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So sieht Weihnachten für einen Eishockey-Scout aus

LAOLA1-Experte Bernd Freimüller hat keine geruhsamen Feiertage:

So sieht Weihnachten für einen Eishockey-Scout aus Foto: © GEPA

Weihnachten! Die besinnliche Zeit, in der wir uns zurückziehen und ein paar (hoffentlich) ruhige Tage mit (hoffentlich) geliebten Menschen verbringen.

In der Eishockey-Welt ist es mit Besinnlichkeit aber nicht weit her. Nicht nur die EBEL spielt zwei Tage nach dem großen Fest schon wieder (Runde 31 am Donnerstag ab 17:30 Uhr im LIVE-Ticker), auch international ist kurz nach dem Geschenke auspacken die nächste Bescherung für die Fans angesagt.

Mitten drin natürlich auch die Scouts. Wie lange dauert der Weihnachtsurlaub eines Scouts eigentlich? LAOLA1-Experte Bernd Freimüller erklärt, wie er und seine Kollegen die Weihnachtstage verbringen.

Nehmen wir als Beispiel einen europäischen NHL-Scout und den heurigen Terminkalender her:

Die Weihnachtstage im Überblick:

22. Dezember: Noch wird in den Profi- und Amateurligen gespielt. Tschechische Scouts ziehen sich sicher auch noch die letzten Testspiele vor der U20-WM in und um Ostrava rein.

23. Dezember: Auch hier testen die U20-Teams noch. Es besteht Hoffnung, einen Spieler zu sehen, der dann bei der WM nicht mehr dabei ist. In der Schweiz steht noch ein Spieltag an (dort wird wegen des Spengler-Cups nach Weihnachten nicht gespielt), aber grundsätzlich ist das schon ein spielfreier Tag.

24. Dezember: Ist logischerweise spielfrei - aber wirklich immer und ohne Ausnahmen? Für die KHL ist da ein ganz normaler Tag, da ja in Russland das Weihnachtsfest erst am 6. Jänner steigt und das gilt auch für die nicht-russischen Teams. Ich war an diesem Tage auch schon bei KHL-Spielen in Poprad und Bratislava, vor allem letzteres war sehr angenehm. Spielbeginn 13 Uhr, für die Bescherung rechtzeitig zuhause. Aber natürlich nicht jedermanns Sache und auch keineswegs ein Pflichtprogramm.

25. Dezember: Wohl der einzige wirklich freie Tag während der Saison, auch TV-Spiele finden keine statt. Zumindest 24 Stunden im Kreise der Familie.

26. Dezember: Weihnachten ist vorbei, die meisten Scouts müssen sich wieder frühmorgens auf Achse machen - und das meist mit einem Programmpunkt, der kaum jemandem Spaß macht. In Zuchwil in der Schweiz findet ein U18-Turnier statt. Das in einer eiskalten Halle und bei den Teams (Finnland, Tschechien, Slowakei, Deutschland und der Gastgeber) fehlen natürlich die Topspieler, die bei der U20-WM oder ihren Klubteams sind. Dieses Turnier wird so meist zur lästigen Pflichterfüllung mit kaum für den Draft interessanten Cracks.

Silvester kaum mit der Familie

Oft ist Zuchwil allerdings nur der Ausgangspunkt für eine Reise, die mehrere Wochen dauern kann. So gut wie jeder Scout (Part-Timer einmal ausgenommen) ist bei der U20-WM dabei. Die findet heuer in Ostrava und Trinec (Tschechien) statt, von Wien in knapp drei Stunden zu erreichen.

Doch in zwei von drei Jahren findet diese WM in Übersee statt. Das heißt am 28. oder 29. in den Flieger nach Kanada oder die USA und dann meist bis zum Ende des Turniers bleiben. Das sind also inklusive Zuchwil schon einmal 12 Tage.

Silvester im Kreise der Familie? Völlig unmöglich, das ist mir auch nie gelungen. Da müsste man schon etwas schummeln, etwa Zuchwil auslassen (bei großen Stäben natürlich möglich), dann bei der Junioren-WM nur vom 26.-30. Dezember oder 2.-5. Jänner sein. Da wird das Coverage schon sehr problematisch, einige Teams können nur einmal gesehen werden und daher mit dem Gewissen eines Scouts eigentlich unvereinbar.

Es könnte noch schlimmer kommen

Aber gut, ist man halt zwölf Tage auf Achse, für Scouts sicher nichts Ungewöhnliches. Allerdings ist das nur ein Best-Case-Scenario. Denn im Jänner finden immer die Mid-Season-Meetings der einzelnen Teams statt, wo die ersten Draftlisten und die Vorgangsweise für den Rest der Saison festgelegt werden. Diese Meetings finden fast ausnahmslos in Nordamerika statt und bei einer Junioren-WM in Übersee wird der Scout natürlich nicht für ein paar Tage nach Europa zurückfliegen.

Das heißt dann schon: Von Zuchwil zur Junioren-WM, danach noch einige Junioren-Spiele in Nordamerika zur Überbrückung bis zu den Meetings. Die finden ungefähr zwischen dem 10. und 15. Jänner statt. Mit Glück an einem schönen Ort (z.B. Florida), mit Pech und einem knausrigen Arbeitgeber im eiskalten Kanada. Vielleicht etwa in Hamilton, wo am 16. Jänner das CHL-Top-Prospects-Game stattfindet – die einzige Chance für europäische Scouts, einige CHL-Spieler (wie etwa Marco Rossi) auf dem Eis zu sehen und sie in Relation zu den europäischen Spielern (und den vom Sommer und der Junioren-WM bekannten Nordamerikanern) zu setzen. Danach vielleicht noch ein oder zwei Junioren-Spiele, bevor es endgültig nach Hause geht.

Freie Tage - ohne Reisen, Spiele oder Ganz-Tages-Meetings - gibt es während dieses Trips so gut wie keine, alles ist durchgetaktet.

Ein solcher Trip, der also drei Wochen und länger dauern kann, ist nicht der Regelfall für jeden Scout, allerdings auch keine absolute Ausnahme. Mit der Junioren-WM in Tschechien kann so ein Trip abgemildert werden, vielleicht ist nur ein kurzer Aufenthalt in Nordamerika wegen der Meetings notwendig. Doch im Extremfall ist mit einem solchen Mega-Trip und dem Jet-Lag danach der Jänner schon fast wieder vorbei.

Die Weihnachtsfeiertage und Silvester also als Pflichtpunkte für Familienfeste? Bei normalen Berufen sicher, aber was ist am Scouting-Beruf schon normal? Die sechs Tage und zwölf Spiele in Ostrava für mich (immer im gleichen Hotel und mit minimen Reisestrapazen verbunden) sind da schon die Minimumvariante...

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