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Atte Tolvanen: "Ich kann den Unmut nachvollziehen"

Die Einbürgerung des gebürtigen Finnen sorgte für Wirbel. Jetzt spricht der Neo-Österreicher über seinen Weg ins Nationalteam:

Atte Tolvanen: Foto: © GEPA

Es war eine Ankündigung, die vielerorts für Aufregung und Unverständnis sorgte.

ÖEHV-Präsident Klaus Hartmann bestätigte bei der Eishockey-WM 2024 in Prag am Tag nach dem 4:1-Sieg gegen Norwegen und dem damit verbundenen Klassenerhalt die Gerüchte, wonach der gebürtige Finne Atte Tolvanen alsbald eingebürgert werden soll.

Der Kärntner begründete dies damit, dass die Einbürgerung eines ausländischen Torhüters die einzige kurzfristige Lösung für das österreichische Goalie-Problem, welches den Verband mehr als die Liga beschäftigt, sei.

Kurz vor Weihnachten hatte der Torhüter des EC Red Bull Salzburg neben dem finnischen tatsächlich auch den österreichischen Reisepass in seiner Tasche.

Debüt am Freitag gegen Frankreich

Teamchef Roger Bader zögerte nicht, nominierte den 30-Jährigen vor einigen Tagen für das Vier-Nationen-Turnier in Oslo in sein Aufgebot.

Und am Freitag wird Tolvanen gegen Frankreich (15:00 Uhr) den Bundesadler zum ersten Mal in einem Pflichtspiel auf der Brust tragen, bestätigt Bader am Donnerstag auf LAOLA1-Nachfrage.

Es wird eines der größer beachteten Debüts in der jüngeren Vergangenheit des Eishockey-Nationalteams sein.

Die ersten Tage im Nationalteam

"Die ersten Tage waren gut. Natürlich waren einige neue Gesichter dabei, ich habe nicht viele Spieler persönlich gekannt. Nur ein paar alte Mitspieler und meine aktuellen Teamkollegen. Aber es ist schön, alle hier zu sehen. Ich wurde sehr positiv empfangen", erzählt Tolvanen im LAOLA1-Interview.

Einen Finnen bringt bekanntlich nichts so schnell aus der Ruhe, das trifft auch auf den Goalie zu. Der zweifache Playoff-MVP in der win2day ICE Hockey League wirkt im Gespräch entspannt, aber zugleich fokussiert. Man bekommt das Gefühl, er könnte mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen, ins Tor gestellt werden - und würde trotzdem performen.

Apropos Schlaf: Der Neo-Österreicher hat in der norwegischen Hauptstadt ein Einzel-Zimmer bezogen, nichts Außergewöhnliches bei Torhütern. "Das hilft mir beim Schlafen, ich muss außerdem auf niemanden achten. Du kannst tun, was immer du tun musst, um dich auf die Spiele vorzubereiten", sagt Tolvanen.

"Ich wurde letztes Jahr während der ersten Playoff-Runde gegen Linz zum ersten Mal darauf angesprochen."

Atte Tolvanen über die erste Kontaktaufnahme des ÖEHV

Ins Team wurde der unweit von Helsinki aufgewachsene Finne bereits gut integriert. Die Sprachbarriere ist - auch für ihn - überraschend klein. "Ich bin selbst beeindruckt, wieviel ich bereits verstehen konnte", lacht Tolvanen, der seit seiner Ankunft in Salzburg im Sommer 2021 an seinen Deutsch-Kenntnissen feilt.

Erste Kontaktaufnahme bereits Anfang März 2024

Dass er in seiner Karriere doch noch einmal zu Nationalteam-Ehren kommen würde, hätte er nie gedacht. Während österreichische Goalies mit WM-Qualität auf einer Hand abgezählt werden können, ist die Auswahl bei den "Suomi" überbordend groß.

Die erste Kontaktaufnahme seitens des Eishockey-Verbands fand bereits Anfang März statt. "Ich wurde letztes Jahr während der ersten Playoff-Runde gegen Linz zum ersten Mal darauf angesprochen", verrät Tolvanen.

