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Vegas' Erfolgsstory: Gal(l)ant mit Blume

Krönen die Vegas Golden Knights ihre Premierensaison? Das spricht dafür:

Vegas' Erfolgsstory: Gal(l)ant mit Blume

Wenig Mutige werden vor einer Woche Luftsprünge gemacht haben.

Jene, die vor rund neun Monaten auf eine Stanley-Cup-Finalteilnahme der Vegas Golden Knights gewettet haben.

Der 31. NHL-Franchise gelang in ihrem ersten Jahr ein Kunststück, das wohl keiner für möglich gehalten hätte und das vor ihnen erst zwei anderen NHL-Teams - den Toronto Arenas 1918 und den St. Louis Blues 1968 - unter viel leichteren Voraussetzungen gelungen ist.

Doch wie konnte der Klub aus der Glücksspielmetropole in seiner Premieren-Saison ein Team formen, das zu derartigen Ausnahmeleistungen im Stande ist?

LAOLA1 hat sich vor der in der Nacht auf Dienstag beginnenden Finalserie zwischen den Vegas Golden Knights und den Washington Capitals - übrigens das erste Endspiel seit Anaheim gegen Ottawa 2007, in dem beide Teams erstmals die Chance auf "Lord Stanley" haben und es somit einen Premieren-Sieger geben wird - auf Spurensuche begeben und einige mögliche Gründe gefunden:

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Die "Verstoßenen": Zugegeben, der Terminus Verstoßene mag ein bisschen harsch klingen, doch er trifft den Kern der Gesamtaussage sehr gut. Die 30 NHL-Teams der Saison 2016/17 konnten vor dem Expansion Draft jeweils eine Liste mit ihren geschützten Spielern abgeben. Entweder einen Goalie, drei Verteidiger und sieben Stürmer oder einen Goalie und acht beliebige Feldspieler. Zudem waren alle Cracks geschützt, die im ersten oder zweiten Vertragsjahr standen. Aus dem Rest konnte Vegas' General Manager George McPhee und seine Mitarbeiter ihre Truppe zusammenstellen. Und auch wenn viele dieser Spieler, die ungeschützt blieben, wohl schon damit rechneten, ändert das nichts an der Tatsache, dass sie wohl alle heuer ihren Ex-Teams beweisen wollten, dass dies ein Fehler war. Hinzu kommt noch die Tatsache, dass die Verträge vieler Spieler nach dieser Saison auslaufen und sie sich somit in die Auslage spielen wollten.

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Die Unterschätzten: Das mag zwar abgedroschen klingen und jeder Profisportler betont in jedem Interview, in dem er auf eine Favoritenrolle angesprochen wird, immer wieder, dass man keinen Gegner unterschätzen darf, aber die menschliche Psyche folgt dann und wann eben doch ihren eigenen Gesetzen. Wie im Punkt zuvor erläutert, setzt sich die Mannschaft der Golden Knights aus dem "Durchschnittsbrei" der anderen NHL-Teams zusammen. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf werden wohl auch einige Stars der Liga in ihre Duelle mit dem 31. NHL-Team gegangen sein, vor allem zu Saisonbeginn. Und um solch eine Fahrlässigkeit zu bestrafen, reicht die Qualität der Vegas-Spieler dann doch aus, wie die gesamte Liga und vor allem der Westen mehr als schmerzhaft in dieser Saison und den Playoffs am eigenen Leib erfahren musste.

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Gerard Gallant: Ende November 2016 wurde der damalige Head Coach der Florida Panthers nach einem unbefriedigenden Saisonstart (11-10-1) im wahrsten Sinne des Wortes vor die Türe gesetzt. Der Team-Bus fuhr nach seinem Rauswurf nach der 2:3-Niederlage in Carolina ohne ihn zum Flughafen, Gallant musste ein Taxi nehmen. Auch wenn sich die Aktion danach als (mediales) Missverständnis herausgestellt hat, Gallants Abschied aus Florida war definitiv ein unrühmlicher. Rund 18 Monate später sieht die Welt völlig anders aus. Der 54-Jährige und sein Staff haben es geschafft, aus einem bunt zusammengewürfelten Haufen in kürzester Zeit eine konkurrenzfähige Truppe zu formen, die als Einheit funktioniert und damit erfolgreich ist. Die Spieler bekamen unter ihm die Chance auf einen Neustart, als Team aber auch für sich persönlich. Jeder konnte seine Rolle in dieser Mannschaft neu (er)finden. Gallant gab seinen Spielern Freiheiten, Fehler wurden geduldet und auf die individuelle Lernfähigkeit jedes einzelnen vertraut. Die Jack Adams Trophy für den besten Trainer der Saison scheint ihm so gut wie sicher, doch das Hochstemmen einer speziellen anderen Trophäe würde Gallants ganz persönliches Märchen wohl komplettieren.

