Die Aufregung nach dem ergiebigsten NHL-Draft für Österreich mit drei ausgewählten Spielern hat sich gelegt.
Marco Rossi wurde als Neunter von den Minnesota Wild gezogen, Thimo Nickl kam in Runde vier zu den Anaheim Ducks, Benjamin Baumgartner in der sechsten Runde zu den New Jersey Devils.
Aber wie geht es jetzt genau weiter?
LAOLA1-Scout Bernd Freimüller analysiert die Rahmenbedingungen für die Zukunft von Rossi, Nickl und Baumgartner.
Marco Rossi:
An neunter Stelle von den Minnesota Wild gezogen, vor allem aufgrund der Center- und allgemeinen Stürmermisere dort passt das wie die Faust aufs Auge. Depth Charts ändern sich jedoch dauernd und GM Bill Guerin war zuletzt auch aktiv.
Mit Nick Bonino kam ein verlässlicher Two-Way-Center aus Nashville, für ihn ging Luke Kunin. Von den Vertragsverlängerungen ist Joseph Cramarossa ein Mann fürs Farmteam Iowa Wild, Nico Sturm muss sich erst auf NHL-Niveau etablieren (natürlich genauso wie Rossi).
Für die Mitte neben Bonino, Sturm und Rossi noch ein Thema: Marcus Johansson (eher ein Flügel), Nick Bjugstad (ebenfalls in der Mitte nicht die optimale Besetzung), Joel Eriksson Ek (limitierte Offensive bis jetzt) sowie der zuletzt in Ungnade gefallene Viktor Rask.
Viele Teile für das Puzzle und außer Bonino, der in Nashville aber die dritte Linie anführte, kaum Garantien. Guerin stehen derzeit noch 2,7 Mio. Dollar Cap-Space zur Verfügung, so er nicht per Trade noch Gehalt abwerfen kann. Leicht wird das nicht, einzig für Defender Matt Dumba gäbe es sicher viele Interessenten.
Wie geht es für Marco Rossi aber weiter?
Sein Entry-Level-Deal:
Der kann in einer Woche, in einem Monat oder auch erst im Dezember unterschrieben werden. Theoretisch könnte der Österreicher auch ohne Vertrag ins Camp gehen, erst vor dem ersten Meisterschaftsspiel braucht er diesen.
Beide Seiten werden sich aber nicht solange Zeit lassen, denn die Parameter sind ohnehin vorgegeben:
Nicht ein, nicht zwei und auch nicht vier oder fünf Jahre – die drei Jahre sind ebenso fix wie die Obergrenze von 925.000 Dollar pro Jahr und die Tatsache eines Zwei-Weg-Vertrags (AHL-Gehalt: 70.000 Euro). Rossi sollte auch mit Sicherheit die Obergrenze von zehn Prozent seines Vertrags als Signing Bonus auf die Kralle bekommen. Gewisse Boni (z. B. Top-10 im Ligascoring bzw. Gewinner des Rookie-Preises) sind von der NHL vorgegeben und vom Salary Cap ausgenommen.
Frei zu verhandeln: Boni für gewisse Scorerzahlen, Einberufungen ins All-Star-Team, etc. Das Team kann auch die NHL-Boni verdoppeln. Alle diese Beträge werden aber dem Team angerechnet, das Erreichen dieser sollte also stets im Auge behalten werden, auch wenn das Team dadurch die Obergrenze (81,5 Millionen Dollar) um 7,5 Prozent überschreiten darf.
Große Streitpunkte dürfte es hier keine geben, doch wann der Vertrag letzten Endes unterzeichnet wird, kann ich nicht voraussagen.
Rossis unmittelbare Zukunft:
Sie dürfte in Zürich bei den ZSC Lions liegen. Solange er aber keinen NHL-Vertrag hat, entscheidet er selbst darüber, wo er spielt. Allerdings: Auch die Wild haben sicher Interesse daran, dass er vor den wohl im Dezember beginnenden Camps Spielpraxis erlangt.
Als "nordamerikanischer Spieler" (=aus der OHL gezogen) betrifft ihn das Abkommen zwischen den europäischen Klubs und der NHL nicht, eine Ausstiegsklausel mit Zürich sollte ihn jederzeit wieder aus dem Vertrag entlassen können.
NHL, OHL, Europa oder gar AHL?
