Die Offseason für Teams ist gleichzeitig eine arbeitsintensive für Spieleragenten.
Jetzt ist die Zeit, für ihre Klienten neue Arbeitgeber zu finden oder zumindest den bestmöglichen Anschlussvertrag herauszuschlagen. Wie schauen die Spielerlisten, die täglich in den Email-Fächern der Teammanager eintrudeln, eigentlich aus? Wie unterscheiden sie sich in ihren Angeboten?
LAOLA1-Experte Bernd Freimüller wagt einen Blick hinter die Kulissen:
Zu gut, um wahr zu sein
Die meisten Agenturen bieten all ihre Klienten auf eine Liste an - vom Mitläufer aus der DEL2 bis zum Unterschiedsspieler in der KHL. Da finden sich dann halt Namen auf den Listen, die man als ICE- oder durchschnittliches DEL-Team sofort verpflichten würde, allerdings: "No Chance". Sam Anas, seit Jahren einer der AHL-Topscorer, wäre so ein Mann, er wäre aber bei einem Wechsel nach Europa wohl für die KHL (wenn er denn will) oder die Schweiz aufgelegt.
Nachfragen kostet nichts, aber die Antworten - wenn denn überhaupt eine kommt - sind meist ernüchternd: "Kommt nicht in eure Liga", "Nur zu einem Spitzenteam", etc. Erfahrene Sportmanager wissen das auch, lediglich Berufsanfänger sind dann manchmal pikiert.
Warum werden diese Spieler dann überhaupt feilgeboten? Nun, Agenten können schwer für jedes Team eine spezifische Liste erstellen, das wäre zu viel Arbeit. Natürlich gehen diese Listen nicht von der polnischen Liga bis in die KHL hinaus, die meisten Agenten spezialisieren sich auf wenige Ligen. Der eine oder andere von ihnen gibt sich überhaupt damit zufrieden, in jeder Liga zwei oder drei Teams zu haben, mit denen er enger zusammenarbeitet, natürlich sollten das eher die finanzkräftigen sein.
Einen Markt kreieren
Gerade in der DEL werden derzeit auch Spieler angeboten, die jederzeit bei ihren alten Teams bleiben könnten. Tyler Morley oder Taylor Leier wären zwei solche Spieler, die auf ausgezeichnete Saisonen zurückblicken können. Es ist allerdings die Aufgabe der Agenten, das Interesse anderer Klubs (entweder im In- oder Ausland) auszuloten, in Wolfsburg oder in Straubing zu verlängern können sie immer noch.
Es geht darum, einen Markt zu kreieren, neue Angebote dann mit denen für einen Anschlussvertrag zu vergleichen. Will der Spieler bleiben, kein Problem, ein Gehaltsanstieg sollte aber allemal drinnen sein. Natürlich besteht die Gefahr, dass das alte Team das Angebot zurückzieht und Interessenten mittlerweile anderweitig zugeschlagen haben, aber dafür sind Agenten ja da, solche Probleme zu erkennen und ihrem zögernden Klienten zu erklären.
Es liegt dann am Spieler zu entscheiden, ob er in eine neue Stadt umziehen will oder die gewohnten Lebensumstände bevorzugt. Einige Spieler wollen lieber in einer größeren Stadt wohnen, da können etwa Straubing oder Szekesfehervar nicht mithalten. Vor allem Kanadier sind aber kleine Städte gewohnt, verbringen die Freizeit mit der Familie vor dem TV oder am Computer – da ist´s egal, ob das Leben draußen pulsiert oder um 18 Uhr die Gehsteige hochgeklappt werden.
Links, Stats und Zahlen
Fast alle Agenten führen in ihren Mails Links zu den Eliteprospects-Stats ihrer Klienten an. Einige bieten auch weitergehende Infos ("Frau, zwei Kinder, ein Hund") an - mehr als nur wichtige Zusatzinformationen. Sowohl in der DEL als auch in der ICE übernehmen die Teams die Wohn- und Flugkosten, ein großer Familienanhang geht da natürlich ins Geld. Allerdings haben die DEL-Teams Steuervorteile bei größeren Familien gegenüber Singles – die Lohnverrechnung in Deutschland fällt um einiges komplizierter aus als die in Österreich.
