Wir schreiben den 29. August 2021.
Nach zwei Niederlagen gegen die Slowakei (1:2) und Belarus (2:5) gewinnt Österreichs Eishockey-Nationalteam das letzte Spiel der finalen Qualifikationsphase für die Olympischen Winterspiele 2022 in Bratislava gegen Polen mit 4:1. Der inzwischen aus dem ÖEHV-Team zurückgetretene Brian Lebler wird mit einem Dreierpack zum Spieler des Spiels.
Auf den Tag genau drei Jahre später sind die Rahmenbedingungen fast dieselben. Wieder geht es in der slowakischen Hauptstadt um ein Ticket für eine Teilnahme unter den Fünf Ringen, das Auftaktspiel gegen Gastgeber und Top-Favorit Slowakei wartet. Alle Spiele der Olympia-Qualifikation im LIVE-Ticker >>>
Seit dem versöhnlichen Ende eines enttäuschenden Turniers ist im ÖEHV viel passiert. "Wir haben (in den letzten drei Jahren, Anm.) einen großen Schritt nach vorne gemacht", weiß Teamchef Roger Bader.
Dreimal in Folge den WM-Klassenerhalt geschafft
(Artikel wird unterhalb des Videos fortgesetzt)
Bedingt durch den Ausschluss von Russland und Belarus wegen des Angriffskriegs auf die Ukraine rückte Österreich bei der Weltmeisterschaft gemeinsam mit Frankreich wieder in die Top-Division auf und nutzte seither jede Gelegenheit, sich als A-Nation zu etablieren.
2022 wurde der WM-Klassenerhalt trotz des Sieges gegen Tschechien und dem Punktgewinn gegen die USA erst im letzten Spiel gegen Großbritannien fixiert, im folgenden Jahr wurde die Entscheidung überhaupt erst im alles entscheidenden Shootout gegen Ungarn erzwungen.
2024 in Prag präsentierte sich das Nationalteam schon souveräner, sorgte gegen Finnland und Kanada für Sensationen und hatte den Verbleib in der Top-Division bereits vor dem abschließenden Gruppenspiel gegen Großbritannien gesichert. Dort wurde mit einer unnötigen Niederlage die Chance auf ein mögliches Viertelfinale vergeben.
Nichtsdestotrotz illustriert dieser Werdegang, welche Entwicklung die Mannschaft von Teamchef Bader seit der letzten Olympia-Quali genommen hat.
Umbruch wurde eingeleitet
Der Schweizer hat nach Bratislava 2021 einen - vor allem in der Defensive - nötigen Umbruch vorgenommen.
Im Vergleich zum damaligen Kader wurden Alexander Pallestrang (34), Stefan Ulmer (33) und Martin Schumnig (35) aussortiert, außerdem sind Steven Strong (31), der sich nach der Vorbereitung nicht mit einer Rolle als siebter oder achter Defender zufriedengeben wollte, und Dominic Hackl (27) nicht an Bord.
Lediglich Dominique Heinrich (34), Clemens Unterweger (32), Bernd Wolf (27) und Kilian Zündel (23) waren vor drei Jahren schon dabei. Neu im Team sind David Maier (24), Thimo Nickl (22), David Reinbacher (19) und Paul Stapelfeldt (25). Auffällig: Alle sind 25 Jahre oder jünger.
Eine Etappe weiter vorne gab es ebenfalls Veränderungen, Thomas Hundertpfund (34), Brian Lebler (36) und Patrick Obrist (31) sind nicht mehr Teil der Bader-Truppe. Raphael Herburger (35), der seit der verpassten Olympia-Quali nicht mehr dabei war, und Johannes Bischofberger (30) geben hingegen ihr ÖEHV-Comeback.
Die Salzburg-Cracks Lucas Thaler (22) und Benjamin Nissner (26) konnten sich in den letzten Jahren ebenfalls ein Stammleiberl erkämpfen, mit Marco Kasper (20) und Vinzenz Rohrer (19) gibt es zwei weitere, hoffnungsvolle Juwele in den rot-weiß-roten Reihen.
"Wir haben die Mannschaft weiter verjüngt", verdeutlicht Bader und behält Recht. Im Schnitt ist der diesjährige Kader für das Turnier in Bratislava fast zwei Jahre jünger als jener von 2021.
"Jugend forscht"
"Jugend forscht", lautete das Motto in vergangenen Jahren.
Der ÖEHV-Teamchef war sich nicht zu schade, jeden Lehrgang dafür zu nutzen, neue Talente zu sichten und ihnen eine wertvolle Chance zu geben. In der Folge durften unzählige Cracks durften seit August 2021 ihr Debüt im A-Nationalteam feiern und finden sich immer wieder im Kader des Schweizers wieder.
Eine (positive) Folge der Verjüngungskur: "Wir spielen ein noch schnelleres Eishockey als früher", so Bader. Das Niveau der Cracks wird immer höher, da viele von ihnen bereits im Nachwuchs-Alter ins Ausland gehen und in den Genuss der ausgezeichneten Ausbildungsstätten in der Schweiz, Schweden oder Nordamerika kommen.
Nicht ohne Grund konnte sich Österreich 2020 über die ersten im NHL-Draft gedrafteten Spieler (Marco Rossi, Thimo Nickl, Benjamin Baumgartner, Anm.) seit 14 Jahren freuen. Marco Kasper, Vinzenz Rohrer, David Reinbacher und zuletzt Gregor Biber sowie Vasili Zelenov wurde diese Ehre mittlerweile ebenfalls zuteil.
Und davon profitieren letztendlich freilich auch Roger Bader und der Eishockey-Verband als Gesamtprodukt. Die WM-Erfolge der letzten Jahre wären sonst schwer bis kaum möglich, das zeigt nicht zuletzt das "Fahrstuhl"-Dasein, welches die ÖEHV-Auswahl in den eineinhalb Jahrzehnten davor fristete.
Führt die Entwicklung nach Mailand?
Das Nationalteam befindet sich auf einem Level, das es zuletzt wohl rund um die Jahrtausendwende hatte - und vor drei Jahren nicht unbedingt absehbar war.
Testspiele gegen Top-Teams wie Kanada, Tschechien oder Deutschland sind natürlich noch Highlights, aber inzwischen fast zum Standard geworden. Das ständige Kräftemessen mit Groß- oder gestandenen A-Nationen bringt den rot-weiß-roten Cracks überdies viele Learnings. So sieht man, was es braucht, um in deren Gefilde zu kommen.
Wenn keineswegs alltägliche Auftritte wie zuletzt in Prag hinzukommen, ist das nur die Bestätigung einer tollen Entwicklung der letzten Jahre. Ob diese nach Mailand führt, wird sich in den nächsten vier Tagen weisen.
Die Aufgabe ist alles andere als leicht, besonders Gastgeber Slowakei gilt es erst zu knacken. Bader betont: "Sie sind der stärkstmögliche Gegner, den wir haben können, steht eigentlich bei jeder WM im Viertelfinale und ist zudem individiuell sehr gut besetzt. Wir brauchen ein super Spiel, um sie zu schlagen."
Nachsatz: "Aber das ist möglich."