Kann Rossi in der nächsten Saison in drei oder vier Ligen eingesetzt werden? Grundsätzlich gilt: Ein Spieler aus den höchsten Junior-Ligen (so er unter 20 Jahren alt ist) kann nur in der NHL oder eben im Juniorenbereich spielen, das regelt das Abkommen zwischen diesen Ligen. Europa wäre natürlich auch eine Alternative (so eine Assignment-Klausel im Vertrag eingebaut wird), die AHL ginge aber auf keinen Fall.
Wirklich nicht? Denn bei Rossi könnte eine Umgehung, die schon in der Vergangenheit öfters für Verwirrung gesorgt hat, im Eventualfall zum Tragen kommen. So er nämlich immer nur auf Leihbasis vom ZSC an die Ottawa 67s freigeben wurde, gilt er als europäischer Spieler. Dieses Regel-Loch machten sich etwa schon die Dallas Stars mit dem finnischen Defender Julius Honka und die Buffalo Sabres mit Alex Nylander zunutze, die beide in den respektiven Farmteams und nicht in den Juniorenteams zum Einsatz kamen. Licht ins Dunkel können hier nur die ZSC Lions und die NHL bringen, falls dies je schlagend würde.
Die OHL wird es wohl nicht mehr werden, noch dazu da deren Saison mit einem großen Fragezeichen behaftet ist. Rossi kann auf jeden Fall für neun Spiele in der NHL eingesetzt werden. Sollte es bei diesen neun Spielen bleiben, würde sein Vertrag bei einem Assignment nach Europa, in die OHL oder die AHL einfach um ein Jahr nach hinten geschoben werden, die drei Jahre erst in der Folgesaison beginnen. Erst mit dem zehnten Spiel wird das erste Jahr des Vertrags schlagend.
Benjamin Baumgartner und Thimo Nickl
Zwei weitere österreichische Draftpicks mit Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschieden:
Bei beiden ist mit einem baldigen NHL-Vertrag nicht zu rechnen. Thimo Nickl hätte die Saison sicher in Drummondville absolviert, die Einreisebestimmungen machen das aber unmöglich, sodass er jetzt bei den Junioren von Rögle in Schweden spielt.
Baumgartner wiederum hat einen Vertrag mit dem HC Davos. Die NHL hat nochmals herausgestrichen, dass Spieler aus Europa nicht in der nächsten Saison in der NHL bzw. AHL spielen können, bevor ihre Saison nicht beendet ist. Das heißt, Baumgartner könnte erst nach Saisonende von Davos für die Devils im Farmteam in Binghamton auflaufen, so sie ihm denn einen Vertrag anbieten.
Die Rechte auf europäische Spieler laufen grundsätzlich über vier Jahre. Das Gleiche gilt folgerichtig für John-Jason Peterka, den gerade für Red Bull Salzburg groß aufspielenden deutschen Flügel, den die Buffalo Sabres in der zweiten Runde gezogen haben.
Nur zwei Jahre haben die Anaheim Ducks Zeit, um Nickl (zwar Europäer, aber aus der QMJHL gedraftet) unter Vertrag zu nehmen. Um seine Rechte im nächsten Sommer nicht zu verlieren, müssen sie ihm ein "Bona Fide"-Angebot (=NHL Mindestgehalt von 700.000 Dollar) anbieten – eine reine Formsache, die nicht automatisch in einem Vertrag endet.
Sollte Nickl heuer aber eine gute Saison spielen, könnte er schon im nächsten Jahr mit einem Vertrag rechnen, da er sonst ja nur in Europa oder als Overager in Drummondville spielen könnte. Über seine Destination in Europa (derzeit eben Rögle) könnten die Ducks nur entscheiden, wenn sie ihn unter Kontrakt haben.
Zusammenfassend: Für Rossi und Nickl gelten die Regularien für nordamerikanische Cracks, für Baumgartner die für europäische, auch wenn sie alle über den gleichen Pass verfügen.
Grabner bleibt geduldig
Während bei den drei Jungcracks noch über eine lange Zukunft entscheiden wird, sieht es bei Michael Grabner anders aus. Nach seinem Buyout von Arizona ist er derzeit ein Unrestricted Free Agent, könnte sich seinen Arbeitgeber frei aussuchen.
Er ließ vor kurzem aber verlautbaren, dass er erst den definitiven Starttermin der NHL (angepeilt: 1. Jänner 2021) abwarten würde. Was das heißt und welche Teams sich überhaupt für ihn interessieren werden, wird sich wohl erst in den nächsten Wochen herausstellen…