Verstärkungen für den Run auf den Stanley Cup standen immer im Mittelpunkt der NHL Trade Deadline.
Doch in letzter Zeit passierten immer mehr Transaktionen, die statt einem sportlichen eher einen finanziellen Hintergrund hatten.
LAOLA1-Experte Bernd Freimüller wirft einen Blick auf neue Trends in der NHL, wo Teams mit ihrem Cap Space anderen Teams aushelfen:
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Ein Topstar, der die nötigen Tore schießen soll? Eine Leaderfigur, die schon die Erfahrung aus unzähligen Playoff-Schlachten mitbringt? Ein "Rugged D", der für Einschüchterung an der blauen Linie sorgen soll? So die Wunschliste der Stanley-Cup-Anwärter, die über Jahre zur Trade Deadline Bestand hatte. Doch diese können für einige Teams nur an Land gezogen werden, wenn sie nicht das ganze Gehalt stemmen müssen – Stichwort "Salary Retention".
Was heißt das und worum geht's da?
Die Zurückbehaltung bzw. Reduzierung von Gehältern ist der neue Modetrend, obwohl die Möglichkeit dazu schon im CBA von 2013 geschaffen wurde. Der Grundgedanke:
Teams können bei abgegebenen Spielern bis zu 50 Prozent des Restgehalts weiterbezahlen. Dabei geht es sowohl um die wirkliche Restsumme als auch um das ausstehende Durchschnittsgehalt ("AAV – Annual Average Salary") auf die Vertragsdauer umgelegt, das für den Salary Cap herangezogen wird und den entscheidenden Faktor darstellt.
Keineswegs neu und auch schon oft angewandt. Doch nun schalten sich immer mehr dritte Teams ein, um diese Summen nochmals zu reduzieren. Hier ein Beispiel aus der Vorwoche, in dem die Minnesota Wild den Zwischenhändler gab:
Die Maple Leafs wollten von den St. Louis Blues, die schon länger im Verkäufer-Modus agierten, Center Ryan O'Reilly holen. Allerdings hatten die Leafs nicht den Cap Space für O'Reilly, der heuer für die ganze Saison mit 7,5 Millionen veranschlagt ist. Die Blues waren bereit, die Hälfte davon (also 3,75 Millionen) in ihren Büchern zu behalten, da sie keine Cap-Probleme haben.
So weit, so gut, aber selbst die 3,75 Millionen waren für die Leafs zu viel. Ein Zwischenhändler musste her und das waren eben die Wild. Sie übernahmen von den übriggebliebenen 3, 75 Millionen wieder die maximal erlaubten 50 Prozent, womit für die Leafs endgültig nur 1,875 Millionen übrigblieben. Und wir sprechen hier von den Summen für die ganze Saison, natürlich ist der Großteil hier schon für die Blues angefallen.
Für den Rest der Saison bleiben für die Leafs und die Wild jeweils ungefähr 557.000 Dollar an AAV übrig, die sie in ihren Cap Space pressen müssen. Für die Leafs ging sich das eben aus, für die Wild, die heuer sehr sparsam agierten, stellte das ohnehin kein Problem dar. O'Reillys Vertrag läuft mit Saisonende aus, womit alle drei beteiligten Teams ab dem Sommer keine Verpflichtungen mehr haben – sowohl das aktuelle Gehalt als auch die Retained Salaries der Blues und Wild verschwinden aus den Büchern.
Dieser Trade in alle Bestandteile aufgebrochen (es gab noch Nebendeals):
Blues: Ein Erstrunden- sowie ein Drittrunden-Pick (ursprünglich von Ottawa) 2023, ein Zweitrunden-Pick 2024 (alle von den Leafs) sowie die zuletzt in der AHL tätigen Stürmer Mikhail Abramov und Adam Gaudette. Von den Wild, zu denen O'Reilly ja ursprünglich auf dem Papier ging, erhielten sie kurzfristig als Gegenleistung die Rechte für den gedrafteten, aber nicht unter Vertrag stehenden Stürmer Josh Pillar.
Wild: Pillar zu den Blues, O'Reilly zu den Wild – allerdings nur für 30 Minuten. Für ihre Rolle als Zwischenhändler erhielten sie von den Leafs einen Viertrunden-Pick, allerdings erst für den 2025-Draft.
Leafs: Eben O'Reilly, aber auch Stürmer Noel Acciari (Cap Hit: 1,25 Millionen) von den Blues. Sie übernahmen die Rechte für Pillar von den Blues bzw. Wild. An die Blues gingen eben drei Picks, Abramov, Gaudette, an die Wild der Viertrunden-Pick.
