Nach mehreren Verschiebungen steigt der NHL-Draft nun am 6. und 7. Oktober – zwar nur virtuell, aber erstmals seit langer Zeit wieder mit österreichischer Beteiligung.
Marco Rossi, Thimo Nickl, Senna Peeters und Benjamin Baumgartner halten als Quartett die rot-weiß-rote Fahne hoch, gehen aber unter verschiedenen Voraussetzungen in die große Verlosung.
LAOLA1-Scout Bernd Freimüller wirft einen Blick auf diese Talenteziehung und die rot-weiß-roten Cracks, die dabei zum Zug kommen könnten:
Was ist der NHL-Draft überhaupt? Welche Idee steckt dahinter?
1963 eingeführt, dient er dazu, die besten jungen Spieler auf die einzelnen NHL-Teams aufzuteilen. Die schlechtesten Teams der Vorsaison dürfen sich vor den besseren Mannschaften bedienen. Es soll also über die Jahre zu einer Chancengleichheit kommen und nicht immer die besten oder finanzstärksten Teams auch die besten Talente bekommen.
Welche Spieler können denn überhaupt gedraftet werden? Und wie viele?
(Text wird unter dem Video fortgesetzt)
Es geht hier vor allem um 17- und 18-jährige Spieler. Für den heurigen Draft ist das Stichdatum der 15. September 2002, jüngere Spieler dürfen ausnahmslos nicht gezogen werden. Die ältesten Spieler, die gedraftet werden können, sind europäische Spieler aus dem Geburtsjahr 1999. Nicht gedraftet werden dürfen Spieler der Jahrgänge 1998 und älter (bzw. 1999 und älter bei nordamerikanischen Spielern) sowie natürlich bereits in den letzten Jahren gedraftete Spieler, deren Rechte noch bei den NHL-Teams liegen.
Grundsätzlich hat jedes der 31 NHL-Teams einen Pick in jeder der sieben Runden, also 217 Picks insgesamt. Durch diverse Trades haben einige Teams mehr Picks, andere natürlich weniger, das ändert sich sogar noch während des Drafts. Ein Team möchte etwa statt als 20. als 15. in der ersten Runde draften, der Tauschpartner, der darauf eingeht, bekommt als Entschädigung zwei oder drei Draftrechte in späteren Runden.
Das letzte Team der Vorsaison kommt also als Erstes zum Zug? Und der Stanley-Cup-Sieger zum Schluss?
Das ist die Idee dahinter. Allerdings: Damit die schlechtesten Teams am Ende der Saison nicht absichtlich verlieren und den letzten Platz ansteuern, wurde vor einigen Jahren ein Lotterie-System eingeführt, das die Reihenfolge nach Saisonschluss noch einmal leicht abändern kann. Das letzte Team bekommt also nicht garantiert den besten Spieler, hat aber die größte Chance darauf.
Wie wissen die Teams aber, wer die besten Spieler sind? Wie wird die Reihenfolge festgelegt?
Deswegen geben die Teams ja Millionen von Dollar für ihre Scouting-Abteilungen aus. Diese sind das ganze Jahr auf Achse, schauen sich Tausende von Spielen und Spielern in Nordamerika und Europa an. Sie erstellen dann – jedes Team natürlich für sich und streng geheim – ihre Ranglisten, anhand derer sie vorgehen werden. Ein Team, das etwa an neunter Stelle in der ersten Runde draftet, streicht die Namen aus, die von den acht Teams zuvor gezogen wurden, und nimmt dann den Spieler, der auf ihrer Liste als Nächster kommt. Vor allem in den späteren Runden wird dann aber auch etwas extemporiert, nach Position gezogen oder die einzelnen Scouts nochmals nach ihren übriggebliebenen Lieblingsspielern befragt. Wegen des Abbruchs der letzten Saison und den dadurch entfallenen Spielen und Turnieren werden die Regional Scouts noch mehr einbezogen werden.
Was bedeutet der Draft dann für den jeweiligen Spieler? Ist er Leibeigener seines NHL-Teams?
Nicht unbedingt. Klar – wenn du z.B. von Arizona gezogen wirst, kannst du nicht sagen, dass du eigentlich lieber für die Rangers spielen würdest. Die NHL-Rechte sind klar verteilt, nur: Solange du keinen Vertrag unterschreibst, hat das Team kein Mitspracherecht dabei, wo du in der nächsten Saison spielst. Marco Rossi könnte also (theoretisch) ohne Vertrag bei seinem Juniorenteam Ottawa 67`s bleiben, für die VEU Feldkirch spielen oder auch seine Karriere beenden. Einzig in der NHL oder AHL darf er nur für sein Team bzw. Farmteam auflaufen und das natürlich nur mit unterschriebenem Vertrag.
Spieler, die keine Verträge vorgelegt bekommen bzw. diese nicht unterschreiben, bleiben nur über einen gewissen Zeitraum Eigentum des NHL-Teams. Dabei gelten unterschiedliche Regeln: Zwei Jahre für Spieler aus dem nordamerikanischen Junioren-Eishockey, vier Jahre für Spieler aus Europa, College-Spieler bis einige Monate nach ihrem Studienabschluss.
