Die NHL Trade Deadline ist vorbei, nichts geht mehr.
Die Minnesota Wild waren damit beschäftigt, halb Schweden nach St. Paul zu locken. Wie präsentiert sich das Team nun und welche Auswirkungen haben die letzten Trades für Marco Rossi kurz- und langfristig?
Fragen, die LAOLA1-Scout Bernd Freimüller beantwortet:
Die Minnesota Wild und die Wochen vor der Trade Deadline
In Minneapolis bzw. St. Paul, wo sich das Xcel Energy Center befindet, gibt es seit jeher mit über 400.000 eine immens hohe schwedische Einwohnerzahl. Ganz gelang es Wild-General-Manager Bill Guerin nicht, diese zu verdoppeln, aber er ließ dabei in den letzten Wochen nichts unversucht. Die Stürmer Gustav Nyquist, Marcus Johansson, Oskar Sundqvist sowie Defender John Klingberg gesellten sich zu Filip Gustavsson, Jonas Brodin und Joel Eriksson Ek, der lokale IKEA hat schon Köttbullar nachbestellt.
Was sollen diese Trades den Wild bringen? Natürlich Offensive, die Serie von 2:1-Siegen, die das Team auf einen ziemlich abgesicherten Playoff-Platz führten, wird nicht ewig aufrechtzuerhalten sein. John Klingberg, der in der letzten Saison ein langfristiges Angebot aus Dallas ablehnte und seine Karten bei seinem Einjahres-Vertrag in Anaheim sicher nicht verbesserte, sollte die Nummer 1 im Powerplay sein und auch bei 5-gegen-5 für offensive Nadelstiche sorgen. Überwiegen seine offensiven Beiträge seine defensiven Nachlässigkeiten?
Oskar Sundqvist kannte Guerin noch aus seiner Tätigkeit in Pittsburgh und schätzt an ihm dessen Größe, Vielseitigkeit und Verlässlichkeit in beiden Richtungen. Außer im Skating erhält er überall Durchschnitts- oder knapp bessere Noten, er sollte für die Wild eine Option für eine Bottom-6-Center-Rolle werden. Er rückt jetzt einmal für Sam Steel ins Lineup.
Marcus Johansson hatte über die Jahre mit Verletzungen zu kämpfen, war aber heuer in Washington durchgehend fit. Er ist sicher kein offensiver Gamebreaker, könnte aber vielleicht Matt Boldy, der nicht so recht in die Gänge kommt, unterstützen. Der Flügel spielte bereits 2020/21 in St. Paul, war aber damals eben meist verletzt und, wenn fit, kein großer Faktor.
Der vierte im schwedischen Bunde, Gustav Nyquist, wird vorerst keine Rolle spielen. Die Columbus Blue Jackets ließen bei seiner Schulterverletzung verlauten, dass die Saison für ihn vorbei sei, er selbst glaubt an ein Comeback spätestens zu den Playoffs. Seine letzten beiden Spielzeiten (nachdem er 2020/21 durchgehend verletzt war) zeigten ihn öfters in defensiven Schwierigkeiten.
Zwei Flügel (einer davon verletzt), ein Center und ein Verteidiger – überdurchschnittliche Offensive für ein Team, das zuletzt fast nur von Kirill Kaprizov lebte, verspricht dabei aber nur Klingberg. Guerin hat den Kader sicher breiter gemacht, doch einen rapiden offensiven Anstieg versprechen seine Zuzüge nicht. Es schaut ein bisschen nach "more of the same" aus. Klingberg kann einerseits offensive Beiträge von der blauen Linie einbringen, andrerseits auch Löcher ins Defensivkonzept schlagen. Sein Debüt beim 4:0-Sieg gegen die Calgary Flames fiel aber vielversprechend aus.
Die Wild müssen weiter auf ausgezeichnete Goalieleistungen (Filip Gustavsson entwickelt sich zu einem Top-Mann der Liga), ihre Teamdefensive und Kaprizov hoffen. Jede Art der Formsteigerung von potentiellen Scorern wie Ryan Hartman, Frederick Gaudreau, Marcus Foligno oder Boldy würde in Richtung Playoffs guttun.