Was sich in Angebotslisten eher selten findet, sind die Gehaltsvorstellungen. Doch keine Regel ohne Ausnahmen – ein Agent etwa bietet seine Spieler mit (durchaus realistischen) Preisen an. Da steht dann eben "40/45 k" daneben (immer netto), das Äquivalent zu "VB" (Verhandlungsbasis) bei Privat-Anzeigen. Das verhindert allerdings, dass ein Team von sich aus mehr bietet bzw. wird es sich eher an den 40 als 45.000 orientieren. Allerdings vermeidet das die Einstiegsfrage "Um welches Geld reden wir denn hier?", die entweder der Agent oder Teammanager stellen muss.
Im Allgemeinen sind Agenten gut beraten, keine Mondpreise aufzurufen, Teams aber auch keine Sparangebote abzugeben – die dabei entstandenen Lücken sind oft nicht mehr zu schließen oder lassen eine der beiden Seiten als unseriös dastehen.
Fährten, die ins Leere führen
Auf den Angebotslisten finden sich derzeit auch einige Cracks, die noch in der AHL spielen, wo jetzt erst die Playoffs beginnen. Bei Interesse verschwinden diese dann schnell vom Markt: "Wird drüben bleiben", "Wartet noch die Playoffs ab" sind die Antworten, im März denken nur wenige Spieler an einen Umzug nach Europa, hängen sie doch noch ihren NHL-Träumen nach.
Bestes Beispiel dafür: Alex Belzile, der jahrelang Angebote aus Europa hatte, diese aber ablehnte. Er gab sein NHL-Debüt mit 29 Jahren, kam heuer als 31-jähriger auf 31 Spiele bei den allerdings sehr schwachen Montreal Canadiens. Sein Mitspieler im Farmteam Laval, Peter Abbandonato, wird in Europa angeboten – nimmt er eines der zahlreichen Angebote an oder orientiert er sich am spätberufenen Belzile? Pikant bei Abbandonato: Er spielt sogar in seiner Heimatstadt, was in Nordamerika eine absolute Ausnahme darstellt.
Ebenfalls nicht immer gleich ersichtlich, aber dann oft ein Dealbreaker: Schwierige familiäre Bedingungen. Ein langjähriger AHL-Crack wurde angeboten, eines seiner Kinder braucht aber häusliche Pflege rund um die Uhr und macht daher einen Wechsel nach Europa eher unwahrscheinlich.
AHL-Spieler zu recherchieren, mit ihnen Gespräche zu führen und dann nach Wochen zu erfahren, dass sie in Übersee bleiben, gehört jedenfalls zu den frustrierendsten Aspekten eines Manager-Jobs…
Spieler außerhalb des Gesichtsfelds
Auch wenn Unmengen von Spielern angeboten werden – einige Teams agieren sozusagen im "Darknet", sind mit Cracks in Kontakt, die nicht allgemein angeboten werden. Das kann etwa im Falle von Mannheim durch Manager Jan-Axel Alavaara der Fall sein, der durch seine langjährige Erfahrung in Schweden den skandinavischen Markt genauer kennt als einige seiner Amtskollegen (und auch über entsprechende finanzielle Mittel verfügt). Auch Graz in der EBEL/ICE geht proaktiv auf schwedische Cracks zu, Grund dafür waren und sind die Coaches aus diesem Land. Der Erfolg hält sich allerdings in Grenzen…
Ein DEL-Manager wiederum sagte mir, dass er mit gewissen Spielern, die er von seinen AHL-Trips kennt, über Jahre Kontakt hält, bis sie ihre NHL-Träume ad acta gelegt haben. Da braucht es keiner Agenten als Zwischenvermittler, höchstens dann zum Aushandeln des Kontrakts.
Ein Meisterwerk des Darknets war im letzten Sommer die Verpflichtung von Carter Rowney in Frankfurt. Manager Franz Fritzmeier, schon länger auf der Suche nach einem Top-Center, merkte, dass Rowney auch nach Beginn der Free Agency noch ohne Vertrag in Nordamerika war und nahm mit ihm rein aufs Geratewohl einmal Kontakt auf. Rowney zeigte durchaus Interesse an einem Tapetenwechsel, mit 33 hieß es ohnehin für ihn "Jetzt oder nie". Sein Engagement in Frankfurt erfolgte dann erst Anfang September, er entwickelte sich zu einem der Top-Cracks der Liga und verlängerte seinen Vertrag bereits im Jänner.
Solche Stories sind aber eher die Ausnahme – wenn ich mir die DEL-Kader im September durchlese, kenne ich etwa 80 % der Neuzugänge von den Agentenlisten, in der ICE eher noch mehr. Zumindest die Teams dieser beiden Ligen fischen oft im gleichen Teich…