Ein in Österreich beheimatetes U18-Eishockey-Team in der tschechischen Liga – kann so etwas gutgehen?
Mehr als nur das: Die Mannschaft der Red Bull Akademie dominierte den Grunddurchgang beim nördlichen Nachbar fast nach Belieben und eröffnet die am 17. März beginnenden Playoffs gar als Tabellen-Erster. Das internationale Projekt und die jahrelange Vorarbeit verdienen einen genaueren Blick darauf.
LAOLA1-Scout Bernd Freimüller analysiert die U18-Truppe und kennt den internationalen Stellenwert.
Historie:
Die U20- und U18-Teams der Red Bull Eishockey Akademie sind schon seit sechs Jahren international unterwegs. Dazu gehörten auch die zwei Jahre des U20-Teams in der russischen MHL sowie seit der Vorsaison die Spiele dieses Teams in der finnischen U20-Liga, die neben dem Alps-Hockey-League-Spielbetrieb bestritten werden.
Doch die engsten Beziehungen der Akademie bestehen seit jeher nach Tschechien – unter dem Titel "RB Hockey Rookies Cup" spielten beide Altersstufen über Jahre Freundschaftsspiele beim Nachbarn im Norden. Mit der aktuellen Saison gehört das U18-Team fix zur "Starsi Dorost" (="älterer Nachwuchs")-Liga, ein Projekt, das auch über die Saison hinausgehen und möglicherweise auch auf andere Altersstufen ausgeweitet wird.
Resultate:
Zuerst gab es in Tschechien eine Gruppenphase, in der Spiele gegen fünf Teams in und um Brünn auf dem Programm standen. Diese erste Standortbestimmung verlief für die Red-Bull-Youngsters souverän: 47 von 48 möglichen Punkten wurden eingespielt, Torverhältnis 107:18!
Danach ging es in die überregionale Finalphase mit Traditionsteams wie Sparta Prag, Kladno oder Ceske Budejovice. Natürlich eine weitaus größere Herausforderung. Das Resultat? Wieder Tabellenrang eins mit insgesamt 68 Punkten aus 26 Spielen, Torverhältnis 116:40. Eine größere Dominanz geht wohl kaum und die Akademie-Auswahl aus Salzburg gilt natürlich auch zum Playoff-Auftakt gegen Havirov als Favorit...
Das Niveau der Spiele:
Ich habe heuer zwei Spiele dieses Teams gesehen, darunter einen 2:1-Auswärtssieg in der Gruppenphase gegen Kometa Brno. Es war ein eindrucksvolles Spiel, eines der besten, das ich heuer gesehen habe, Senioren-Spiele inkludiert. Brno lief damals auch mit drei Cracks auf, die normalerweise Fixstarter im U20-Team sind und sogar zum erweiterten Kader der Ersten gehören. So etwa Goalie Lukas Dostal, ein sicherer Anwärter für den kommenden NHL-Draft. Das beweist, was auch Akademie-Chef Helmut de Raaf über den Saison-Verlauf sagt: "Wir sind jetzt das gejagte Team geworden, das jeder schlagen will." Das gelang aber während der ganzen Saison erst drei Mannschaften...
Das Team:
Die Mannschaft von Headcoach Teemu Levijoki verfügt vor allem über einen starken Kern aus deutschen Spielern. Dazu gehören etwa Goalie Kevin Mnich, die Defender Igor Alanov und Daniel Wirt sowie die Stürmer Mario Jentzsch, Edwin Schitz und Justin Schütz, der auch zu den besten Ligascorern gehört. Mit 65 Punkten in 39 Spielen knapp vor ihm gelegen: Marcel Barinka, Sohn des Ex-NHLers Michal Barinka, der derzeit noch für Kometa Brno verteidigt.