Die Wild erhielten für ihre Rolle in diesem Deal eben einen Viertrunden-Pick, das ist ungefähr der gängige Preis. Das bestätigte sich auch eine Woche später, als Minnesota-GM Bill Guerin wieder als Zwischenhändler auftrat.
Defender Dmitry Orlov wurde von Washington nach Boston, die für die Playoffs einen Defender suchten, getradet. Wie die Leafs stießen aber auch die Bruins an der Obergrenze der Salary Cap an. Die Wild sprangen wieder in die Bresche und übernahmen 25 Prozent vom Durchschnittsgehalt, 1,275 Millionen (oder eben den aliquoten Teil für den Rest der Saison). Für dieses Entgegenkommen erhielten sie von den Bruins einen Fünftrunden-Pick 2023.
Wie kamen die Wild zu dieser Rolle?
Sie hatten heuer kaum Verletzungen, konnten ihre Payroll daher immer überschaubar gestalten. Für jeden Tag, an dem sie unter dem NHL Cap Limit von 82,5 Millionen lagen, häuften sie eben Spielgeld für den Rest der Saison an. Als sich abzeichnete, dass sie die so akkumulierten 15 Millionen nie und nimmer selbst für Playoff-Verstärkungen ausgeben würden, sprangen sie eben als Zwischenhändler ein und akquirierten so zwei Draft Picks.
Wichtig allerdings: Bei O'Reilly und Orlov handelte es sich um Spieler, deren Verträge eben im Sommer auslaufen. Denn die Salary Retention würde auch über die Saison hinausgeheben und weitere Vertragsjahre bzw. sogar ausgehandelte Vertragsverlängerungen betreffen. Ein No-Go für die Wild, die ja in den nächsten beiden Jahren die Buyouts von Zach Parise und Ryan Suter im Wert von jeweils fast 15 Millionen einberechnen müssen.
Auch für andere Teams macht es natürlich einen Riesenunterschied, ob sie noch ein Gehalt bzw. den wichtigeren Cap-Wert aliquot für ein paar Wochen bis zum Ende der Saison übernehmen müssen oder für mehrere Jahre.
Bar auf O'Reillys Kralle (oder auf dessen Konto) müssen die Wild nur knapp 75.000 Dollar bezahlen. Denn seine 7,5 Millionen-Cap-Belastung ist hier nicht die Berechnungsgrundlage, sondern das tatsächliche Gehalt für die Saison 22/23 von 6 Millionen. Davon fallen 5 Millionen an Signing Bonus (von den Blues bereits im Sommer ausbezahlt) schon einmal weg, die verbliebene Million muss auf den Rest der Saison (55 von 185 Tagen) aliquot berechnet werden.
Angenehmer Nebeneffekt für die Wild: O'Reilly übersiedelte (mit ihrer Hilfe) in die Eastern Conference, verstärkte damit nicht Teams im Westen, mit denen sie noch um den Playoff-Einzug rittern.
Regeln und Geschichte der Salary Retention
Die Möglichkeit, bei Trades einen Teil des Gehalts zu übernehmen, wurde eben schon 2013 eingeführt. Stand heute gab es 167 dieser Salary Retentions, darunter auch bei Michi Raffl (Philadelphia), zweimal sogar bei Thomas Vanek (Detroit und Buffalo), aber auch bei Bozens Matt Frattin.
Diese Namen zeigen, dass diese Methode ein alter Hut ist, allerdings zuletzt verstärkt und vor allem durch den Zuzug von Zwischenhändlern angewandt wurde. 13 Teams haben aktuelle solche Gehaltsbestandteile von Spielern, die abgegeben wurden, in ihren Büchern stehen, darunter für Vladimir Tarasenko oder auch den eben erst getradeten Timo Meier.
Der Grund für den verstärkten Trend, vor allem dem Zuzug von Zwischenhändlern: Wegen Corona blieb die NHL-Gehaltsobergrenze fast unverändert, stieg seit 2019 nur um eine Million an. Mehr und mehr Teams gerieten dadurch in Probleme, können daher Playoff-Verstärkungen nur zu reduzierten Gehältern in Erwägung ziehen.
Aber aufgepasst: Mehr als drei Salary Retentions kann eine Organisation nicht gleichzeitig laufen haben und diese dürften maximal 15 Prozent ihrer Gesamtgehälter ausmachen. Und wie gesagt: Mehr als die Hälfte eines Restgehalts darf ein Team nicht übernehmen.
Minnesota, St. Louis und San Jose haben zwei solche Gehaltsbeteiligungen in ihren Büchern stehen, acht weitere Organisationen eine. Da geht schon noch etwas bis zur Trade Deadline am 3. März, vor allem die immer findigen Arizona Coyotes, aber auch Anaheim und Detroit könnten hier noch als Zwischenbanken tätig werden…