Selbst wäre es ihm nie in den Sinn gekommen, sich um eine Einbürgerung zu bemühen. "Ich habe nicht einmal daran gedacht, dass es möglich wäre", betont der 30-Jährige. Doch der Gedanke, durch die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft einmal bei einer Weltmeisterschaft antreten zu können, war verlockend.

Also sagte Tolvanen zu, der Einbürgerungsprozess wurde eingeleitet. "Mir haben viele Leute beim Ausfüllen und Besorgen der nötigen Papiere geholfen, dadurch war der Prozess ziemlich einfach. Sie haben Schwerstarbeit für mich geleistet, um das zu ermöglichen", zeigt sich der Salzburg-Keeper dankbar.

"Ich würde mich genauso fühlen, wen es andersrum wäre"

Im Sommer traf sich Tolvanen das erste Mal mit Teamchef Bader, in Helsinki lernten sich beide bei einem gemeinsamen Essen näher kennen.

"Wir hatten gute Gespräche", erzählt der dreimalige ICE-Champion und erläutert: "Er hat mir die Situation erklärt, was sie mit mir vorhaben und wie ich dem Team helfen kann."

"Ich kann den Unmut natürlich nachvollziehen. Ich würde mich genauso fühlen, wenn es andersrum wäre."

Atte Tolvanen

Wie der ÖEHV sein Vorhaben kommunizierte, stieß David Kickert im LAOLA1-Interview sauer auf. "Ich fand es schlimm, dass wir es aus den Medien erfahren haben. Mit mir und den anderen Goalies wurde gar nicht darüber gesprochen", sagte Österreichs Nummer eins, die in Salzburg mit Tolvanen ein erfolgreiches Tandem bildet.

"Ich kann den Unmut natürlich nachvollziehen. Ich würde mich genauso fühlen, wenn es andersrum wäre", versteht Tolvanen seinen nunmehrigen Landsmann.

Doch der Finne zerbricht sich nicht den Kopf darüber. "Es ist, wie es ist. Ich wurde darum gebeten, diese Position auszufüllen und das mache ich so lange, wie mir die Chance dafür geboten wird."

Tolvanen verspürt keinen Druck

Zusätzlichen Druck, da er als eine Art Heilsbringer für die heimische Goalie-Situation angesehen wird, verspürt er nicht. "Ich muss immer noch denselben Job erledigen. Es ändert überhaupt nichts daran, was ich zu tun habe."

Wie man mit Druck umgeht, weiß der Tormann ohnehin, wie er in Salzburg Jahr für Jahr beweist. Seine durchschnittliche Fangquote im ICE-Grunddurchgang liegt nach 115 Einsätzen bei 92,0 Prozent, in den Playoffs steigt dieser Wert auf beeindruckende 93,2 Prozent. Die Gegentorquote sinkt dort von 2,02 auf 1,7 pro Spiel.

Tolvanen begründet: "Mir gefällt es, wenn es in den Spielen um etwas geht. Ich habe das Gefühl, dass ich dann meine besten Leistungen zeige und der Fokus am stärksten ist. Das bringt das gewisse Extra in mein Spiel und hebt es an."

WM-Duell mit seinem Bruder in Stockholm?

Solche Zahlen erhoffen sich naturgemäß auch die ÖEHV-Verantwortlichen, wenn es im Mai zur WM 2025 nach Stockholm geht.

Fängt Tolvanen bei der WM die Schüsse seines Bruders?
Foto: © GEPA

Dort könnte es für Tolvanen zu einem Duell der besonderen Art kommen, wenn Österreich am 9. Mai sein Auftaktspiel gegen Finnland bestreitet. "Vielleicht kann ich ja gegen meinen Bruder antreten", strahlt er.

Besagter fünf Jahre jüngerer Bruder ist Eeli Tolvanen, der in der NHL bei den Seattle Kraken unter Vertrag steht. Aktuell liegen die Kraken neun Punkte hinter einem Playoff-Spot, die Chancen auf ein familiäres Aufeinandertreffen stehen also gut - vorausgesetzt, der Forward reist dann auch zur WM.

Tolvanen hofft: "Es wäre surreal und etwas, wovon ich nie geglaubt hätte, dass es passieren könnte."


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