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Sind die Boston Bruins das beste Team aller Zeiten?

Ein Grunddurchgang für die Geschichte lässt für die Playoffs nur zwei Möglichkeiten zu: Die Bejahung dieser Frage oder eine herbe Enttäuschung.

Sind die Boston Bruins das beste Team aller Zeiten? Foto: © getty

65 Siege - das gab es noch nie.

135 Punkte - das gab es noch nie.

Die Boston Bruins haben den beeindruckendsten Grunddurchgang der über 100-jährigen NHL-Geschichte hinter sich gebracht und damit einen Platz in den Geschichtsbüchern sicher.

Das Aufgebot um David Pastrnak und Co. ging als "Juggernaut" in die Playoffs. Als Team, das kaum Schwächen gezeigt hat und das "Team to Beat" ist. Umgekehrt bedeutet das: Ohne den Stanley Cup wird die unglaubliche Saison nur ein schwacher Trost sein. 

Und die Krönung ist alles andere als selbstverständlich: Nur acht Teams haben seit der Einführung der President’s Trophy für das beste Team in der Saison 1985/86 auch den Stanley Cup gewonnen, zuletzt war das seit den Chicago Blackhawks 2013 zehn Jahre nicht mehr der Fall.

Als erstes Team stellen sich in der ersten Runde die Florida Panthers in den Weg - und haben mit einem 6:3-Auswärtssieg im zweiten Spiel schon bewiesen, dass die Bruins verwundbar sind. In Spiel vier auf eigenem Eis soll der erneute Serienausgleich zum 2:2 gelingen (Sonntag, ab 21:30 Uhr im LIVE-Stream von LAOLA1>>>).

Aber was hat die Bruins in dieser Saison bislang so stark gemacht? Sie zeigen kaum Schwachstellen:

Die Offensive: Eben nicht nur David Pastrnak

305 Tore waren hinter den 325 Treffern der von Connor McDavid angeführten Edmonton Oilers der zweitbeste Wert der Liga, was bloße Tore betrifft.

Der große Unterschied: Die Bruins verlassen sich nicht so stark auf einzelne herausragende Scorer, wie es bei den Kanadiern mit McDavid und auch Leon Draisaitl der Fall ist.

Klar: David Pastrnak legte mit brutalem Abstand die beste Saison seiner Karriere hin, war neben McDavid (64) mit 61 Treffern der einzige Schütze über 60 Saisontoren. 113 Scorerpunkte machten ihn hinter dem Superstar (153) und dessen deutschen Teamkollegen (128) zur Nummer drei und in normalen Spielzeiten zu einem MVP-Kandidaten.

Aber das Scoring dahinter ist breit aufgestellt. Gleich acht Boston-Spieler knackten die 50-Punkte-Marke, fünf erzielten mehr als 20 Saisontore. Und das ist nur die Leistungsspitze, hinter der sich der restliche Kader nicht verstecken muss.

Brad Marchand (21 Tore/46 Assists), Patrice Bergeron (27/31), Pavel Zacha (21/36), David Krejci (16/40), die Defender Hampus Lindholm (10/43) und Charlie McAvoy (7/45) sowie Jake Debrusk (16/29), Charlie Coyle (16/29) und Taylor Hall (16/20) finden sich innerhalb einer Spanne von 31 Scorerpunkten wieder.

Und als wäre das nicht genug, wurde mit Tyler Bertuzzi zur Trade Deadline auch noch ein Stürmer aus Detroit geholt, der über eine Saison schon die Fähigkeit zu über 60 Scorerpunkten unter Beweis gestellt hat. Nach 21 Regular-Season-Auftritten an neuer Wirkungsstätte brachte er es schon auf vier Tore und zwölf Assists.

Unter dem Strich ergibt sich damit eine unglaubliche Tiefe, die kein anderes Team vorweisen kann. Es reicht nicht, eine Linie der Bruins zu bearbeiten, Scoring-Gefahr geht vom ganzen Lineup aus.

Ähnliche Qualitätsdichte in der Defensive

Fast beeindruckender als das Scoring-Aufgebot: Die 177 Gegentreffer, die in 82 Spielen hingenommen wurden. Die Nummer zwei dieser Bilanz - die Carolina Hurricanes - mussten 36 mehr hinnehmen.

Die herausragende Defense um Hampus Lindholm, Charlie McAvoy und Brandon Carlo wurde zur Trade Deadline mit Dmitri Orlov auch noch um einen Russen ergänzt, der 2018 mit den Washington Capitals den Stanley Cup in die Höhe stemmte.