Daher kam es auch immer wieder dazu, dass Spieler zweimal gedraftet wurden. Als rot-weiß-rotes Beispiel dient hier Gregor Baumgartner: Er wurde 1997 von Montreal in der zweiten Runde gezogen, unterschrieb dort aber keinen Vertrag, ging 1999 in den Draft zurück, wo ihn Dallas in der fünften Runde zog. Das könnte theoretisch auch für Senna Peeters gelten (2002 geboren), nicht aber für Marco Rossi: 2001 geboren, wäre er nach zwei Jahren ohne Vertrag ein Free Agent – alles allerdings nur Theorie.
Was bedeuten all diese Scouting-Listen, die im Internet herumgeistern und die immer wieder besprochen werden? Und was ist Central Scouting von der NHL?
All diese Listen – egal ob von Privatpersonen, halbprofessionellen Scouting-Agenturen oder Journalisten erstellt – haben für die NHL-Teams keinerlei Bedeutung. Gleiches gilt auch für die Listen von Central Scouting, der von der NHL betriebenen Scouting-Abteilung. Deren vier Listen (europäische und nordamerikanische Skater bzw. Torhüter) werden zwar immer wieder als Indikatoren für Draftpositionen hergezogen, doch auch an diese sind die Teams keineswegs gebunden. Sie dienen lediglich als Diskussionsgrundlagen für Fans und Medien.
Um nochmals einen Extremfall zu kreieren: Marco Rossi – der überall als ein Top-10-Kandidat geführt wird – könnte auch gar nicht gedraftet, dafür aber ein obskurer rumänischer 18-Jähriger, der auf keiner Liste aufscheint, als Nr. 1 gezogen werden. Wird natürlich nicht passieren, wäre aber theoretisch möglich und würde gegen keine Regeln verstoßen. NHL-Teams müssen lediglich den Namen ihres Draft-Kandidaten in den NHL-Computer eintragen lassen (so er nicht ohnehin dort schon aufscheint) und das kann noch Minuten vor dem eigentlichen Pick passieren.
Österreicher in den bisherigen NHL-Drafts:
Eliteprospects listet 29 gedraftete Österreicher – dazu gehören aber 17 Austro-Kanadier, die ihren rot-weiß-roten Pass erst Jahre nach dem Draft erhielten und oft auch keine österreichischen Vorfahren hatten.
Die eigentliche Draftgeschichte für Österreich begann im Jahr 1995 mit dem Villacher Martin Hohenberger, dem elf weitere Spieler (Baumgartner eben zweimal) folgten. Davon schafften es nur Reinhard Divis, Christoph Brandner, Thomas Vanek, Andi Nödl und Michi Grabner tatsächlich in die NHL. Nödl und Grabner im Jahre 2006 waren bis heute auch die letzten gedrafteten Österreicher.
Die österreichischen Kandidaten für den Draft
Marco Rossi (2001 geboren, Center, Ottawa 67's):
Der zweite Drafttag (Runden zwei bis sieben) kann ihm ziemlich egal sein, er gilt als Anwärter für einen der ersten zehn Plätze. Ein brillanter Playmaker, der in seinen beiden Saisonen in der Ontario Hockey League fast nach Belieben scorte. Rein vom Hockey Sense und der Stocktechnik her ist der gebürtige Feldkircher sogar einer der absoluten Top-Guys.
Thimo Nickl (2001, Verteidiger, Drummondville Voltigeurs):
Ein spielstarker Defender mit guter Übersicht und Beinarbeit. Der Klagenfurter entschied sich vor der Saison zu einem Wechsel in die Quebec Major Junior Hockey League, wo er gemeinsam mit seinem Ex-KAC-Kollegen Fabian Hochegger für Drummondville spielt. Die Runden drei bis fünf scheinen realistisch.
Senna Peeters (2002, Flügel, Halifax Mooseheads):
Gebürtiger Belgier, der erst knapp vor der Junioren-B-WM zum Österreicher wurde. Zeigte in Minsk sein Scoring-Potential und erzielte dort mit schnellen Drehungen und Abfälschern auf engem Raum einige wichtige Tore. Spielte vor Jahren in der Red Bull Academy in Salzburg, heuer in der QMJHL für Halifax. Könnte als potenzieller Scorer später im Draft zum Zug kommen, sicher ist das aber nicht.
Benjamin Baumgartner (2000, Center, HC Davos):
Was für ihn spricht: Eine unglaubliche Junioren-WM in Minsk sowie eine Rolle in der Toplinie von Davos mit entsprechenden Scorerzahlen. Was gegen ihn spricht: Mangelnde Körpergröße sowie die Tatsache, dass er bereits durch zwei Drafts durchgegangen ist. Sein Name könnte gegen Ende des Drafts aufgerufen werden (Runden fünf bis sieben).