Während in Österreich die Eishockey-Szene seit Saisonbeginn gebannt auf das Wohl und Wehe von Marco Rossi schaut, steht in Nordamerika ein Kollege seines Draftjahrganges ebenfalls unter genauer Beobachtung: Alexis Lafreniere, Nummer eins im Draft von 2020, hat bei den New York Rangers auch so seine Schwierigkeiten.
LAOLA1-Experte Bernd Freimüller blickt auf die NHL-Anfänge des jungen Kanadiers:
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Sein Draftjahr
Lafreniere gelang 2019/20 ein Start-Ziel-Sieg. Er ging als klarer Favorit in sein Draftjahr und verteidigte diesen Status auch bis zum 6. Oktober, als der Draft Corona-bedingt verspätet und nur per Videokonferenz abgehalten wurde.
Auch in Nordamerika endete die Saison abrupt im März, die Draftkandidaten konnten sich nicht mehr in den Vordergrund spielen. Lafreniere – ein später 01er-Jahrgang – wäre für die U18-WM aber ohnehin nicht mehr spielberechtigt gewesen, sein letztes internationales Turnier war daher die U20-WM in Tschechien. Die Playoffs mit Rimouski in der QMJHL fielen für ihn ebenfalls ins Wasser.
Bei der U20-WM bewies er unzweifelhaft sein Talent, beendete das Turnier mit Gold um den Hals und als MVP. Zehn Punkte in fünf Spielen untermauerten Lafrenieres Status, während Teamkollege Quinton Byfield nur mitlief.
Tim Stützle wies seinen Aufwärtstrend auch in Ostrava nach und kletterte im Laufe der Saison die Draftcharts immer weiter hinauf, doch am Nr.1-Status von Lafreniere zweifelte am Ende der Saison niemand.
In der zweiteiligen Draft-Lotterie schwappte es die New York Rangers um neun Plätze auf die Top-Position, Byfield (Los Angeles Kings) und Stützle (Ottawa Senators) folgten auf den Plätzen.
Seine ersten beiden NHL-Jahre
Natürlich folgte der Entry-Level-Deal umgehend, auch sein Status als NHL-Fixstarter stand nie in Frage. Doch ein Front-Liner wurde Lafreniere in seiner ersten Saison unter Coach David Quinn nicht.
In der erst im Jänner 2021 beginnenden Spielzeit versäumte Lafreniere kein einziges Spiel, kam vor allem in der dritten Linie zum Einsatz. Nach sechs punktelosen Spielen gelang ihm sein erstes Tor in Buffalo, danach folgten acht weitere Spiele ohne Scorersheet-Eintrag.
Natürlich für einen NHL-Debütanten keine Tragik, aber das Spiel von Nr.1-Picks wird halt immer bis ins Detail seziert. Die Rangers schafften den Playoff-Einzug nicht, zwölf Tore und neun Assists in 56 Spielen war Lafrenieres Bilanz.
Was bei ihm noch dazu kam, allerdings heute keine Rolle mehr spielen sollte: Er war zwischen dem Abbruch der Saison im März 2020 und seinem NHL-Debüt im Jänner 2021 ohne jede Spielpraxis.
Den Spieler, den ich von der WM in Tschechien kannte, war ein Flügel mit starken Puckskills, der Raum für sich und andere schaffen konnte, und im entscheidenden Moment entweder selbst abschließen oder vorlegen konnte. Kein absoluter Speedster oder Power Winger, kein Über-Dangler, aber mit den richtigen Offensivinstinkten und defensiv zwar mit Lernbedarf, aber keineswegs ein Risiko.
Doch Lafreniere hob sich auch im zweiten NHL-Jahr lange nicht aus der Masse ab – die Diskussion drehte sich meist darum, ob er überschätzt wurde oder die Coaches ihm nicht genügend Chancen gaben. Vor allem das Powerplay drehte sich immer um die Top-Unit, wer da nicht dabei war (und das war Lafreniere eben nicht), bekam nur mehr Brosamen an Eiszeit ab.
Gerald Gallant übernahm im Sommer 2021 den Coaching-Job von David Quinn und warf sofort den Linienmixer an, ohne dass sich Lafreniere dauerhaft in den Top-6 etablieren konnte.
32-mal stand er aber doch in den ersten beiden Linien. Seine Eiszeit fiel von anfangs 15 Minuten auf nur zehn Minuten ab, ehe sie dann wieder anstieg. Immer wieder musste er zwischen den beiden Flügeln wechseln, etwas das vielen Wingern keine großen Probleme bereitet, aber bei Lafreniere (ein Linksschütze) wurde immer wieder der Move nach rechts diskutiert.
Den Rangers gelang der Einzug ins Conference Final, wo gegen Tampa dann Schluss war. Lafrenieres Bilanz: 19 Tore und 12 Assists in 79 Spielen, dazu noch zwei Tore und sieben Assists in 20 Playoff-Partien. Vor allem im Forecheck war Lafreniere in der Postseason durchaus ein Faktor.
