In Europa beginnt überall der Ligabetrieb, doch ab Samstag geht der Blick vieler Eishockeyfans nach Übersee. In Toronto matchen sich die besten Spieler der Welt im wiederbelebten World Cup. LAOLA1-Scout Bernd Freimüller blickt auf dieses Turnier, beantwortet die wichtigsten Fragen und analysiert jedes Team.
Was ist der World Cup?
Ein von der NHL veranstaltetes Einladungsturnier, das schon 1996 (Sieger USA) und 2004 (Kanada) ausgetragen wurde. Die IIHF hat damit nichts zu tun.
Wie läuft das Turnier ab?
Gestartet wird ab 17. Sptember in zwei Vierergruppen, jedes Team spielt einmal gegen jeden Gruppengegner. Die ersten beiden Mannschaften jeder Gruppe stehen dann im Halbfinale und ermitteln in Kreuzspielen (Erster Gruppe A gegen Zweiter Gruppe B und umgekehrt) die Finalteilnehmer. Das Endspiel steigt am 1. Oktober.
Gruppe A | Gruppe B |
---|---|
Kanada | Finnland |
Team Europa | Russland |
Tschechien | Team Nordamerika |
USA | Schweden |
Warum wurde dieses Turnier wiederbelebt?
Böse Zungen behaupten – rein wegen des Geldes. Und das stimmt auch, sämtliche Einnahmen fließen in die Taschen der Vereine und der Spielergewerkschaft. Bezeichnend auch: Erstmals gibt es mit SAP einen (kleinen) Trikot-Sponsor – bis jetzt ein absolutes „No-Go“ in der NHL.
Wird dieses Turnier Olympia ersetzen?
Das werden wir in Kürze wissen, jedenfalls ist das wohl ein Vorbote für regelmäßigere World Cups. Falls alles gut abläuft, könnte dieses Turnier alle vier Jahre oder gar öfters stattfinden. Die NHL war zuletzt gar nicht zufrieden, wie die IIHF sie bei Olympia behandelte, dazu kommen noch die Unterbrechungen der Saison sowie die riesigen Versicherungskosten, die weder die IIHF noch das IOC übernehmen wollen. Auch sind weder Korea (2018) noch China (2022) für die NHL interessante Märkte.
Was hat es mit „Team North America“ bzw. „Team Europe“ auf sich? Wo sind etablierte Eishockeyländer wie die Slowakei oder die Schweiz?
Genau an diesen Fragen setzen sich die Kritiker an, die diese Teams als reine Gimmicks sehen. Es handelt sich um ein reines Einladungsturnier, die NHL nahm zwei willkürliche Teams als Auffüllung, die für sie attraktiver als scheinbar schwächere europäische Verbände hielten. Genauso gut hätten sie Teams der „Gitarrenspielenden Cracks mit Schnurrbärten“ oder „Spieler, deren Frauen regelmäßig bei Walmart einkaufen“ zusammenstellen können.
„Team North America“ hatte das Zugriffsrecht auf die nordamerikanischen U23-Spieler aus der NHL. „Team Europe“ wiederum setzt sich aus den Ländern zusammen, die kein eigenes Nationalteam stellen. Mit Thomas Vanek ist dort auch Österreichs einziger Beitrag mit von der Partie. Eher nicht anzunehmen, dass diese beiden Teams großen Enthusiasmus in den Hallen oder vor den TV-Geräten auslösen werden.
Die Teams im Check:
Kanada
Natürlich der große Favorit und immens tief besetzt. Coach Mike Babcock, der auch in Sotchi hinter der Bande stand, konnte es sich sogar leisten, Starverteidiger P. K. Subban nicht zu nominieren, da er nicht unbedingt auf Solisten steht.
Star: Eigentlich fast jeder, doch wie bei Olympia werden alle in Babcocks strengem System ihre Rolle spielen. Das gilt auch für Stanley-Cup-Sieger Sidney Crosby.
Fragezeichen: Ist Carey Price nach langer Verletzungspause schon wieder auf der Höhe oder müssen die Backup-Goalies Braden Holtby oder Corey Crawford einspringen?
USA
Ebenfalls im Favoritenkreis, auf der Goalieposition stünden mit Ben Bishop, Jonathan Quick und Cory Schneider sogar drei Topleute zur Verfügung. Das Team hat nicht die Firepower der Kanadier, aber einige unterschätzte NHL-Cracks wie Blake Wheeler (Winnipeg) oder Detroits Justin Abdelkader. T. J. Oshies Fähigkeiten bei Shootouts sind diesmal nicht so gefragt, nur in der Vorrunde geht es ins Penaltyschießen.
Star: Patrick Kane (Chicago Blackhawks) sollte der Mann für die entscheidenden Tore sein.
Fragezeichen: Kann sich der leicht entzündbare Coach John Tortorella zurücknehmen oder legt er sich sogar in einem kurzen Turnier wie diesem mit Spielern und Presse an?
Finnland
Die Finnen werden wie immer schwer zu bespielen sein, sie agieren stets kampfstark und niemand bricht aus dem Teamkonzept aus. Mit Tuukka Rask (Boston) und Pekka Rinne (Nashville) stehen zwei Goalies zur Verfügung, die in Hochform zu den Besten ihres Fachs gehören.