Kurzfristige Auswirkungen für Marco Rossi
Die Wild stehen derzeit mit fünf Centern da: Eriksson Ek, Hartman, Steel, Dewar und Sundqvist, wobei unter anderem Gaudreau auch jederzeit in die Mitte rücken könnte. Ein kurzfristiges NHL-Comeback des Österreichers würde eher überraschen.
Allerdings haben sich die Regeln mit der Trading Deadline geändert: Die Spieler, die zu diesem Zeitpunkt im NHL-Roster waren, können nicht mehr in die AHL geschickt werden.
Umgekehrt können bis zu vier Spieler aus dem AHL-Team angefordert werden. Zu diesen "Regular Recalls" kommen noch unlimitierte Emergency Recalls, wenn Verletzungen oder Sperren den Kader unter die für ein Spiel notwendigen 20 Mann drücken.
Die Kader-Obergrenze von 23 Spielern ist gefallen, allerdings gilt die Salary Cap noch bis zu den Playoffs. Hier haben die Wild aber immer noch mehr als fünf Millionen Dollar Spielraum, auch nach der bald erwarteten Rückkehr von Brodin werden sie keine Probleme haben. Mit dem Schweden verfügen die Wild dann über acht Defender und 14 Forwards (ohne Nyquist).
Sobald die Iowa Wild aus der AHL ausscheiden (belegen derzeit den letzten Pre-Playoff-Platz in ihrer Division), können unbegrenzt Spieler von dort noch oben rücken.
Langfristige Auswirkungen für Marco Rossi
Was man bei den Wild nie vergessen darf - ihre Payroll sieht für die nächste Saison so aus: Upper Salary Cap (noch unbestimmt, es werden 83,5 Millionen Dollar erwartet) minus fast 15 Millionen für die Buyouts von Ryan Suter und Zach Parise. Das ist bereits ein erheblicher Wettbewerbsnachteil, den Guerin natürlich stets im Kopf haben muss. Gut für ihn daher, dass er Jordan Greenway und seinen Vertrag, der noch bis 2025 gilt und mit jeweils drei Millionen pro Saison veranschlagt ist, zu den Buffalo Sabres traden konnte. Für heuer war sein Gehalt nicht unbedingt das Problem, seine nachlassenden Leistungen (kein Tor in den letzten 25 Spielen) und ein verschlafenes Teammeeting sehr wohl.
Die neuen Cracks haben nicht nur die schwedische Staatsbürgerschaft, sondern auch die Tatsache gemein, dass ihre Verträge mit Ende der Saison auslaufen. Ebenfalls im Sommer Geschichte: die "Retained Salaries" von Ryan O'Reilly und Dmitry Orlov (Retained Salaries: So funktionieren sie>>>). Guerin braucht Spielraum für neue Kontrakte, vor allem für Trainer-Liebling Gaudreau und Gustavsson, der nach seiner heurigen Saison natürlich eine erhebliche Gehaltssteigerung erwarten darf.
Für 14 Spieler unter Vertrag plus eben die nichtspielenden Suter und Parise stehen für die Saison 2023/24 knapp 71 Millionen in den Wild-Büchern. Da braucht man keine Glaskugel, um zu sehen, dass einige junge Cracks mit Entry-Level-Deals oder kostengünstigen Verträgen gebraucht werden.
Dazu gehört eben Rossi, aber auch Samuel Walker, der heuer bereits sechs NHL-Spiele bestritt und die Scorerliste in Iowa mit 43 Punkten aus 48 Spielen anführt. Der Wild-Talentepool gilt als sehr tief, auf der Centerposition dürften aber nur die beiden in der nächsten Saison für die NHL in Frage kommen. Durchaus möglich, dass Steel, der nach einem guten Beginn stark nachließ, keinen neuen Vertrag bekommt (auch wenn er billig wäre). Die Top-Center in Minnesota wären dann weiter Hartman und Eriksson Ek, dahinter wäre Platz, gleichzeitig aber wenig finanzieller Spielraum für teure Lösungen.
Die Wild haben vor und zur Trade Deadline ziemlich an der Schraube gedreht – Draftpicks flogen in beide Richtungen, Guerin machte den Kader breiter. Doch ein langer Playoff-Run würde aufgrund der Offensivmisere überraschen und Guerin wird sich vielleicht eher früher als später mit den Problemen, die in der nächsten Saison drohen, auseinandersetzen müssen.