Es hat eine weltweite Pandemie gebraucht, um in der NHL zu einem neuen Collective Bargaining Agreement (CBA) zu finden.
Keine Parolen, Drohungen oder Beschimpfungen in der Öffentlichkeit wie vor den letzten Lockouts, weder NHL-Boss Gary Bettman noch Spieler-Capo Donald Fehr suchten die Kameras für ihre Agenden. Beide Seiten klammerten die Wiederaufnahme der Liga an diesen Rahmentarifvertrag und hatten damit Erfolg.
Die Spieler-Votes betrugen 502 zu 135 zugunsten des neuen Deals, von den Teams stimmten nur Chicago und Carolina dagegen.
Ein Blick von LAOLA1-Experte Bernd Freimüller auf einige der neuen Kernpunkte des Abkommens und welche Seite jeweils davon profitiert.
Grundsätzlich wird der jetzige CBA (durch Nichtkündigung im letzten Sommer bis 2022 gültig) bis zum Ende der Saison 2025/26 verlängert.
Allerdings: Die gesetzlich möglichen zehn Jahre für einen solchen Vertrag wurden nicht ausgeschöpft, es handelt sich eher um ein Übergangskonstrukt, das die Corona-Auswirkungen (unmittelbar und langfristig) behandeln sollen.
Ein Lockout wird aber damit bis 2026 (vielleicht sogar bis 2027) kategorisch ausgeschlossen.
Ein Blick auf einige Kernpunkte, vom Einfachen bis zum Komplizierten gereiht:
Spieler und ihre besseren Hälften bekommen Business-Class-Tickets für ihre An- und Abreisen vor und nach der Saison, für die Reisen zur Spielerpreis-Verleihung und auch für das Besichtigen neuer Häuser nach einem Trade, bei letzterem inklusive der dabei anfallenden Extra-Gepäckskosten beim Flug. Ab sofort können Spieler zwei- statt wie bisher nur einmal jährlich gratis zu Kontrolluntersuchungen beim Zahnarzt gehen.
Nur zwei Beispiele, welche kleine Zuckerl in so einem Konstrukt behandelt werden.
Teilnahmen an den Olympischen Spielen 2022 (Peking) und 2026 (Mailand), eine Einigung der NHL mit der IIHF und dem IOC wegen der Kosten vorausgesetzt. Natürlich ein Sieg für die Spieler, sodass nach einer Pause bei Olympia wieder die Profis übernehmen.
Keine Änderungen bezüglich der "Signing Boni". Ein klarer Sieg für die Spieler, weiter kann ein großer Teil des Gehalts am Beginn der Vertragslaufzeit ausgezahlt werden und ist damit auch "lockout-proof." Letzterer Faktor fällt aber für die nächsten Jahre ohnehin flach.
(Text wird unterhalb fortgesetzt)
"Front-loaded Contracts": Langfristige Verträge, wo die ersten Jahre weit höher dotiert als die letzten, sodass bei einem vorzeitigen Vertragsende der Spieler fast schon alles kassiert hat. Bis jetzt betrug der größte Unterschied zwischen dem höchsten und niedrigsten Jahr 50 Prozent, in Zukunft 35 Prozent, was diese Verträge für Spieler etwas weniger interessant macht. Gilt aber nur für Kontrakte, die bei Abschluss mindestens 7,5 Prozent der Salary Cap ausmachen.
"35+ Contracts": Langfristige Verträge für Senioren (über 35 Jahre alt) blieben bisher Salary-Cap-mäßig in den Büchern der Teams hängen, wenn diese Spieler vorzeitig in die Pension gingen. Das ist jetzt nicht mehr so, sofern die Summen pro Jahr gleichbleiben oder abfallen. Ein kleiner Sieg für die Spieler, da Teams vielleicht doch zu mehr solchen Verträgen überredet werden können.
Basis für Qualifying Offers: Dabei handelt es sich um das Mindestangebot, das ein Team nach einem auslaufenden Vertrag machen muss, um die Rechte für den Spieler (Restricted Free Agent) zu behalten. Findige Agenten ließen daher die größte Summe im letzten Vertragsjahr aufrufen, das QO orientierte sich nämlich an diesem. Diese "back-loaded contracts" wie bei San Joses Timo Maier (Steigerung von vier auf 10 Mio. Dollar innerhalb von vier Jahren) werden dahingehend eingeschränkt, dass das QO nur mehr 120 Prozent des Vertrags-Durchschnittswertes (und nicht mehr nur des letzten Jahres) beträgt. Das gefällt den Teams natürlich besser.
"No-move" und "No-trade”-Klauseln bleiben bei Vereinswechsel im Besitz der Spieler, das neue Team muss sie daher respektieren. Ein klarer Sieg für die Spieler, vielleicht basierend auf dem Fall von P.K. Subban. Der wurde im Juni 2016 zwei Tage vor In-Kraft-Treten seiner "No-Movement-Clause" von Montreal nach Nashville getradet, die Predators weigerten sich dann, diese Klausel zu übernehmen und waren damit auch im Recht. Das geht ab sofort nicht mehr.
