. Die "Haie" etwa haben keinen eigenen Coach für ihre Goalies, wodurch es kein spezifisches Training für sie gibt. Manche Klubs, wie etwa Villach oder Klagenfurt, setzen wiederum bis in den Nachwuchs auf Torhüter-Trainer.
Das Heranführen junger Torhüter in den Profi-Bereich sei ebenfalls problematisch. "Von der U20 in die erste Mannschaft ist es ein riesiger Schritt", konstatiert Schmidt. Der 23-Jährige spricht aus Erfahrung, schaffte er diesen - mit der Hilfe von Kurzeinsätzen in der AlpsHL bei Bregenzerwald und Zell am See - doch selbst.
"Aber eigentlich bin ich von der U20 direkt zu den Profis, was am seltensten der Fall ist und sicher nicht der beste." Für den ÖEHV-Goalie fehlt der Zwischenschritt, wie es ihn beispielsweise in der deutschen Oberliga (dritte Leistungsstufe, Anm.) gibt.
Dort haben sich die teilnehmenden Vereine im Rahmen einer freiwilligen Selbstbeschränkung darauf verständigt, dass nur Torhüter mit deutscher Staatsangehörigkeit eingesetzt dürfen. Diese Regel ist indes auch in den Statuten verankert.
Über die DEL2 - in der aufgrund der Ausländer-Regelung (maximal vier Spieler) fast ausschließlich deutsche Torhüter eingesetzt werden - gelingt vielen dann der Schritt in die DEL.
Die AlpsHL als möglicher Zwischenschritt?
In Österreich sieht er dafür die Alps Hockey League in der Pflicht, die allerdings genauso wie die ICE Hockey League multinational ausgespielt wird.
Neben den Farmteams von Salzburg, Klagenfurt und Linz sind mit Zell am See, Kitzbühel, Bregenzerwald und Lustenau noch vier weitere einheimische Teams vertreten. Sieben Klubs kommen aus Italien, Jesenice stellt den einzigen slowenischen Verein.
Dadurch würde eine Bestimmung wie in Deutschland "nicht funktionieren", meint Schmidt. "Die italienischen und slowenischen Klubs werden dagegen sein. Die wollen natürlich schauen, dass sie erfolgreich sind. Für italienische Mannschaften ist es das höchste, was sie gewinnen können."
Auf einheimische Torhüter setzen zu müssen, würde manch einen Verein im Kampf um den Meistertitel eher hinten anstellen lassen, glaubt der Torhüter.
Torhüter spielen schon im Nachwuchs zu wenig
Doch der Fisch fängt eigentlich schon viel früher zu stinken an.
"Ich habe in der U18 bzw. U20 rund 20 Partien im Jahr gespielt. Das ist eigentlich gar nichts. Wenn du dir andere Nachwuchsligen ansiehst, die spielen 40 Partien in der Saison. Das ist nicht schön anzusehen", müsste Österreichs Nachwuchs für Schmidt schon in jungen Jahren zu mehr Einsätzen kommen.
"Jetzt bekommen wir die Quittung dafür, dass in den letzten 10 bis 15 Jahren nicht viel mit uns gearbeitet wurde."
Da dem nicht der Fall ist, sieht der 23-Jährige für junge Österreicher "keine Perspektive. Entweder sie sind gut genug, dass sie in die erste Mannschaft kommen oder du musst dir mit sehr viel harter Arbeit einen anderen Weg suchen. Die Perspektive ist damit nicht gegeben", zieht Schmidt ein vernichtendes Urteil.
Der auf Vereinssuche befindliche Keeper sieht noch viel Arbeit, "damit aus dem Nachwuchs konstant Torhüter rauskommen. Der Schritt muss von jedem Verein gemacht werden, sie müssen einmal auf die Torhüter schauen."
Schließlich würden die Klubs auch auf Skills-Coaches für Feldspieler setzen. Die Bedeutung will Schmidt gar nicht kleinreden: "Natürlich hilft das den Spielern und es kommen immer mehr Talente raus."
Die Torhüter werden allerdings hinten angestellt. "Jetzt bekommen wir die Quittung dafür, dass in den letzten 10 bis 15 Jahren nicht viel mit uns gearbeitet wurde", sagt Schmidt.
Schmidts Wünsche für eine rosigere Zukunft
Damit möglichst rasch Besserung eintritt und eine echte Perspektive für aufstrebende Torhüter zu erkennen ist, hat Schmidt mehrere Wünsche.
"Dass du in jedem Klub zwei Torhüter-Trainer hast, die wirklich konstant mit den Jungen arbeiten. Dass du einen Nachwuchs-Spielbetrieb hast, der auf einem hohen Niveau stattfindet, wo du genügend Spiele hast. Und es eine zweite Liga gibt, die nur in Österreich stattfindet, wo du gewisse Regeln implementieren kannst."
Schmidt erläutert: "Natürlich fehlen die Vereine dafür, aber wenn du eine rein österreichische zweite Liga hättest, könntest du eine Regel einführen, dass du mit einem heimischen Torhüter spielen musst oder ausländische Torhüter zählen zwei oder drei Import-Plätze."
Der 23-Jährige erhofft sich außerdem, dass "viel mehr Österreicher in die ICE reinkommen" und dort auch sinnvoll verwendet werden. "Meistens sind die jungen Österreicher immer nur als Backup gut, um bisschen auf der Bank sitzen. Und nach drei Jahren beenden sie die Karriere, weil sie eh nichts anderes bekommen."
So passiert bei Jakob Holzer, der beim KAC nie eine echte Chance erhalten hat und im letzten Sommer Alter von nur 23 Jahren den Fanghandschuh an den Nagel hängte. Damit sich solche Fälle nicht häufen, müssen sich die Dinge grundlegend ändern.