Star: Ein Superstar sticht nicht ins Auge, aber Aleksandr Barkov mausert sich in Florida immer mehr zu einem der besten 200-Foot-Center der NHL.
Fragezeichen: Sind bei der WM überragende Youngsters wie Sebastian Aho (vor seinem Debütjahr in Carolina) oder Patrik Laine (nächste Saison Winnipeg) schon für ein Turnier wie dieses bereit? Das Team weist schon nicht sehr viel Offensive auf.
Schweden
Rikard Gronborg, ein internationaler No-Name, stellt sich als neuer Headcoach gleich bei diesem schweren Turnier vor. Er kann auf eine Weltklasse-Verteidigung (Erik Karlsson, Oliver Ekman-Larsson, Victor Hedman, Niklas Hjalmarsson) zurückgreifen, die ihm helfen sollte, den leichten internationalen Abwärtstrend des Tre-Kronor-Hockey aufzuhalten. In der Offensive liegen die Hoffnungen auf Playmaker Nicklas Bäckström (Washington) und Shooting-Star Filip Forsberg (Nashville)
Star: Ottawa-Offensivverteidiger Erik Karlsson könnte gerade in einem kurzen Turnier wie hier die entscheidenden Akzente setzen.
Fragezeichen: Können Oldies wie die Sedin-Twins noch große Beiträge leisten? Und ist Stargoalie Henrik Lundqvist in seinem vielleicht letztem Turnier noch einmal „King Henrik“?
Russland
Die Russen weisen wie immer eine imposante Offensivbesetzung auf, doch wie immer besteht die Frage: Klinken sich die Superstars früher oder später aus dem Teamkonzept aus? Die hierfür üblichen Verdächtigen wie Ilya Kovalchuk oder Alexander Radulov wurden von Coach Oleg Znarok erst gar nicht einberufen. Namen wie Alexander Ovechkin, Evgeni Malkin oder Chicago-Aufsteiger Artemi Panarin lassen Eishockeyfans das Herz übergehen, doch die Defensive dagegen sieht sehr bescheiden aus.
Star: Alexander Ovechkin ist seit Jahren in der NHL ein Top-Sniper, international geht er aber öfters mit dem Team unter.
Fragezeichen: Oldie Andrei Markov (Montreal) ist der erfahrenste Defender. Aber kann er mit 37 noch mit dem Tempo hier mithalten? Und welcher Torhüter (Bobrovsky, Varlamov, Vasilievsky) reißt die Zügel an sich?
Team Nordamerika
Headcoach Todd McLellan kann auf einige Cracks zurückgreifen, die durchaus auch in ihren Mutterländern Fixstarter gewesen wären. Das gilt etwa für den verlässlichen Defender Aaron Eckblad (Florida), seinen so beweglichen Verteidigungskollegen Seth Jones (Columbus) oder den auch international schon bewährten Jack Eichel (Buffalo). Das Team wird ohne Zweifel schnell und talentiert sein und sollte eigentlich das mit Abstand bessere der beiden Gimmick-Teams sein.
Star: Der zukünftige NHL-Superstar Connor McDavid (Edmonton) wurde bereits zum Kapitän ernannt.
Fragezeichen: Goalie Matt Murray kam aus dem Nichts und machte Pittsburgh zum Stanley-Cup-Champion. Beweist sich das schon hier als ein kurzzeitiges Karrierehoch oder ist er der wahre Jakob?
Tschechien
Auch wenn es im Jugendbereich zuletzt wieder nach oben ging: Die besten Tage des tschechischen Eishockeys liegen schon lange zurück, der Kader hier ruft bei der Konkurrenz auch sicher keinen Schrecken hervor. Noch dazu, wo der neue Coach Josef Jandac auf die verletzten David Krejci (Boston), und Tomas Hertl (San Jose) sowie auf den aus dem Nationalteam zurückgetretenen Jaromir Jagr (Florida Panthers) verzichten muss. Keiner der Mannschaftsteile ist überdurchschnittlich besetzt, das Turnier dürfte nach der Vorrunde vorbei sein.
Star: Der kleine Tomas Plekanec (Montreal) ist seit Jahren bei seinem Klub und im Nationalteam ein Vorbild.
Fragezeichen: Können die Tschechen in ihrer Defensive überhaupt genügend geeignete Leute fürs Powerplay finden? Und ist Goalie Petr Mrazek mehr als ein guter NHL-Backup?
Team Europa
Die UNO-Version eines Eishockeyteams, Spieler der verschiedensten Länder sollen hier vereinigt werden. Ob das in einem solchen Turnier ausreicht ist die Frage, vor allem da das Team ziemlich alt und unbeweglich erscheint. Am motiviertesten sollten die beiden deutschen Defender Christian Ehrhoff und Dennis Seidenberg sein, die noch um NHL-Verträge für die nächste Saison kämpfen. Welche Rolle wird Thomas Vanek in diesem Konglomerat spielen können?
Star: Der Schweizer Roman Josi (Nashville) könnte wohl bei jedem anderen Land an der blauen Linie auflaufen, gehört er doch zu den Top-Defendern der NHL.
Fragezeichen: Der auch in Österreich altbekannte Ralph Krueger steht erstmals seit seiner Saison 2012/13 in Edmonton wieder hinter der Bande. Die letzten Jahre verbrachte er beim Premier-League-Team Southampton in England. Verärgert er die Schiris hier, indem er zu oft Elfmeter reklamiert?