Marcel, ein spielstarker Center, gilt als einer der besten 2001-geborenen Spieler im tschechischen Eishockey. Weitere prominente Namen: Mack Stewart (Sohn von Augsburg-Coach Mike Stewart), Tommy Pasanen (Sohn von Ex-Iserlohn-Coach Jari Pasanen) sowie der tschechische Defender Filip Hadamczik, wie Barinka ein Enkel des ehemaligen tschechischen National-Trainers Alois Hadamczik.
Die österreichischen Fixstarter im Team? Die Defender Kilian Zündel und Philipp Wimmer sowie die körperlich starken Angreifer Paul Huber und Maximilian Rebernig – alles U18-Nationalteamspieler. Neben den im Jahr 2000 und 2001 geborenen Cracks kommen zeitweise auch bereits einige jüngere Spieler, die sonst in der österreichischen EJHL antreten, zum Einsatz: So etwa der derzeit leider verletzte Tim Harnisch (bereits bei der U20-WM im ÖEHV-Team), Luis Lindner und Leon Wallner sowie die beiden deutschen Ausnahmetalente John Jason Peterka und Samuel Dube, die Vorboten auf einen irrsinnig starken Jahrgang 2002 in Deutschland sind.
Der internationale Stellenwert:
Die Philosophie der Red Bull Akademie ist schon seit einer Zeit, als der prachtvolle Gebäudekomplex noch in Planung war, die gleiche: So viele internationale Vergleiche wie möglich. In puncto Kaderzusammensetzung folgte allerdings ein Umdenken: Wo bei Pierre Page noch ein internationales Konglomerat mit sehr vielen Nordamerikanern im Vordergrund stand, änderte sich die Philosophie in den zwei Saisonen unter Helmut de Raaf.
Die Akademie soll vor allem als Ausbildungsstätte für die beiden Profiteams in München und Salzburg dienen. Neben deutschen und österreichischen Cracks werden Spieler aus anderen Ländern eher punktgenau zugezogen. Wo in jüngeren Jahrgängen mit einem rein österreichischen Ligenbetrieb die rot-weiß-roten Spieler dominieren, ist bei den älteren Jahrgängen das deutsche Element stärker vertreten. Für Spieler, die nicht direkt den Weg nach München schaffen, dienen das AlpsHL-Team bzw. Münchens Partnerverein Riessersee - das gerade den DEL2-Grunddurchgang gewann - als Zwischenstationen.
Für NHL-Scouts ist Tschechien immer eine Reise wert
Das internationale U18-Team wird auch von NHL-Scouts gerne besucht, vor allem natürlich die Spiele in Tschechien. Beim Spiel in Brünn, das ich gesehen habe, waren etwa gleich mehrere NHL-Teams vertreten. Vor zwei Saisonen gaben sich die Scouts überhaupt die Klinke in die Hand – Objekt der Begierde: Der riesengroße belgische Torhüter Wouter Peeters, den die Chicago Blackhawks dann auch in der dritten Runde zogen. Ebenfalls mit Akademie-Erfahrung, wenn auch nicht in seinem Draftjahr: Der tschechische Angreifer Vaclav Karabacek, 2014 von Buffalo in der zweiten Runde gezogen. Wer an den Listen des Central Scouting Bureaus interessiert ist, das Prospects für den anstehenden Draft anführt: Neben Schütz werden hier gleich sieben weitere ehemalige Akademie-Spieler gelistet.
Als Pflichtspiele für internationale Talentesucher gelten auch die beiden Spiele, die das U18-Team gegen das tschechische U17-Nationalteam jährlich bestreitet. Die Ergebnisse heuer aus Sicht der Red Bull Akademie - 5:4 und 1:2 nach Verlängerung.
Für das U18-Team im tschechischen Ligabetrieb gilt das gleiche wie für alle anderen Akademie-Teams: Ausgezeichnete Schul- und Trainings-Bedingungen mit Rundum-Betreuung, im Gegensatz dafür wird totale Konzentration auf das Eishockey eingefordert. Die Eingliederung in eine Nachwuchsliga in einem Traditionsland wie Tschechien ist dabei ein weiterer interessanter Baustein am Weg zu einer Profikarriere...