Gehaltserhöhungen: Die maximal möglichen Summen für "Entry Level Deals" betragen 950.000 Dollar ab 2022, danach für zwei Jahre 975.000, 2026 dann eine runde Million. Zu spät für Spieler wie Marco Rossi oder Tim Stützle, die sich heuer noch mit 925.000 Dollar begnügen müssen. Das Mindestgehalt für einen NHL-Spieler beträgt ab 2022 750.000 Dollar (statt 700.000 in der heurigen Saison), später dann 775.000 Dollar. AHL-Mindestgehälter steigen im CBA-Verlauf auf 87.500 Dollar an. Alles im Rahmen und ein gewisser Inflationsausgleich.
Die einwöchige Gesprächsmöglichkeit mit UFAs fällt weg, theoretisch dürfen die GMs erst am 1. Juli um null Uhr mit den Spielern und ihren Agenten sprechen und verhandeln.
Ein Spieler, der getradet wird und danach die Trading Deadline bei seinem neuen Klub verbringt, kann sofort danach einen Achtjahres-Vertrag unterschreiben (Höchstgrenze), muss damit nicht bis zum 1. Juli warten.
Corona-Klauseln für heuer und die nächsten Saisonen
Kein Spieler kann zur Rückkehr in den Spielbetrieb gezwungen werden, hat dadurch auch keine finanziellen Nachteile. Zunächst meldete sich nur Dallas-Defender Roman Polak ab, er hat aber mit der NHL sowieso abgeschlossen und kehrt in seine Heimatstadt Ostrava zurück. Calgary-Defender Travis Harmonic folgte ihm Freitag. Edmonton-Verteidiger Mike Green am Wochenende.
Für europäische Teams wichtig: Spieler ohne Vertrag können nur innerhalb der nächsten sieben Tage in Europa unterschreiben. Tun sie das UND haben sich von den Playoffs ausgeklinkt, können sie nächste Saison nicht mehr in der NHL spielen. Spieler, die an den Playoffs teilnehmen, können nur innerhalb von zwei Tagen nach Ausscheiden bei einem europäischen Team unterschreiben. Spieler unter Vertrag können nicht die Saison in Europa beginnen und dann zur NHL-Saison 2020/21 zurückkehren.
32 Millionen Dollar werden heuer als Playoff-Fund zurückgehalten und zu gleichen Teilen an die Eigentümer und Spieler ausbezahlt. Dieser Betrag fällt auf 20 Millionen im nächsten Jahr zurück, wo allerdings (hoffentlich) wieder Zuschauereinnahmen zu erwarten sind.
Die Spieler verzichten in der nächsten Saison auf zehn Prozent ihrer Gehälter, die ihnen allerdings über die drei darauffolgenden Saisonen nachbezahlt werden.
Die Knackpunkte
Die obere Gehaltsgrenze bleibt vorläufig einmal (so wie heuer) bei 81,5 Millionen Dollar bestehen. Sie steigt erst wieder an, wenn die Liga-Einnahmen 4,8 Milliarden Dollar überschreiten. Sollte das passieren, werden zur neuen Cap-Berechnung die Einnahmen von zwei Saisonen zuvor herangezogen.
Eine flache Salary Cap bedeutet für die Spieler umgekehrt eine geringe Escrow-Zahlung. Diese einbehaltenen Gehälter, deren Rückzahlung eben immer von den finalen Liga-Ein- und Ausnahmen abhängig sind, wurden heuer schon für die nächsten Saisonen festgelegt. 2020/21 etwa 20 Prozent (Rekordwert!), von den nächstjährigen Einnahmen abhängig dann 14-18 Prozent für 21/22, danach zehn und schließlich sechs Prozent. Sollten im letzten CBA-Jahr mehr als 125 Millionen Dollar bei den Teams fehlen (sprich die Escrow-Zahlungen deckten die Ausgaben nicht genügend ab), verlängert sich der CBA um ein weiteres Jahr bis 2027 und der Escrow steigt von sechs wieder auf neun Prozent an.
Escrow bleibt weiter der Stachel im Fleisch der Spieler, allerdings sind die Zahlen wenigstens auf Jahre festgelegt. Die Abschaffung dieser Regelung, die den Zweck hat, die Einnahmen und Ausnahmen garantiert zwischen beiden Seiten aufzuteilen, gelang den Spielern nicht. Umgekehrt fanden die Eigentümer bezüglich Änderungen zur Arbitration (Schiedsgericht) bei Bettman und Fehr kein Gehör.
Beide Seiten haben beim CBA natürlich weiterhin genügend Sachen zum Grummeln, findige GMs und Agenten befinden sich auch sicher schon auf der Suche nach Loopholes. Doch insgesamt war beiden Seiten klar, dass jetzt keine Zeit für große Meinungsverschiedenheiten ist. Covid-19 zwang die NHL - die Mutterliga aller Lockouts - also zu einem CBA, der wie vieles noch im Februar als völlig unvorstellbar galt...