Die heurige Saison
Lafrenieres Enty-Level-Deal läuft im nächsten Sommer aus, doch sein Status hat sich auch über den Sommer hinaus heuer kaum verändert.
Gallant mischte seine Linien wild durch, Ende des Jahres fand sich Lafreniere erst in der vierten Linie, dann gegen Tampa Bay sogar in der Press Box als Healthy Scratch wieder und das, obwohl die Rangers in dieser Phase durchaus gut unterwegs waren.
Da drehten einige Pundits und natürlich Fans durch, sahen einen Trade bereits um die Ecke kommen. Gallant kritisierte Lafrenieres Spiel als inkonstant, allerdings holte er ihn gleich wieder ins Aufgebot zurück. Auf einen Healthy Scratch in der Vorsaison reagierte Lafreniere mit einem sehr guten Finish der Regular Season und auch guten Playoffs. Zündet Gallants Maßnahme auch heuer?
Die große Frage über Lafrenieres Spiel war immer die des Eislaufens: Kann er sich von den Gegnern absetzen, auf NHL-Niveau Räume schaffen? Sollte er ein Playmaker von der Seitenbande oder ein Front-Net-Spieler sein? Zu oft ist er keines von beiden, wirkt unscheinbar und sein Defensivspiel ist nicht gut genug, um das aufzuwiegen.
Der Aufwärtstrend der vergangenen Saison ist verschwunden, in der "Kid-Line" mit Filip Chytil und Kaapo Kakko war er oft sogar das schwächste Glied. An den beiden Top-Left-Wingers Chris Kreider und Artemi Panarin kommt er sowieso nicht vorbei.
Seine Zukunft
Wie geht´s mit "Laffy" – so sein Spitzname - weiter?
Sein Marktwert hat sich sicher nicht verbessert, was bei einem auslaufenden Vertrag nie gut ist. Defender K’Andre Miller und Chytil brauchen ebenfalls Anschluss-Deals, beide haben Stand heute bessere Karten, wenn man den jeweiligen Draftplatz außer Acht lässt.
Das Top-PP-Unit der Rangers (Adam Fox/Panarin/Kreider/Mika Zibanejad/Vincent Trocheck) ist weiter einzementiert und spielt fast durch, auch hier kann Lafreniere keine Erhöhung seiner Eiszeit und damit seines Outputs erwarten. Lediglich drei seiner bisherigen 69 NHL-Punkte entstammen Überzahlsituationen. Sein letztes Tor liegt jetzt zwölf Spiele zurück.
Es ist ein bisschen ein Henne-und-Ei-Spiel zwischen den Rangers und ihrem als potentiellen Superstar gehypten Pick – hat er nicht genügend Chancen bekommen, sein Können zu zeigen oder ist es umgekehrt?
Als er zu Beginn der Saison anstelle von Vitali Kravtsov mit Panarin und Trocheck aufs Eis durfte, schaute auch nicht viel heraus, danach folgten wieder die Bottom-Six.
Wäre ein dauerhafter Wechsel auf den rechten Flügel nicht besser? Sollte er nicht mehr Powerplay-Zeit bekommen? Hat Gallant zu wenig Geduld mit ihm? Verbrennt die Organisation nicht zu viele Talente? Sollten nicht auch Kakko, Chytil oder Kravtsov (alles Erstrunder) schon viel weiter sein?
Miller oder Braden Schneider dagegen sind Stützen in der Rangers-Verteidigung, was wiederum dagegensprechen würde, dass die Rangers – wie sogar Kris Knoblauch, Coach des Farmteams in Hartford kritisierte – ihre Spieler eher zu früh ins Feuer werfen.
Bei diesen Fragen geht's sehr vom Spezifischen ins Allgemeine, doch bei Lafreniere schaut es derzeit nicht danach aus, als ob er heuer noch einen großen Ausbruch hinlegen wird. Was dann? Ein Trade und die Gefahr, dass er woanders sein Potential ausschöpft? Ein Kurzzeit-Vertrag um einen geringeren Betrag?
Lafreniere ist natürlich noch ein Restricted Free Agent, kann also keineswegs von sich aus wechseln. Doch gerade Kakko – Nr. 2 overall im 2019-Draft - spielte zuletzt bärenstark an der Seite von Kreider und Zibanejad und kann daher als Beispiel dienen, dass sich bei jungen Spielern das Blatt schnell wenden kann.
Ziemlich vertrackt alles, immerhin starteten die Rangers das neue Jahr mit drei Siegen. Doch Lafrenieres Karriere – jetzt gerade im Schatten der U20-Performance von Connor Bedard, der ebenfalls als Nr. 1 gedraftet wird – geht derzeit nicht in die richtige Richtung.
Es braucht vielleicht hellseherischer Fähigkeiten von GM Chris Drury, Lafrenieres Wert über den Sommer hinaus zu bemessen…