Neben den Beiträgen zur Offensive - siehe die Scorerzahlen von Lindholm und McAvoy oben - musste Boston in der Regular Season nur zweimal sechs oder mehr Gegentreffer zulassen.

Richtig überragend war aber das Penaltykilling: Mit einer Erfolgsquote von 87,3 Prozent reihen sich die 2023er Boston Bruins auf Rang 30 der ewigen Bestenliste in der NHL ein.

Das beste Goalie-Duo ever?

Klarerweise geht die astreine Defensiv-Bilanz nicht nur auf die Kappe der Verteidiger. Mit Linus Ullmark und Backup Jeremy Swayman hat Boston das erste Torhüter-Gespann in seinen Reihen, das für 40 und 24 Siege verantwortlich war.

Ullmark führte die NHL mit einer Save Percentage von 93,8 Prozent und einem Gegentor-Schnitt von 1,89 gleichermaßen an, Swayman folgte mit 92,0 Prozent und 2,27 Gegentreffern (da wie dort Nummer 4 unter Keepern mit mindestens 20 Saisonspielen) nicht weit dahinter.

Ullmark darf sich damit getrost Hoffnungen auf die Auszeichnung mit der Vezina Trophy für den besten Torhüter machen. In seinem zweiten Jahr in Boston blüht der ehemalige Schlussmann der Buffalo Sabres richtig auf, lässt der Schwede aus, ist sein mit 24 Jahren fünf Lenze jüngere Kollege da. Ein Luxus, der sich in dieser Form nirgends sonst findet.

Erfahrung und Verträge: Es fällt alles zusammen

Drei Spieler waren schon dabei, als die Bruins 2011 zuletzt den Stanley Cup holten: Patrice Bergeron, David Krejci und Brad Marchand.

Sie sind nicht nur die klaren Leader des Teams, sondern mit 37, 36 und 34 Jahren auch zusammen mit Nick Foligno (35) die ältesten Spieler am Roster. Letzterer bringt als langjähriger Kapitän der Columbus Blue Jackets ebenfalls reichlich Leaderqualitäten mit, ohne diese Rolle in Massachusetts unbedingt ausfüllen zu müssen.

Mit einem Altersschnitt von 28,56 Jahren ist Boston in den Top Ten der ältesten Aufgebote zu finden, ohne ganz an die Spitze der Statistik zu gelangen. Erfahrung und Routine, um in Drucksituationen wie den Stanley-Cup-Playoffs zu bestehen, ist also da.

 

NHL-Playoffs: Florida Panthers - Boston Bruins, Sonntag (21:30 Uhr) im LIVE-Stream>>>

Es könnte allerdings zum "letzten Ritt" für das routinierte Team werden. Bergeron soll schon länger mit einem Karriereende spekulieren, ähnliches ließ sich bei Krejci vernehmen. Ihre Verträge laufen ebenso wie jener von Foligno Ende der Saison aus.

Überhaupt ist das Timing der Saison 2022/23 durchaus ein Mitfaktor, den es gebraucht hat, um solch eine Truppe im Rahmen des Salary Caps zusammenzubringen. Einige Verträge laufen aus, einige werden teurer. So wird David Pastrnaks neues Arbeitspapier ab der nächsten Saison jährlich rund 4,5 Millionen US-Dollar mehr gegen die Gehaltsgrenze mit sich bringen, Jeremy Swayman befindet sich überhaupt noch in seinem Rookie-Deal und wird ebenfalls mehr Geld bekommen müssen. 

So steht der Anlauf auf den Stanley Cup auch ein wenig unter dem Motto: Jetzt muss es sein.

Und was könnte dagegensprechen?

Die Krux an den Playoffs: In vier schlechten Spielen kann alles vorbei sein. Wenn etwa der Verletzungsteufel zuschlägt, kann das schnell der Fall sein.

So müssen die Bruins zu Beginn der Playoffs etwa auf Patrice Bergeron verzichten. Und der Ausfall des Routiniers und Kapitäns, der sich ebenfalls in seiner besten NHL-Saison befindet, wird seine Auswirkungen haben.

Dass Boston verwundbar ist, haben die Florida Panthers schon in Spiel zwei gezeigt, wo sie mit dem 6:3 erst für die dritte Saisonniederlage mit sechs oder mehr Toren sorgten.

Und wenn es nicht die Panthers sein sollten, die die Wundertruppe stoppen: Die Konkurrenz um den Stanley Cup ist so breit wie selten.

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