Ein selbst unter NHL-Kennern relativ unbekanntes Datum: Der 1. Juni, der im Gegensatz zum Beginn der Free Agency knapp ein Monat später völlig untergeht. Ein Blick auf die Bedeutung dieses Tages und warum er heuer einen Österreicher betrifft:
Was passiert am 1. Juni?
Um 17 Uhr (Ostküstenzeit) müssen Draft Picks, für die die Rechte auslaufen, ein "Bona-Fide"-Angebot erhalten. Das heißt, ihnen muss ein Entry-Level-Deal vorgelegt werden, der dann für 30 Tage Gültigkeit hat.
Und wenn das nicht passiert?
Dann verliert das jeweilige NHL-Team die Rechte, der Spiele kann theoretisch sofort von jedem anderen NHL-Team unter Vertrag genommen werden. Der Spieler verschwindet von der Reserve List seines Teams.
Gilt das für alle "Unsigned Draft Picks"?
Nein, eben nur für jene, für die die Rechte heuer auslaufen. Das betrifft Spieler, die in den Jahren 2020 oder 2022 gedraftet wurden. Es gibt auch Ausnahmen, wo die Rechte nach einem oder drei Saisonen auslaufen, was aber nur für Spieler gilt, die nicht in ihrem ersten möglichen Jahr gedraftet wurden.
Warum diese unterschiedlichen Daten?
Um die komplizierten Regeln etwas zu vereinfachen: Auf Spieler, die aus Europa gedraftet werden, halten die NHL-Teams vier Jahre lang die Rechte. Spieler aus der CHL müssen nach zwei Jahren unter Vertrag genommen werden. College-Spieler haben wiederum eigene Regeln, ihre Rechte laufen am 15. August ihres Schulabschluss-Jahres ab.
Also verschiedene Regeln für Europäer und Nordamerikaner?
Nein, es geht um die Ligen, aus denen die Spieler gedraftet werden bzw. wo sie nach dem Draft spielen, nicht um die Staatsbürgerschaft.
Warum der ganze Zinnober?
Teams sollen nicht unbeschränkt gedraftete Spieler bunkern können, irgendwann heißt es „shit or get off the pot“ – lege einen Vertrag vor oder vergiss es…
Wie viele Spieler betrifft das heuer?
Am 30. Mai waren es noch 46 Spieler, die ohne Vertragsangebot dastanden. Den Großteil stellen schwedische Spieler, die allerdings auch in Europa immer die größte Zahl am Draft-Tag ausmachten, dann vor allem auch Finnen und Tschechen (keine Deutschen oder Schweizer). Spieler, die aus der KHL gedraftet wurden, fallen nicht unter diese Deadlines, da die NHL mit dieser Liga kein Transferabkommen hat. Ihre Rechte haben kein Verfalldatum.
Irgendwelche Stars darunter?
Natürlich nicht, Erst-Runden-Picks fehlen hier völlig, es handelt sich vor allem um Spieler, die in der Mitte oder am Ende des Drafts gezogen wurden und sich dann nicht mehr sonderlich entwickelt haben.
Welchen Österreicher betrifft diese Regel?
Thimo Nickl, der ein ganz besonderer Fall ist: Er wurde 2020 von den Anaheim Ducks in der vierten Runde gezogen. Da er damals für Drummondville in der QMJHL spielte, wären die Rechte der Ducks eigentlich schon 2022 ausgelaufen. Nickl wechselte aber im Sommer 2020 nach Rögle in Schweden und spielte dort die folgende (Corona-)Saison, dadurch verlängerten sich die Rechte auf die für Europa üblichen vier Jahre.
Die Ducks traten diese Rechte am 31. März 2023 an die Pittsburgh Penguins ab, was aber für diese Regelung keinen Unterschied machte. Die Penguins legten Nickl im letzten Sommer auch keinen Vertrag vor, er spielte mit einem AHL-Deal, allerdings nicht für deren Farmteam Wilkes-Barre, sondern eine Klasse darunter in der ECHL in Norfolk. Ein NHL-Deal nur für ein Jahr wäre nicht möglich gewesen, Pittsburgh hätte ihn gleich für drei Jahre unter Vertrag nehmen müssen.
Dass die Penguins die Rechte an Nickl nun auslaufen lassen, ist nur die logische Konsequenz.
Was bedeutet das für seinen neuen Vertrag mit dem KAC?
Gar nichts, der ist weiter aufrecht. Viele dieser 46 Spieler spielen bereits in Europa oder haben einen Kontrakt für die nächste Saison unterschrieben. Spieler ohne NHL-Verträge können grundsätzlich in Europa tun und lassen, was sie wollen.
Sind die NHL-Träume für Thimo Nickl jetzt ausgeträumt?
Kurzfristig sicher, langfristig ist theoretisch noch alles möglich: Einige Spieler befanden sich in den letzten Jahren im selben Boot, ihr ursprüngliches NHL-Team legte keinen Vertrag vor. Der eine oder andere (waren aber natürlich absolute Ausnahmen) erspielte sich durch gute Jahre in Europa doch noch einen Vertrag als Free Agent.
Nordamerikanische Spieler, die kein Vertragsangebot erhalten, erhalten mitunter von anderen Teams Offerte, werden zu Camps eingeladen oder spielen in der AHL, ECHL oder in Europa weiter.
Zum realistischen Vergleich: Von den 30 anderen Spielern, die 2020 in der vierten Runde gedraftet wurden, schafften es bis jetzt zwei in die NHL: Mikkael Pyyhtiä (Columbus Blue Jackets) und Sean Farrell (Montreal Canadiens) brachten es auf insgesamt 25 Spiele.
Der 1. Juni hat auch heuer nur für eine geringe Anzahl an Eishockeyspielern Bedeutung und auch für sie kommen ausgebliebene Verträge eher selten überraschend…