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George McPhee: Wenn an dieser Stelle der Trainer und sein Beitrag für den Teamerfolg hervorgehoben wird, dann darf natürlich der General Manager mit seinen Gehilfen nicht fehlen. Und das schon aus dem speziellen Grund, da George McPhee eigentlich bei beiden Teams als einer der Erfolgsfaktoren für den Finaleinzug angeführt werden kann. In seiner 17-jährigen Amtszeit (1997-2014) bei den Washington Capitals draftete der bald 60-Jährige den Kern der diesjährigen Final-Mannschaft des Gegners. Zu jenen 13 Cracks gehören unter anderem Alex Ovechkin, Nicklas Bäckström, Evgeny Kuznetsov, der in Klagenfurt geborene Andre Burakovsky sowie die beiden Goalies Braden Holtby und Philipp Grubauer. Noch größer ist sein Beitrag allerdings bei seinem jetzigen Team, den Vegas Golden Knights. Bereits 2016 wurde er als erster GM der Franchise präsentiert und begann früh mit der Sondierung der Möglichkeiten und dem Zurechtlegen einer Struktur für den Expansion Draft. Bei diesem spielte McPhee seine ganze Erfahrung aus und wusste die gute Position der Knights, beispielsweise war Vegas in den Augen der anderen Teams ein ganz heißer Kandidat, ungeliebte Verträge zu übernehmen, perfekt auszunutzen. McPhee schnappte sich unter anderem Flügel Reilly Smith, für den die Florida Panthers nach seiner mäßigen Saison nicht weiterhin fünf Millionen Dollar pro Jahr zahlen wollten. In Vegas blühte der Kanadier auf, erzielte in 67 Regular-Season-Spielen 60 Scorerpunkte und hält in den Playoffs nach 15 Partien bei 16 Punkten. Als Teil des Trades, der den Panthers einen Viertrunden-Pick 2018 einbrachte, versicherte McPhee Florida, dass man im Expansion Draft Jonathan Marchessault ziehen wird. Der Ausgang? 75 Scorerpunkte in 77 Regular-Season-Spielen, 18 Scorerpunkte in 15 Playoff-Spielen. Weiters holte man sich nach dem Draft, in dem man unzählige Verteidiger zog, durch Trades Draftpicks, die Vegas zum einen helfen, ihren Nachwuchs-Pool ordentlich zu füllen und zum anderen auch in Tauschvorgängen hilfreich sein können bzw. zur Trading Deadline bereits waren.

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#VegasStrong: So schön die erste Profimannschaft in einer der großen nordamerikanischen Sportligen für die Stadt Las Vegas war und ist, so tragisch sind die Umstände ihrer Premiere. Am 1. Oktober 2017, also nur fünf Tage vor ihrem Debütspiel in der NHL und nur neun Tage vor dem ersten Heim-Auftritt in der T-Mobile-Arena, eröffnete ein Verrückter aus seinem Hotelzimmer in Las Vegas das Feuer und tötete 58 Besucher eines Festivals. Insgesamt 851 weitere wurden verletzt. Während der Schock in der Bevölkerung nur langsam nachließ, waren es in dieser Zeit die Golden Knights, die den Einwohnern von Las Vegas Kraft gaben und eine Sache, die sie die Gedanken an die Tragödie zumindest teilweise vergessen ließen. In einer hochemotionalen Zeremonie vor dem Eröffnungsspiel wurde allen Opfern und ihren Angehörigen gedacht und in Ehre der 58 Todesopfer die Nummer 58 als erste in der Geschichte der Franchise offiziell "retired". Getragen von diesen Emotionen und einer Stimmung, die eines Stanley-Cup-Finales würdig ist, brannten die "Goldenen Ritter" in den Anfangsminuten gegen die Arizona Coyotes ein wahres Offensiv-Feuerwerk ab und führten nach sechs Minuten bereits mit 3:0. Am Ende stand ein 5:2 für Vegas am Scoreboard, aber was noch viel wichtiger war: Eine Mannschaft am Eis, die einer leidgeplagten Stadt und ihrer Bevölkerung etwas zurückgeben wollte und vielleicht auch durch diesen Umstand jenen sensationellen Saisonstart hingelegt hat, der den Weg zum Gewinn der Pacific Division ebnete.


