Was bedeutet der NHL Expansion Draft der Seattle Kraken am 21. Juli für die Österreicher?
2017 mussten die heimischen NHL-Exporte noch zittern: Sowohl Michael Grabner als auch Michael Raffl wurden von ihren damaligen Teams (New York Rangers bzw. Philadelphia Flyers) nicht auf die Protected List gesetzt. Die Vegas Golden Knights wählten aber andere Spieler aus.
Auch Thomas Vanek, damals gerade ein Unrestricted Free Agent für die Florida Panthers, weckte mit 33 Jahren verständlicherweise kein großes Interesse.
Wie wird es am 21. Juli - oder davor - für die Österreicher auf den NHL Reserve Lists aussehen?
LAOLA1-Scout Bernd Freimüller mit einer Einschätzung:
Michael Raffl
Der Vertrag des 32-jährigen Villachers mit den Washington Capitals (übernahmen ihn von den Flyers knapp vor der Trading Deadline) läuft aus, er ist ab 28. Juli ein Unrestricted Free Agent.
Als UFA spielt er aber schon noch eine gewisse, wenn auch sicher theoretische, Rolle. Die Seattle Kraken könnten sich nämlich zwischen 18. und 20. Juli seine Rechte sichern (und ihn logischerweise, wenn auch nicht vorgeschrieben, unter Vertrag nehmen). Die Capitals würden dann im Expansion Draft keinen weiteren Spieler mehr verlieren.
Das wird bei aller Wertschätzung sicher nicht passieren: Warum sollten die Kraken Raffl unter diesen Umständen verpflichten, wenn sie ihn einige Tage später zum Beginn der Free Agency ein Angebot machen könnten und sie bis dahin schon einen Spieler der Capitals bekommen haben?
Seattle-GM Ron Francis könnte bei ihm – oder vielmehr noch interessanteren Spielern – theoretisch aber einen Deal machen: Er einigt sich während dieser Phase schon mit dem Agenten des Free Agents über einen Vertrag per Handshake, der aber erst in der Free Agency konsumiert wird. So verliert Francis keinen Spieler im Expansion Draft. Nicht unmöglich und es wäre auch nur sehr schwer nachzuweisen. Die Kraken können bis zu zehn Free Agents (Unrestricted oder Restricted) in dieser Vorverhandlungsphase unter Vertrag nehmen, es sollten aber wesentlich weniger – wenn überhaupt - werden.
Marco Rossi
Der Vorarlberger braucht im Expansion Draft nicht von den Minnesota Wild beschützt zu werden. Selbst wenn ihn seine durch Covid hervorgerufenen Herz-Probleme nicht vom Eis ferngehalten hätten, wäre das nicht anders gewesen. Spieler, die in den beiden letzten Saisonen erstmals in der NHL gespielt haben, sind kein Thema für die "Protected List".
Theoretisch könnte Francis ihn aber einem Verein als Ausgleich dafür anbieten, dass sie nicht einen Spieler auswählen, den sie unbedingt behalten wollen. Aber das hieße ja, dass dieser Spieler höher eingeschätzt wird als der Erstrunden-Pick des letzten Drafts – trotz der Erkrankung Rossis völlig unvorstellbar. Solche Tauschobjekte sind eher schwächere Prospects, Spieler am Rande des NHL-Kaders oder Picks für einen der kommenden Drafts.
Die letzte Woche war eine wilde für die Wild: Mit Ryan Suter und Zach Parise wurden zwei langjährige Stützen aus ihren noch vier Jahre laufenden Verträgen herausgekauft. Da gibt GM Bill Guerin für die nächste Saison einen größeren finanziellen Spielraum, danach wird es aber düster: In den drei Spielzeiten von 2022 bis 2025 stehen Guerin insgesamt 42 Millionen Dollar nicht zur Verfügung, die für die beiden als Dead Cap Space reserviert sind. Das lag Guerin schon bei der Verlautbarung dieser Buyouts schwer im Magen.
Die Wild suchen aber weiter einen Top-Center, obwohl Joel Eriksson-Ek nach einem offensiven Ausbruch in der heurigen Saison gleich einen Acht-Jahres-Vertrag über insgesamt 42 Millionen Dollar unterschrieben hat. So toll seine Entwicklung auch ist, aber als absoluter Top-Offensiv-Center einer NHL-Organisation könnte er weiterhin oberhalb seiner Gewichtsklasse boxen. Ryan Hartman, Victor Rask, Nick Bonino und Nico Sturm stehen auch in der nächsten Saison noch unter Vertrag - so sie nicht im Expansion Draft gezogen werden.
Belässt es GM Bill Guerin bei dieser Gruppe, zu der ja hoffentlich auch Rossi dazustoßen soll, holt er einen weiteren Hoffnungs-Center oder bohrt er gar ein großes Kaliber wie den in Buffalo unzufriedenen Jack Eichel an? Der hat noch fünf Jahre zu je zehn Millionen Dollar Vertrag, die Wild haben aber einen gewissen finanziellen Spielraum, wenn auch nicht unbedingt über die nächste Saison hinaus.
Nur: Auch wenn Eichels Unzufriedenheit ligabekannt ist und die Sabres bei einem Trade dadurch nicht ganz dominant auftreten können – (potentielle) Klassespieler wie der 24-jährige Center werden nur gegen große Pakete getradet. Etwa ein Spieler des jetzigen Wild-Kaders, ein oder zwei Picks sowie als große Gegenleistung Rossi als Erstrunden-Pick und späterer Ersatz für Eichel?
Alles nur Kaffeesudleserei ohne konkrete Ausgangspunkte natürlich, aber dennoch eher vorstellbar, als dass Rossi vom Expansion Draft tangiert wird. Rossis Entry-Level-Deal startet durch die krankheitsbedingte Verzögerung erst in der nächsten Saison, er spielt daher noch drei Jahre zu einem sehr überschaubaren Tarif. Gerade ab der übernächsten Saison wird das für die Wild sehr relevent und macht einen Trade von Rossi daher noch unwahrscheinlicher als ohnehin schon. Eichel verdient über die nächsten fünf Jahre insgesamt 50 Million Dollar, Rossi nicht einmal drei.
Benjamin Baumgartner und Thimo Nickl
Für sie gilt dasselbe wie für Hunderte von anderen NHL-Prospects: Theoretisch könnten sie Part eines Side Deals sein, dass Teams sie aber aktiv als Gegenleistung für unterbliebene oder in eine andere Richtung gesteuerten Picks beim Expansion Draft anstreben, kann ich mir ein Jahr nach ihrem Entry Draft nicht vorstellen.
Keiner von beiden kann auf eine Breakout-Saison zurückblicken, die auch anderen Teams ins Auge gestochen wäre.
Im Gegensatz zum Expansion Draft von 2017, wo das Schicksal von Grabner oder Raffl im Raum stand, dürfte der 21. Juli für österreichische NHL-Fans kein großer Grund zur Aufregung sein...