Die Zeremonie zu Ehren der 58 Todesopfer im Video:


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Flower Power: Für Goalie Marc-Andre Fleury passt der Hashtag #VegasBorn, mit dem sich die Franchise in den Sozialen Netzwerken kennzeichnet, so gut wie für fast keinen anderen. Der dreifache Stanley-Cup-Sieger "opferte" im vergangenen Sommer seine No-Movement-Clause und eröffnete George McPhee so die Möglichkeit, ihn zu ziehen und zum ersten wirklichen Gesicht der Franchise zu machen. Diese Aktion und seine ersten Auftritte als Golden-Knight-Mitglied machten ihn auf Anhieb zum Publikumsliebling. Doch viel wichtiger als seine Off-Ice-Tätigkeit ist für die Mannschaft das, was er zwischen den Stangen im blauen Halbkreis fabriziert – und das ist außergewöhnlich! In der Regular Season verletzungsbedingt auf 46 Spiele beschränkt, fuhr der 33-Jährige 29 Siege bei einer Fangquote von 92,7 Prozent ein. Zu absoluter Höchstform lief Fleury aber seit Beginn der Playoffs auf. Lediglich drei Partien verlor der Wüsten-Klub mit Fleury im Tor auf dem Weg ins Stanley-Cup-Finale. 94,7 Prozent aller Schüsse auf sein Gehäuse hat der ehemalige Penguin bisher in der Post Season entschärfen können, ganze vier Mal hielt er seinen Kasten komplett sauber. Fleury weiß, worauf es in den entscheidenden Momenten ankommt und was zu tun ist. Auch, wenn sein persönlicher Stanley-Cup-Hattrick nur formaler Natur wäre, denn er kam für die Pittsburgh Penguins weder im letzten Jahr gegen die Nashville Predators noch 2015/16 gegen die San Jose Sharks zum Einsatz.

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Die Ausgeglichenheit: Vegas hat keine Superstars in der Mannschaft, Vegas hat nicht einmal wirkliche Stars mit Ausnahme von Marc-Andre Fleury – der aufgrund seiner Position bei diesem Erfolgsfaktor ohnehin einen Sonderstatus einnimmt – und vielleicht mit Abstrichen James Neal. Sechs Alternate-Captains anstatt eines richtigen Kapitäns sind ein Zeugnis davon. Das bedeutet auch: Gerard Gallant musste weder auf irgendwelche Allüren und Forderungen statushöherer Spieler Rücksicht nehmen, noch konnten sich die Gegner wirklich auf die Spielausrichtung der Golden Knights einstellen, die einfach konstant und unbeirrt von ihren Kontrahenten vier relativ ausgeglichene Linien einsetzten. Dies spiegelt sich auch in der Time-on-Ice-Statistik wieder. William Karlsson brachte es im Grunddurchgang als meisteingesetzter Stürmer auf durchschnittlich 18:43 Minuten. Das ist gerade einmal Platz 55 in der gesamten Liga unter allen Stürmern. Noch drastischer ist das Bild bei den Shifts pro Spiel: Reilly Smith kommt als VGK-Leader mit 22,2 Shifts/GP ligaweit nicht über Platz 120 hinaus. In den Playoffs bekommt das Top-Trio Marchessault-Karlsson-Smith nun zwar deutlich über 20 Minuten Eiszeit pro Spiel (auch aufgrund der langen Overtimes), dennoch war dies über die Saison gesehen sicherlich ein Erfolgsrezept der Knights.

Die Twitter-Champs: Ok, der letzte Punkt in unserer Liste wird wohl auf die Mannschaft und deren Erfolg nicht allzu großen Einfluss nehmen. Er führte aber dazu, dass viele Hockeybegeisterte von Beginn an mit der neuen NHL-Mannschaft sympathisierten. Denn, die Social-Media-Abteilung der Golden Knights spielte unterhaltungstechnisch auf Anhieb im Konzert der ganz Großen der Liga mit. Mit teils provokant zynischen Tweets wird weder vor Gegnern, Journalisten noch großen TV-Stationen und Medien halt gemacht. Allerdings beweisen die Vegas-Mitarbeiter durchaus immer wieder auch einen Hang zur Selbstironie und nehmen sich selbst nicht zu ernst. Und genau deshalb überlassen wir dem Sensationsteam aus Las Vegas vor dem Beginn der alles entscheidenden Best-of-Seven-Serie an dieser Stelle das letzte und vielleicht prophetische Wort:

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